Boris Johnson hat heimlich geheiratet. Grossbritannien bekommt damit nicht nur eine neue First Lady, sondern auch eine mächtige Einflussfigur der britischen Politik. Wer ist die Frau, die mit goldenen Tapeten berühmt geworden ist, als neue Lady Macbeth gefürchtet wird und Johnson nun zu einer grünen Politik treibt?

Dr. Wolfram Weimer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Carrie Symonds ist das frische Faszinosum Grossbritanniens. Nun ist sie die neue First Lady des Landes, die heimliche Hochzeit mit dem Premierminister Boris Johnson fand in der Westminster-Kathedrale statt. Doch heimlich, still und leise ist an ihr wenig. Symonds ist pures Gold für den britischen Boulevard. Sie sorgt für Schlagzeilen, sie mischt sich ein, sie polarisiert. Schon wird sie in London als die mächtigste Strippenzieherin des Landes angesehen. Der ohnedies schillernde Premierminister bekommt mit ihr neue Kapitel bunter Machtkabale, als habe Netflix genau das für eine neue Serienfolge noch gebraucht.

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Für Grossbritannien ist es das erste Mal seit 200 Jahren, dass ein amtierender Premierminister heiratet. Johnson und Symonds waren schon das erste unverheiratete Paar in der Downing Street. Symonds ist erst 33 Jahre jung (kaum älter als die älteste Tochter Johnsons), und doch weiss sie genau, was sie will. Der "Daily Express" beschreibt sie als "the steely blonde" - die eiserne Blonde, die Boris Johnson im Griff habe. Ihr Einfluss geht über den einer einflüsternden Gattin weit hinaus. Symonds ist ein kluger politischer Kommunikationsprofi, schon mit 29 war sie die jüngste Pressesprecherin in der Geschichte der Konservativen Partei. Sie kennt alle Akteure der Tories persönlich wie politisch, sie hat ein eigenes Netzwerk der Macht und sie weiss es zu nutzen. Sie agierte schon als Lebensgefährtin von Boris Johnson in Downing Street wie eine Vize-Premier.

"Britanniens Marie Antoinette" sorgte bereits für spitze Zungen

Allerdings auch wie eine Prinzessin. Symonds hat eine Schwäche für Mode, inszeniert ihre Kleider gerne sozialdigital und fand die bisherige Einrichtung des Premiersitzes zu spiessig, "Kaufhaus-spiessig", wie sie der Presse offen erklärte und damit Theresa Mays Geschmack abwatschte, also liess sie renovieren, teuer, so teuer, bis die goldene Tapete zum Skandal wurde. Für Umbauten seines Dienstsitzes stehen Johnson maximal 35.000 Euro Steuergeld zu. Symonds' Luxus-Renovierung soll jedoch mehr als 230.000 Euro gekostet haben, was Johnson in peinliche Erklärungsnöte brachte, denn er brauchte private Spenden, um die Goldtapete seiner jungen Frau zu finanzieren. In sozialen Netzwerken wird sich seither über "Britanniens Marie Antoinette" lustig gemacht.

Doch anders als die exaltierte und naive Frau Ludwig XVI. denkt Symonds klug politisch. Darum wird der britischen Presse direkt nach der Hochzeit auch die Tratschblattgeschichte verraten, dass ihr Hochzeitskleid zwar vom Designer Christos Costarellos stamme und 3.300 Euro teuer sei, sie es aber für nur 50 Euro Gebühr bei einem Kleiderverleih sparsam ausgeliehen habe. Jede Information ist sorgsam platziert. "Sie kam den Kirchgang hinunter, und er konnte die Augen nicht von ihr lassen", zitierte der "Telegraph" einen Mitarbeiter der Kirche. Und die "Mail on Sunday" liess wissen, der gemeinsame Sohn Wilfred, 13 Monate jung, sei dabei gewesen. Im Übrigen habe man coronakonform in ganz kleinem Kreise geheiratet.

Ihr Ehrgeiz macht sie aus

Symonds ist auch als Verlobte schon die eigentliche Pressesprecherin des Premiers gewesen. Sie sucht nicht nur einen Platz an seiner besseren Seite, sie sucht für seine bessere Seite einen Platz. FAZ-Korrespondent Jochen Buchsteiner beschreibt sie so: "Verglichen mit ihren Vorgängerinnen ist Symonds vor allem eines: mehr. Sie ist noch ehrgeiziger als Cherie Blair. Noch aktivistischer als Sarah Brown, noch posher als Samantha Cameron."

Ihr Machtbewusstsein ist so explizit, dass das Magazin Tatler sie in der Aprilausgabe nicht nur zur Titelfigur gemacht, sie interviewt und als "the most powerful woman in Britain" angekündigt hat. Sie wird dort auch noch mit Shakespeares Lady Macbeth verglichen, deren kalter Ehrgeiz ihren Mann im Kampf um die Macht sogar zum Mörder werden liess.

Das Bild der messerwetzenden Lady Macbeth ist masslos übertrieben, aber wichtige Personalien entscheidet Symonds schon mit, so etwa den Rauswurf des einstigen Chef-Beraters Dominic Cummings. Der einstige Spin-Doktor der Brexit-Kampagne ist seither dabei, den Johnsons Dreck nachzuwerfen, dem Premier insbesondere ein miserables Corona-Management vorzuwerfen. Mit geringem Erfolg freilich, denn der grosse Erfolg der britischen Impfkampagne lässt die Beliebtheitswerte von Johnson steigen.

Und so wird Symonds mit dem Rauswurf von Cummings Recht behalten. In der britischen Öffentlichkeit gilt der inzwischen als zwielichtiger Intrigant. Er wird nun sogar zur theatralischen Gegenfigur der neuen First Lady - und die Hochzeit verfestigt das Bild vom bunten Paar im Licht und dem düsteren Rachsüchtigen im Halbschatten.

Schon seit Jahren kümmert sie sich um Johnsons Bild in der Öffentlichkeit

Symonds befreit Johnson schon seit Jahren aus allerlei heiklen Kommunikationslagen, so auch in der Affäre um Jennifer Arcuri. Während seiner Zeit als Bürgermeister Londons zwischen 2008 und 2016 soll Johnson über Jahre hinweg eine amouröse wie (nicht ganz compliance-konforme) geschäftliche Beziehung zu der amerikanischen Geschäftsfrau gehabt haben.

Symonds hat auch die heikle Nachrichtenlage um Johnsons Scheidung, neuerliche Vaterschaft und Wiederverheiratung geschickt gesteuert. Erst im Februar 2020 hatte sich Johnson von der Anwältin Marina Wheeler scheiden lassen, mit der er vier Kinder hat. Für ihn ist es nun die dritte Ehe. Aus einer Affäre hat der 55-Jährige eine weitere Tochter; sie kam 2009 zur Welt. In einem Rechtsstreit um dieses Kind hiess es überdies, Johnson habe ein weiteres uneheliches Kind. Mit Symonds wiederum hat er seit letztem Jahr den gemeinsamen Sohn Wilfred. Insgesamt ist das öffentliche Bild des wilden Privatlebens von Johnson zwar schillernd, aber nicht negativ. Mehrere Zeitungen beschrieben das wilde Privatleben gar als modern und liberal. Auch das ist ihr Verdienst.

Symonds hat Kommunikation in den Genen. Ihr Grossvater war Herausgeber des Daily Herald, ihre Grossmutter arbeitete als Journalistin für die BBC, ihr Vater ist Begründer des Independent, ihre Mutter Justiziarin der Zeitung. "Symonds sagt Boris Johnson so klar die Meinung wie sonst nur sein Vater", berichtet ein Familieninsider. Zuweilen geht es bei dem Paar dabei hoch her - im vergangenen Juni rückte sogar die Polizei in ihrer Londoner Wohnung an, weil sich Johnson und Symonds lautstark gestritten hatten.

Wird Johnson durch seine neue Gattin nun zum Grünen?

Politische Insider berichten, dass Symonds den Premierminister nicht nur "zivilisiert", sein Personal mit "sortiert" und kommunikativ "coacht". Sie habe auch eine Agenda. Denn Symonds ist eine grüne Aktivistin, sie gilt als leidenschaftliche Naturschützerin, die schon mal eine Demo für die Rettung der Wale organisiert. Sie verkörpert eine schwarz-grüne Haltung, die Natur aus konservativer Überzeugung zu bewahren. Aber sie tut es ebenso kämpferisch wie linke Öko-Aktivisten. So wird ihr zugeschrieben, dass sie 2020 den Premierminister dazu brachte, die geplante Keulung von Dachsen zu unterbinden. Sie hatte ihm ein Briefing von Tierrechtsaktivisten unterbreitet. Ein Bauernverband reagierte empört und behauptete, dass Symonds die Regierung manipuliert und wissenschaftliche Empfehlungen zugunsten der Beibehaltung der Keulung übergangen habe.

Auch bei Frauenrechten vertritt Symonds entschiedene Positionen, und das mit besonderer persönlicher Glaubwürdigkeit. 2009 war Symonds selbst das Opfer des sogenannten Black-Cab-Rapist geworden, eines Serienvergewaltigers namens John Worboys. Er hatte die damals 19-Jährige von einer Bushaltestelle in seinem Taxi mitgenommen und missbraucht. Im Prozess hatte Symonds gegen Worboys ausgesagt und später dafür gesorgt, dass er nicht vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Wenn sie sich heute für die MeToo-Bewegung stark oder gegen Genitalverstümmelungen mobil macht, hat sie hohe Glaubwürdigkeit. Der Guardian beschreibt ihre Agenda so: "Sozial engagiert, grünlich und wirtschaftlich rechts". Das dürfte das Programm der neuen britischen Ehe-Administration Johnson&Johnson werden.

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