In den vergangenen Tagen musste Premierminister Johnson diverse Rückschläge einstecken. Auch in der kommenden Woche muss er sich auf viel Widerstand gegen seine Pläne gefasst machen: Das gesetzliche Verbot eines No-Deal-Brexit hat die letzte Hürde im Parlament genommen.

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Das britische Oberhaus verabschiedete am Freitag das Gesetz gegen einen ungeregelten EU-Austritt Grossbritanniens. Es fehlte nur noch die Unterschrift von Königin Elizabeth II., damit es in Kraft treten kann. Gegen das Gesetz hatte es heftigen Widerstand der Regierung in London gegeben.

Indessen lehnen die Oppositionsparteien eine von Premierminister Boris Johnson angestrebte Neuwahl Mitte Oktober ab. Darauf einigten sich Labourchef Jeremy Corbyn und weitere führende Politiker in Gesprächen in London.

Johnsons Regierung hatte angekündigt, am kommenden Montag einen neuen Anlauf zu nehmen, um eine Neuwahl durchzusetzen. Der Premierminister will am 15. Oktober wählen lassen, um dann zwei Tage später beim EU-Gipfel mit einem Mandat für seinen Brexit-Kurs zu erscheinen.

Vor Neuwahl muss No-Deal-Brexit abgewendet werden

Der Regierungschef war damit bei einem ersten Versuch am Mittwoch bereits krachend im Parlament gescheitert. Für das Auslösen einer Neuwahl durch einen einfachen Beschluss ist eine Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten im Unterhaus notwendig.

Die Opposition will einer Neuwahl aber erst zustimmen, wenn ein EU-Austritt ohne Abkommen am 31. Oktober sicher abgewendet ist. Das nun verabschiedete Gesetz soll Johnson dazu zwingen, eine dreimonatige Verlängerung der Brexit-Frist zu beantragen, falls bis zum 19. Oktober kein Abkommen mit der EU ratifiziert ist. Der Antrag müsste dann allerdings von den übrigen 27 EU-Mitgliedstaaten auch noch einstimmig gebilligt werden.

Johnson will Grossbritannien am 31. Oktober notfalls auch ohne Abkommen aus der Staatengemeinschaft führen. Er hofft, die EU damit zu Zugeständnissen bei dem Brexit-Deal bewegen zu können. Das von seiner Vorgängerin Theresa May mit Brüssel ausgehandelte Abkommen ist bereits drei Mal im Unterhaus in London durchgefallen.

Klage gegen Parlamentspause wurde abgelehnt

Unterdessen lehnte ein Gericht in London eine Klage gegen die von Johnson verhängte mehrwöchige Zwangspause des Parlaments ab. Die Richter des High Courts liessen am Freitag jedoch eine Berufung am höchsten britischen Gericht (Supreme Court) zu. Dort soll es am 17. September weitergehen.

Geklagt hatten unter anderem die Geschäftsfrau und Aktivistin Gina Miller und Ex-Premierminister John Major. Sie sehen in der bis zu fünf Wochen langen Sitzungsunterbrechung ein unzulässiges politisches Manöver von Johnson, um seinen Brexit-Kurs durchzudrücken. Johnsons Anwälte hatten Millers Vorwürfe hingegen als "akademisch" abgetan.

Miller bezeichnete das Urteil des High Courts als "sehr enttäuschend" und kündigte an, dass sie sich auf jeden Fall an das höchste Gericht in Grossbritannien wenden werde.

Miller ist keine Unbekannte im Kampf gegen den EU-Austritt: Sie hatte mit einer Klage beim obersten Gericht in Grossbritannien Anfang 2017 erreicht, dass das Parlament beim Brexit stärker einbezogen wird. Sie war wegen ihres Engagements mehrfach bedroht worden.

Verschiebung wäre schlimmer für Deutschland

Ein ungeregelter Brexit Ende Oktober wäre aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für Deutschland weniger schlimm als eine erneute Verschiebung. Die erwartbaren Kosten für die Bundesrepublik seien mittel- bis langfristig eher gering, deutsche Verbraucher kaum betroffen und Chaos vermeidbar, sagte DIW-Chef Marcel Fratzscher der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Irland plant bei einem Brexit ohne Abkommen Kontrollen "in der Nähe der Grenze" zum britischen Nordirland, wie Ministerpräsident Leo Varadkar am Donnerstagabend in Dublin sagte. Die Überprüfung von Waren und lebenden Tieren sollten zwar so weit wie möglich in Häfen, Flughäfen und bei den Unternehmen erledigt werden. "Aber einige müssen womöglich in der Nähe der Grenze stattfinden." Die Details würden derzeit mit der EU-Kommission ausgearbeitet.

Die irische Grenzfrage gehört zu den umstrittensten Punkten beim Brexit. Die EU und ihr Mitglied Irland wollen Kontrollposten an der Grenze zu Nordirland vermeiden, weil eine neue Teilung der Insel politische Unruhen auslösen könnte. Bis eine andere Lösung gefunden wird, sollen daher für Nordirland einige EU-Regeln weiter gelten und Grossbritannien in der EU-Zollunion bleiben. Diese Backstop genannte Lösung trifft aber auf grossen Widerstand der britischen Regierung.

Varadkar betonte, der Backstop bleibe ein entscheidender Teil des Austrittsabkommens, solange man keine bessere Lösung habe. "Wir sind offen für Alternativen", fügte der Regierungschef hinzu. "Aber sie müssen realistisch, rechtlich bindend und umsetzbar sein. Wir haben bis heute keine solchen Vorschläge erhalten."

Abfuhr von Einheimischen für den Premierminister

Johnson beteuerte am Donnerstag bei einer Rede vor Polizisten im Norden Englands, er würde lieber "tot im Graben liegen" als eine Brexit-Verschiebung zu beantragen.

Der für die Region zuständige Polizeichef kritisierte am Freitag, dass Johnson die Polizisten als "Kulisse" für eine politische Rede über den Brexit und Oppositionschef Corbyn benutzt habe. Man sei davon ausgegangen, dass es dem Premier bei seinem Auftritt nur um die versprochene Anwerbung Tausender neuer Polizisten gehen würde, teilte John Robins mit.

Während Johnsons Rede mussten etwa 35 Polizisten hinter ihm stehen. Der sonst stets vor Selbstbewusstsein strotzende Regierungschef wirkte bei dem Auftritt verwirrt. Teilweise verlor er den Faden oder verfehlte die Pointen, wenn er einen Scherz machen wollte.

Am Rande seines Besuchs in Nordengland bekam der Premier auch noch eine heftige Abfuhr von einem Einheimischen - aber auf sehr britische Art, wie auf einem Video des britischen Senders BBC zu sehen ist. "Bitte verlassen Sie meine Stadt", sagte der Mann in einem äusserst höflichen Ton, schüttelte Johnson die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. "Das werde ich, sehr bald", antwortete Johnson. Das Video wurde zum Hit im Kurznachrichtendienst Twitter (#PleaseLeaveMyTown). (kad/dpa)

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