Der Brexit ist vollzogen. Doch die harten Verhandlungen zwischen Europa und Grossbritannien sind noch lange nicht vorbei. Zwei Tage nach dem EU-Austritt der Briten beraten beide Seiten über ihre künftigen Geschäftsbeziehungen. Und sowohl die EU als auch Grossbritannien zeigen sich dabei kampflustig.
Vor den Gesprächen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien scheint die Kluft zwischen beiden Seiten grösser zu werden. Der britische Premierminister Boris Johnson drohte am Montag in London mit einem harten Bruch nach der Brexit-Übergangsphase Ende dieses Jahres.
Auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier schloss ein solches Szenario nicht aus. Doch sagte er auch, ein ehrgeiziges Freihandelsabkommen beider Seiten sei in der kurzen Frist sehr wohl möglich.
Grossbritannien hatte die EU am 31. Januar um Mitternacht (MEZ) verlassen. Nun geht es darum, eine künftige Partnerschaft beim Handel, aber auch beim Fischfang, in der Sicherheitspolitik, beim Datenschutz und vielen anderen Feldern zu schmieden.
Die Ansagen beider Seiten am Montag waren jedoch kühl oder sogar kampflustig.
Grossbritannien will sich nicht an EU-Standards binden
Es gebe für Grossbritannien genauso wenig Grund, wegen eines Freihandelsabkommens die Regeln der EU in Kauf zu nehmen wie andersherum, sagte Johnson. "Grossbritannien wird die höchsten Standards in diesen Bereichen beibehalten, besser in vielerlei Hinsicht als die der EU - ohne den Zwang eines Vertrags, und es ist elementar, das jetzt zu betonen."
Ausserdem werde sein Land die Kontrolle über die eigenen Fischereigewässer übernehmen. Ein Abkommen darüber müsse sicherstellen, dass britische Gewässer "zuvorderst" britischen Booten vorbehalten seien. Der Zugang für EU-Fischer werde jährlich auf Basis wissenschaftlicher Daten ausgehandelt.
EU pocht auf gleiche Wettbewerbsbedingungen
Genau die beiden von Johnson genannten Punkte - gleiche Wettbewerbsbedingungen und die Fischerei - sind auch für die EU von zentraler Bedeutung, wie Unterhändler Barnier unterstrich.
Britische Zusagen in beiden Punkten seien Voraussetzung für das gewünschte sehr ehrgeizige Freihandelsabkommen. Der Zugang für britische Waren und Dienstleistungen zum EU-Binnenmarkt werde davon abhängen, wie eng sich Grossbritannien künftig an EU-Regeln und Standards halte.
Grossbritannien habe sich bereits in der im Herbst vereinbarten Politischen Erklärung zu fairen Wettbewerbsbedingungen bekannt, betonte Barnier. Die Forderungen der EU seien also für niemanden eine Überraschung.
Er stellte klar, dass es nicht um Angleichung an EU-Regeln gehe, sondern "um das Managen der Abweichung". Im Entwurf für die Verhandlungslinie, die Barnier am Montag vorlegte, ist die Rede von "robusten Verpflichtungen" zu gleichen Wettbewerbsbedingungen, dem sogenannten Level Playing Field.
Barnier: Kein "Business as usual"
Barnier forderte die Wirtschaft auf, sich schon jetzt auf die unausweichlichen Änderungen zum Jahreswechsel einzustellen. Auch das beste Freihandelsabkommen sei nicht mit den bisherigen Wirtschaftsbeziehungen im gemeinsamen Markt vergleichbar.
Es gebe kein "Business as usual". Warenkontrollen seien angesichts unterschiedlicher Regeln unvermeidlich. Das seien "die mechanischen Konsequenzen der Bedingungen, die Grossbritannien gewählt hat".
Nach dem Brexit hat sich praktisch noch fast nichts geändert, weil innerhalb einer Übergangsfrist alle EU-Regeln im Vereinigten Königreich weiter gelten. Erst am 31. Dezember ist es damit vorbei. Bis dahin müssen die wichtigsten Fragen vertraglich geregelt sein, sonst kommt es doch noch zu einem harten Bruch.
Johnson gab sich angesichts dieser Aussicht unbeeindruckt. In der prachtvollen barocken Painted Hall im Royal Naval College im Stadtteil Greenwich beschrieb er in schillernden Farben die Zukunft seines Landes ausserhalb der EU.
Grossbritannien werde auf der ganzen Welt mit potenziellen Handelspartnern wie den USA, Australien, Neuseeland und Japan in Verhandlungen treten. "Wir kehren nach Jahrzehnten des Winterschlafs als Vorkämpfer des weltweiten Freihandels zurück", schwärmte er. (dpa/thp) © dpa
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