Die britische Premierministerin Theresa May steht unter Druck: Sie muss die beantragte Verlängerung der Frist zum EU-Austritt nun auch stichhaltig begründen. Die Gespräche mit der Opposition scheinen nicht gut zu laufen. Vieles deutet auf eine lange Verzögerung des EU-Austritts hin.
Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt, lehnt einen weiteren Brexit-Aufschub ab, wenn Grossbritannien nicht spätestens bis Freitag sagt, wie es konkret weitergehen soll.
"Eigentlich wollen wir keinen Brexit, und wenn, dann auf keinen Fall einen harten Brexit. Aber wir können nicht akzeptieren, dass es eine unendliche Geschichte wird", sagte die SPD-Politikerin der "Heilbronner Stimme".
Bislang ist vorgesehen, dass Grossbritannien die EU am 12. April verlässt - also am kommenden Freitag. Um einen chaotischen Bruch mit unabsehbaren Folgen zu vermeiden, hat Premierministerin
Tusk plädiert hingegen für eine flexible Verlängerung der Austrittsfrist um bis zu zwölf Monate. Dieser Vorschlag ist auch als "Flextension" oder "Flexi-Brexit" bekannt.
Labour enttäuscht vom Verlauf der Brexit-Gespräche
"Egal, ob es der Termin von May oder der von Tusk ist: Keines dieser Daten ist akzeptabel, wenn nicht bis zum 12. April klargemacht werden soll, wohin die Reise geht", sagte Gebhardt. "Wenn das Parlament und die Regierung immer bei einem flauen Jein bleiben, können wir keine Verlängerung machen. Das geht nur, wenn es eine klare Ansage gibt." Sie sei "gerne bereit, bis zum Ende des Jahres zu warten, allerdings nur, wenn sichtbar ist, dass es eine Lösung gibt", fügte sie hinzu.
Doch die lässt auf sich warten. Die britische Labour-Opposition zeigte sich enttäuscht vom bisherigen Verlauf der Gespräche mit der Regierung über einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse. "Wir wollen, dass die Gespräche weitergehen", sagte Labour-Brexit-Experte Keir Starmer am Freitagabend in einem Interview der BBC. Dazu müsse die Regierung aber zu Kompromissen bereit sein - und bisher schlage sie keinerlei Veränderungen an dem Deal vor.
May hatte sich Anfang der Woche an die Opposition gewandt und Kompromisse bei ihrem inzwischen drei Mal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal angeboten. Doch eine Einigung scheint noch lange nicht in Sicht.
Brexit-Sondergipfel am kommenden Mittwoch
Der EU-Experte Nicolai von Ondarza geht trotzdem davon aus, dass sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel am kommenden Mittwoch auf einen langen Aufschub des Brexits einigen werden.
"Die Situation in London ist so verfahren, dass eigentlich eine neue politische Situation hergestellt werden muss - über lange überparteiliche Gespräche, Neuwahlen oder ein zweites Referendum", sagte der für die Stiftung Wissenschaft und Politik tätige Politikforscher am Freitag in einem tagesschau24-Interview.
Ondarza sagte, der jüngste Brexit-Aufschub um lediglich zwei Wochen auf den 12. April habe gezeigt, dass eine kurze Verlängerung nicht ausreiche. Deswegen habe Tusk eine Verlängerung um bis zu ein Jahr empfohlen. Damit wäre "ausreichend Zeit, um in London wieder eine Einigung und eine stabile Mehrheit hinzubekommen für einen geordneten Brexit, wie auch immer der aussehen mag", sagte der Experte.
Martin Schulz: Briten-Beteiligung an Europawahl wäre "absurd"
Er gehe davon aus, dass der EU-Gipfel eine gemeinsame Lösung finden kann. "Man spielt jetzt so ein bisschen "bad cop, good cop"." Die Franzosen erhöhten den Druck auf die Briten. Er sei dennoch überzeugt, "dass am Ende eigentlich alle 27 ein Interesse daran haben, einen geordneten Brexit mit Grossbritannien hinzubekommen".
Aber sie hätten auch ein Interesse daran, den Briten klar zu sagen, dass es eine Verlängerung nicht umsonst gebe: "Sie müssen an den Europawahlen teilnehmen und der EU sagen, was sie erreichen wollen."
Der frühere EU-Parlamentschef Martin Schulz fände eine solche Beteiligung der Briten an der Wahl Ende Mai absurd. "Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wenn ein Land, das aus der EU austreten will, an der Europawahl teilnimmt. Das versteht niemand mehr", sagte der ehemalige Parteichef und Kanzlerkandidat der SPD der "Bild"-Zeitung (Freitag). "Besser wäre es, Grossbritannien würde seine Kraft darauf richten, ein neues Referendum über die EU-Mitgliedschaft abzuhalten." © dpa
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