• Es ist vollbracht: Kurz vor Torschluss haben sich die EU und Grossbritannien doch noch auf ein Handelsabkommen geeinigt.
  • Ein harter Brexit ist damit wahrscheinlich vom Tisch.
  • Das britische Parlament soll am 30. Dezember über den Deal abstimmen.
  • Das EU-Parlament kann den Handelspalt nicht mehr rechtzeitig vor dem 1. Januar ratifizieren.

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Nach monatelangen Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt ist der Europäischen Union und Grossbritannien eine Einigung gelungen. Dies bestätigten beide Seiten am Donnerstagnachmittag.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Unterhändler Michel Barnier kündigten eine Pressekonferenz an. Mit der Einigung scheint ein harter wirtschaftlicher Bruch zum Jahreswechsel abgewendet.

Zölle vermeiden, reibungslosen Handel ermöglichen

Das Handelsabkommen soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent ab Januar 2021 regeln. Wichtigster Punkt ist, Zölle zu vermeiden und möglichst reibungslosen Handel zu sichern.

Der Vertrag umfasst aber auch den Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und vielen anderen Themen.

"Es hat gedauert, aber nun haben wir ein Abkommen", sagte EU-Kommissionschefin von der Leyen. "Es war ein langer und steiniger Weg. Aber das Ergebnis ist gut." Das Abkommen sei fair und ausgewogen. "Und es war ein Gebot der Vernunft für beide Seiten", fügte von der Leyen hinzu.

Die EU habe sich in einer sehr guten Verhandlungsposition befunden und ihre Interessen voll gewahrt. Nun könne die Gemeinschaft den Brexit endlich hinter sich lassen.

Johnson: "Wir werden euer Freund sein"

In London äusserte sich Premierminister Johnson ähnlich. "Ich glaube, das ist ein guter Deal für ganz Europa", sagte er. Und er fügte hinzu: "Wir werden euer Freund sein, euer Partner, euer Unterstützer, und nicht zu vergessen, euer Nummer-Eins-Markt."

Aus Sicht seiner Regierung ist mit dem Abkommen alles erreicht, was die britische Öffentlichkeit mit dem Brexit-Referendum von 2016 wollte.

"Wir haben wieder Kontrolle über unser Geld, unsere Grenzen, unsere Gesetze, unseren Handel und unsere Fischgründe zurückgewonnen", erklärte die Regierung. Zugleich gewähre das Abkommen Zollfreiheit und unbegrenzte Exporte in die EU.

Grossbritannien hatte die EU Ende Januar verlassen und ist nur noch in einer Übergangszeit bis 31. Dezember Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Dann kommt der wirtschaftliche Bruch.

Ohne Abkommen würden Zölle und aufwendigere Kontrollen notwendig. Wirtschaftsvertreter auf beiden Seiten warnten vor Verwerfungen und dem Verlust Zehntausender Jobs.

EU-Parlament kann Deal nicht mehr rechtzeitig ratifizieren

Die Verhandlungen hätten eigentlich schon im Oktober abgeschlossen werden sollen, doch zogen sich immer weiter in die Länge. Mehrfach standen sie wohl kurz vor dem Scheitern.

Wegen der Kürze der Zeit kann ein Abkommen auf EU-Seite nicht mehr rechtzeitig ratifiziert werden. Es müsste vorläufig angewendet werden, falls die 27 EU-Staaten zustimmen.

Das britische Parlament soll am 30. Dezember über den Brexit-Handelspakt zwischen Grossbritannien und der EU abstimmen, wie Premier Johnson ankündigte.

Das Abkommen verspricht Grossbritannien Exporte ohne Zölle und ohne Mengenbegrenzung in den EU-Binnenmarkt. Dafür verlangt die EU aber faire Wettbewerbsbedingungen - das sogenannte Level Playing Field. Gemeint sind gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards.

Die Frage blieb bis zum Schluss ein höchst komplizierter Streitpunkt. Gesucht wurde ein Weg, fairen Wettbewerb auch für die Zukunft sicherzustellen und anderenfalls gegensteuern zu können. Erst am Mittwochnachmittag hiess es schliesslich, alle Punkte beim "Level Playing Field" seien geklärt.

Danach blieb noch ein allerletzter Knackpunkt, über den wochenlang heftig gestritten worden war: der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern. Die Klärung der letzten Einzelheiten zog sich über viele Stunden bis Donnerstagmittag hin. Schliesslich fand man auch hier einen Kompromiss.

Zuspitzung der Corona-Pandemie erhöhte Druck auf Grossbritannien

Zuletzt hatte die Zuspitzung der Corona-Pandemie in Grossbritannien weiteren Druck aufgebaut. Nachdem eine mutierte Variante des Coronavirus entdeckt wurde, hatte Frankreich zeitweise seine Grenzen für Verkehr aus Grossbritannien geschlossen. Deshalb stauten sich auf britischer Seite Tausende Lastwagen - aus Sicht von Kritikern ein Vorgeschmack auf die Lage bei einem No-Deal-Brexit.

Die britischen Wähler hatten 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Premierminister Boris Johnson gewann 2019 die Parlamentswahl unter anderem mit der Ansage, den Brexit nun tatsächlich durchzuziehen. Als zentralen Punkt nannte er immer wieder, Souveränität und Kontrolle über die eigenen Grenzen und Gesetze wiederzuerlangen.

Merkel: Einigung sei "von historischer Bedeutung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Einigung zwischen EU und Grossbritannien auf einen Brexit-Handelspakt als historisch gewürdigt. "Mit dem Abkommen schaffen wir die Grundlage für ein neues Kapitel in unseren Beziehungen", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin. "Grossbritannien wird auch ausserhalb der Europäischen Union weiterhin ein wichtiger Partner für Deutschland und für die Europäische Union sein." Die Einigung sei "von historischer Bedeutung".

Merkel sagte zu, den Text nun zügig zu prüfen. Das Bundeskabinett werde sich am kommenden Montag telefonisch über die deutsche Position verständigen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier ein gutes Resultat vorliegen haben", sagte die Kanzlerin. Alle Mitgliedstaaten und das EU-Parlament müssen der Einigung zustimmen.

(jwo/dpa)  © dpa

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