Die schwierigen Beziehungen zu Russland, die langfristige Finanzplanung und das Grossprojekt Eurozonen-Reform: Für den letzten Gipfel in diesem Jahr haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU viel vorgenommen. Wenn da nicht der Brexit wäre.

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Eigentlich wollte die Europäische Union zur Tagesordnung übergehen. Pünktlich zum Jahresende sollen noch Reformen beschlossen und Erfolge präsentiert werden. Doch der Brexit überschattet auch den letzten EU-Gipfel des Jahres am Donnerstag und Freitag in Brüssel.

Nach der dramatischen Zuspitzung in London werden sich Kanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen erneut den Kopf zerbrechen müssen, wie die Trennung von Grossbritannien einigermassen glimpflich vonstattengehen kann. Und es ist nicht der einzige schwierige Tagesordnungspunkt.

Die Gipfel-Themen auf einen Blick

Brexit

Nach monatelangen Verhandlungen gibt es ein Vertragspaket zum geplanten EU-Austritt Grossbritanniens am 29. März 2019. Die britische Regierung hat zugestimmt, die EU ebenfalls - doch fehlt im britischen Parlament die Mehrheit zur Ratifizierung.

Premierministerin Theresa May bittet deshalb die EU um neue "Zusicherungen". Damit will sie Kritik an den vereinbarten Regeln für offene Grenzen zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland entkräften und doch noch die Zustimmung im Unterhaus erreichen.

Die EU signalisiert Entgegenkommen, allerdings in sehr engen Grenzen und ohne Vertragsänderung.

Das bekräftigt aktuell auch Bundesaussenminister Heiko Maas. Änderungen an dem Vertrag über den Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union seien ausgeschlossen.

"Es gibt keine Grundlage dafür, dieses Abkommen wieder aufzudröseln", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestag. "Daran wird sich auch nichts ändern."

Was beim Gipfel beschlossen werden könnte, blieb bis zuletzt offen.

Russland und der Ukraine-Konflikt

Braucht es neue Sanktionen gegen Russland? Über diese Frage wird in der EU gestritten, seit die russische Küstenwache Ende November drei ukrainische Marineschiffe mit Gewalt daran hinderte, vom Schwarzen Meer in das Asowsche Meer zu fahren.

Beim Gipfel wird es wohl keine Einigung geben. Am Ende könnten aber neue Sanktionen für den Fall angedroht werden, dass Russland den Konflikt nicht schnell entspannt - zum Beispiel, indem es die festgenommenen Seeleute freilässt.

Dies wäre ein Kompromiss zwischen Sanktionsgegnern wie Italien und Ungarn und Befürwortern wie Polen oder Litauen.

Als sicher gilt, dass die im Januar auslaufenden Wirtschaftssanktionen nochmals verlängert werden.

Im Sommer 2016 war beschlossen worden, sie erst dann aufzuheben, wenn der Minsker Friedensplan zum Ukraine-Konflikt komplett erfüllt ist. Dies ist nicht der Fall.

Desinformation

Kanzlerin Merkel warnte bei der Annahme des UN-Migrationspakts am Montag eindringlich vor Falschnachrichten rund um das Abkommen.

Und auch mit Blick auf die im Mai anstehende Europawahl sorgen sich die EU-Spitzen vor unerlaubter Einflussnahme durch sogenannte Fake News.

Dies sei eine "echte Herausforderung für unsere demokratischen Systeme", heisst es im Entwurf der Gipfelerklärung. Merkel und ihre Kollegen rufen deshalb zu zügigem Handeln auf.

Der neue Plan der EU-Kommission gegen Falschnachrichten und Propaganda im Internet solle möglichst schnell umgesetzt werden.

Dieser sieht unter anderem vor, die Mittel für eine schon aktive EU-Analysegruppe zu verdoppeln, die Massnahmen der EU-Staaten besser zu bündeln und die sozialen Netzwerke stärker in die Pflicht zu nehmen.

Migration

Das grosse Streitthema Migration wird bei diesem Gipfel nur wenig Raum einnehmen. Eine gemeinsame Linie im Asylrecht ist immer noch nicht in Sicht. Doch kommen weit weniger Migranten in der EU an als zur Hochzeit der Flüchtlingskrise.

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex prognostiziert, dass es 2018 wohl so wenige illegale Grenzübertritte geben wird wie zuletzt 2013.

In den ersten zehn Monaten waren es 118.900, rund ein Drittel weniger als zur gleichen Zeit 2017. Im Entwurf der Gipfelerklärung wird das gewürdigt. Doch heisst es auch: "Wachsamkeit auf allen bestehenden und neu aufkommenden Routen sollte aufrechterhalten werden."

Vor allem auf der westlichen Mittelmeerroute nach Spanien sind die Zahlen vergangenes Jahr deutlich gestiegen. Bis Oktober kamen fast 46.000 Menschen über diese Route - mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2017.

Haushalt

Die Staats- und Regierungschefs wollen beim Gipfel erstmals über die EU-Finanzplanungen für das kommende Jahrzehnt beraten.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger plant, das Budget für die Jahre 2021 bis Ende 2027 - unter Berücksichtigung der Inflation - auf 1.279 Milliarden Euro aufzustocken.

Es soll mehr Geld für Verteidigung, Forschung, Jugend und Grenzschutz fliessen. Finanzhilfen für Landwirte und strukturschwache Regionen sollen hingegen gekürzt werden.

Eine schnelle Einigung ist nicht in Sicht: Nettozahler wie Deutschland wollen allenfalls eine massvolle Erhöhung des Haushalts akzeptieren.

Länder wie Polen kämpfen jedoch gegen Einschnitte bei Mitteln für strukturschwache Regionen, Frankreich ist gegen die Kürzung von Agrarhilfen.

Der Entwurf der Gipfelerklärung sieht vor, dass die EU-Staaten das Ziel setzen, sich bis Herbst 2019 zu einigen.

Euro

Die Staats- und Regierungschefs sollen die von den Finanzministern vereinbarte Stärkung des Euro-Rettungsschirms ESM absegnen. Der ESM vergibt gegen Spar- und Reformauflagen Kredite an Staaten in Notlagen.

Künftig soll er früher einschreiten können, damit nicht aus kleinen Problemen grosse Finanzkrisen werden. Auch soll der ESM Kreditprogramme stärker selbst managen.

Noch in der Griechenland-Krise spielte dabei der Internationale Währungsfonds eine zentrale Rolle, mit dem die Europäer aber nicht immer übereinstimmten.

Schliesslich soll der Euro-Rettungsschirm künftig im Notfall bei Bankenabwicklungen beispringen können und die sogenannte Letztsicherung stellen, wenn andere Mittel nicht ausreichen.

Strittig ist hingegen die Einführung eines Eurozonenbudgets im EU-Haushalt, wie es Deutschland und Frankreich wollen.

Es könnte dazu dienen, wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Staaten zu verringern. Die Euro-Finanzminister sollen sich bis Mitte 2019 auf eine Position verständigen, hiess es in einem Gipfelentwurf. (mgb/dpa)

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