Die britische Premierministerin Theresa May steht am Abgrund. Mit Boris Johnson und David Davis sind zwei ihrer wichtigsten Minister zurückgetreten. Die Brexit-Gespräche mit Brüssel sind festgefahren. Hinter der Zukunft von May und dem Brexit steht ein grosses Fragezeichen.

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Um sie herum bricht die Regierung auseinander, doch Theresa May steht am Montag am Rednerpult im britischen Parlament, als sei nichts geschehen.

Kurz zuvor hatte Aussenminister Boris Johnson seinen Rücktritt eingereicht. Und am Vorabend hatte schon Brexit-Minister David Davis seinen Hut genommen. May dankt beiden: Davis für den Aufbau eines neuen Ministeriums, Johnson für seine "Leidenschaft".

May bekräftigt Brexit-Kurs

Anfangs wird sie vom Hohngelächter der Opposition immer wieder unterbrochen, doch sie lässt sich nicht beirren, verteidigt ihre neue Brexit-Strategie, die auf eine weiter enge Bindung an die EU setzt. "Es ist der richtige Deal für Grossbritannien", ruft sie ins Plenum in Westminster.

Hofft die Konservative auf die Unterstützung der Opposition? Die Wortmeldungen von der anderen Seite des Parlaments, etwa der Labour-Partei, lassen nicht darauf schliessen.

Sie verliert die Kontrolle

Zwei Jahre lang war es Theresa May gelungen, ihre in punkto Brexit zerstrittene Regierung zusammenzuhalten. Geschafft hatte sie das hauptsächlich, weil sie sich nie festlegte. Die Folge ist, dass die Brexit-Gespräche mit Brüssel neun Monate vor dem Austritt in einer Sackgasse stecken.

Ihr Kabinett war tief gespalten zwischen Befürwortern eines klaren Bruchs mit Brüssel und Ministern, die das Land weiter eng an die EU binden wollen. Sie duldete, dass ihr einzelne Minister immer wieder in die Parade fuhren - ihre eigene Agenda verfolgten. Ihre grösste Stärke war, dass sie beiden Seiten das Gefühl gab, die Oberhand behalten zu können.

Filmreifes Szenario

Doch dieses Gefühl war den Brexit-Hardlinern am Freitag abhanden gekommen. May beorderte ihre Minister auf den Landsitz Chequers, ein Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert nordwestlich von London. Ihres Smartphones mussten die Minister abgeben. Eine Kopie des neuen Brexit-Plans - 120 Seiten - erhielten sie einen Tag vor dem Treffen.

Wer zurücktrete, hiess es, müsse die 60 Kilometer zurück nach London im Taxi zurücklegen. Das Dienstfahrzeug stehe dann nicht mehr zur Verfügung. Ausserdem stehe schon eine Reihe junger, talentierter Politiker in den Startlöchern, frei gewordene Posten zu übernehmen.

Hardliner ausser sich

Der Plan, eine Freihandelszone zwischen Grossbritannien und der EU zu schaffen für Waren und Agrarerzeugnisse und ein Zollabkommen mit der EU, stiess nicht auf Begeisterung. May wollte damit die Quadratur des Kreises doch noch hinbekommen: Aus der Zollunion austreten, aber keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zulassen.

Die unkontrollierte Einwanderung aus der EU stoppen, aber keine Hindernisse für Unternehmen schaffen. Dafür wollte sie EU-Regeln dauerhaft übernehmen, sich teilweise nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs richten. Die "Brexiteers" witterten Verrat.

Davis macht den Anfang

Die Rebellion blieb während der Klausur zunächst aus. Während ihre Minister speisten, noch immer ohne Handys, verkündete May einen Erfolg: Das Kabinett sei sich einig geworden. Sie wirkte gelöst.

Doch schon am Montag kam der Rückschlag. Davis verkündete in der Nacht seinen Rücktritt. Er zweifle, ob der EU-Austritt überhaupt noch stattfinden werde, sagte er. Die Pläne Mays seien "gefährlich".

Johnson: "Scheisshaufen"

Johnson, Wortführer der Hardliner, schwieg zunächst. Der Aussenminister hatte Berichten zufolge bereits am Freitag deutlich gemacht, wofür er Mays neuen Brexit-Plan hält: einen "Scheisshaufen". Unklar blieb bis zum Montagsabend, ob er versuchen würde, May zu stürzen.

Die andere Seite, die EU, reagierte betont unterkühlt auf die britischen Chaos-Tage. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte nur: "Politiker kommen und gehen, aber es bleiben die Probleme, die sie für ihr Volk geschaffen haben." (sg/dpa)

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