Premierminister Boris Johnson hat bei den Wahlen in Grossbritannien einen fulminanten Sieg eingefahren. Seine konservativen Tories haben im Unterhaus nun die absolute Mehrheit. So reagiert die britische und internationale Presse auf den Triumph des Brexit-Hardliners.
Boris Johnson hat mit einer breiten Mehrheit die Parlamentswahl in Grossbritannien für sich uns seine konservative Partei entschieden.
Der erdrutschartige Sieg der Tories fand in britischen und internationalen Medien am Freitag ein grosses Echo. Es ist gar von einer "Trumpifizierung" der britischen Politik die Rede.
Pressestimmen aus Grossbritannien
"The Times": Corbyn gegen Rücksichtslosigkeit Johnsons machtlos
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"The Independent": Trumpifizierung der britischen Politik droht
"Die gesamte Landschaft der britischen Politik verändert sich. Die "rote Mauer" (der Labour-Partei) zerbröckelt. Denn was wir durchaus beobachten können, sind die Trumpifizierung der britischen Politik und die Umformung des alten konservativen Bundes in eine getriebene populistische Bewegung ohne feste Grundsätze und mit mehr als nur Anzeichen eines Personenkults.
Zweifellos wird Grossbritannien die EU im kommenden Monat formell verlassen. Der Premierminister hat dafür ein Mandat gewonnen, wenngleich mit Hilfe zweifelhafter Ankündigungen, und seine persönliche Autorität sowie die parlamentarische Arithmetik bedeuten, dass er seinen Austrittsdeal leicht durch das Parlament bekommen wird. Doch damit ist der Brexit noch nicht fertig. Dies ist erst das Ende der ersten Phase."
"Financial Times": Weg zum Brexit ist nun klar
"Die gute Nachricht ist, dass drei Jahre der politischen Lähmung vorbei sind. Endlich ist, ob gut oder schlecht, der Weg zum Brexit klar; Grossbritannien hat sich vom Hardline-Sozialismus abgewandt und das Land hat wenigstens eine stabile Regierung mit einer arbeitsfähigen Mehrheit. Das Ergebnis ist ein riesiger persönlicher Triumph für Boris Johnson.
Die weniger gute Nachricht ist, dass das Land nun bald herausfinden wird, dass mehr als die Stimmabgabe bei einer Wahl erforderlich ist, um den "Brexit zu vollenden", dass Boris Johnson nun unkontrolliert in die nächste Runde der EU-Verhandlungen gehen wird und dass eine gewaltige nationalistische Aufwallung in Schottland durchaus ein neues Unabhängigkeitsreferendum einläuten könnte. Selbst bei all ihrem Jubel könnten die Konservativen fürchten, dass sie zwar den Brexit gesichert, aber das Vereinigte Königreich verloren haben."
"The Guardian": Weniger Wahl als vielmehr Unbeliebtheitswettbewerb
"Der Höhepunkt ist wirklich überschritten und die Wahrheit ist ein fremdes Land geworden. Und es sind die Tories, die die schlimmsten Übeltäter waren und jeden Trick aus dem Steve-Bannon-/Donald-Trump-Spielbuch übernommen haben. Warum eine kleine Lüge erzählen, wenn du mit einer grossen noch besser dran bist? Und wenn du beim Lügen erwischt wirst, entschuldige dich nie. Setz einfach noch einen drauf. Erzähl eine Lüge oft genug, dann werden einige Leute es glauben. Und eine beachtliche Zahl war dumm genug gewesen, auf (Johnsons Slogan) "Get Brexit done" (den Brexit erledigen) hereinzufallen. Die ungeheuerlichste Lüge überhaupt.
Es war weniger eine Wahl als vielmehr ein Unbeliebtheitswettbewerb. Boris und Corbyn waren im ganzen Land sehr unbeliebt und ihnen wurde misstraut. Worum es wirklich ging, war, welcher Führer am wenigsten gehasst wurde. Ein Rennen, das Boris mühelos gewann. Niemand erwartete von ihm, dass er die Versprechen einhielt, die er gemacht hatte, aber man machte sich darüber weniger Sorgen als über die Versprechen, die Labour einhalten könnte."
"The Telegraph": Sturgeon nach Wahl in "paradox gefährlicher Lage"
"Man kann sich kaum daran erinnern, wann die schottischen Nationalisten nicht selbstbewusst daherkamen, aber wir können davon ausgehen, dass ein voraussichtlicher Erdrutsch(sieg) der SNP bei dieser Wahl dazu führen wird, dass sie in der nächsten Woche in Westminster herumstolzieren werden. [...] Sturgeon ist in einer paradox gefährlichen Lage: Ihre Aktivisten erwarten ein weiteres Referendum, während sie darauf bestanden hat, dass es auf der gleichen Basis wie das Referendum von 2014 organisiert werden muss - mit Zustimmung der britischen Regierung.
Wenn es eine solche Zustimmung gibt - und die Zeichen dafür stehen schlecht, wie auch immer das Ergebnis der Parlamentswahlen in Schottland am Ende aussehen wird -, wird [Sturgeon] zwischen dem Baum ihrer eigenen Partei und der Borke der Downing Street 10 stecken."
Pressestimmen aus dem europäischen Ausland
"Süddeutsche Zeitung" (Deutschland): Aufbruch in eine düsterere Ära
"Das Land [Grossbritannien, Anm.d.Red.] geht in eine neue Ära. Nicht nur, weil die Tories es nach ihrem Gusto umkrempeln können. Es wird sich mehr abschotten, einen weniger zivilen Patriotismus pflegen, den Minderheiten Verletzungen zufügen. Dringende Reformen - ein neues Wahlrecht, eine geschriebene Verfassung, eine bessere Daseinsvorsorge - dürften aufgeschoben werden. Kumpel Boris und seine Brexit-Freunde tragen demnächst für all das die Verantwortung."
"Der Standard" (Österreich): Johnsons Regierung wird an Brexit-Umsetzung gemessen
"Mag man auch Grossbritanniens Austritt für einen schwerwiegenden innen-, aussen- und wirtschaftspolitischen Fehler halten – der Demokratie hätte eine weitere Verweigerungshaltung des Unterhauses nicht gutgetan. Die gleiche Clique, die den Bruch mit Jahrzehnten britischer Innen- und Aussenpolitik durchgesetzt hat, ist nun für die Umsetzung des Brexits verantwortlich. Man wird Johnson und seine Regierung daran messen, ob ihm dies in sozial verträglicher Weise gelingt."
"NZZ" (Schweiz): Brexit ist noch längst nicht "ofenfertig"
"Sein gebetsmühlenartig vorgetragener Slogan "Bringen wir den Brexit hinter uns" hat seine Wirkung offensichtlich nicht verfehlt. Die meisten Brexit-Anhänger – unter ihnen eine beachtliche Anzahl traditioneller Labour-Wähler – haben ihre Stimme für die Tories eingelegt. [...] Der nun zu erwartende EU-Austritt am 31. Januar wird zur Überraschung vieler Briten nur eine kurze Atempause bringen. Denn "ofenfertig" ist der Brexit, anders als vom Premierminister im Wahlkampf behauptet, keineswegs. Im Februar wird zunächst die vereinbarte Übergangsfrist beginnen, und das Drama geht dann sogleich in die nächste Runde: Es folgen die komplexen Verhandlungen über das künftige Verhältnis Grossbritanniens zur EU. Ein Abkommen muss in der kurzen Frist bis Ende 2020 erreicht werden – eine Verlängerung hat Johnson bereits ausgeschlossen. Falls bis dann kein Vertrag vorliegt, droht erneut der Absturz in ein "no deal"-Szenario. Man wäre mit anderen Worten wieder zurück auf Feld eins."
"Corriere della Sera" (Italien): Die Kraft von Boris
"Europa verliert London, dieses Mal wirklich. Die älteste Demokratie der Welt war in der Nacht zum 23. Juni 2016 in ein Labyrinth eingetreten. Dreieinhalb Jahre der Verhandlungen und Überlegungen; eine vorgezogene Wahl, die nichts gelöst hatte; der Sturz
"El Mundo" (Spanien): Wahlergebnis wird Spaltungen verstärken
"Die Wahl wird die von [David] Cameron eröffnete Spaltung nicht verringern und nicht dazu beitragen, die notwendige Einheit wiederherzustellen, um das Trauma der Trennung von der EU zu überwinden. Sie hat stattdessen neue Spaltungen zwischen den Generationen eröffnet, zwischen Städten und ländlichen Gebieten, zwischen Nationalisten und Globalisten, zwischen Europabefürwortern und Populisten, zwischen solidarischen und fremdenfeindlichen Gruppen."
"Aftonbladet" (Schweden): Der Zirkus ist vorbei, aber der Clown bleibt
"Die Briten wollten, dass Schluss mit dem Zirkus ist. Spekulanten und Investoren weltweit wollten kein weiteres Zaudern mehr. Und die Staats- und Regierungschefs der EU, die jetzt gerade in Brüssel zum Gipfel versammelt sind, wollten endlich dem Chaos entkommen, das Grossbritannien in der Union verursacht hat. Der Erdrutschsieg des EU-Gegners Boris Johnson wird mit einer Art Erleichterung begrüsst. Dabei wird der Brexit die EU ärmer und schwächer machen. Trotzdem ist es eine Erleichterung, und zwar, weil die Alternativen tatsächlich schlimmer gewesen wären. Die EU und Grossbritannien entgehen einem Crash. Mit der Mehrheit im Rücken kann Johnson endlich eine Mehrheit hinter dem Austrittsabkommen versammeln. So wie sich die Dinge entwickelt haben, war das vielleicht das Beste, auf das wir hoffen konnten. Wir können jedenfalls froh sein, dass der Zirkus vorbei sein wird - selbst wenn der Clown weiter auf der Bühne bleibt."
"NRC Handelsblad" (Niederlande): Wunsch nach Brexit schenkt Johnson Erdrutschsieg
"Die politische Landschaft Grossbritanniens ist gewaltig erschüttert worden. Wenn sich die Vorhersagen bewahrheiten, wird nicht nur das Unterhaus anders aussehen, auch der Ton der Debatte wird sich verändern und die politischen Lager werden völlig unterschiedliche Merkmale haben. Das vertraute Bild der Patt-Abstimmungen im Parlament über den Brexit wird es nicht mehr geben. Premierminister Boris Johnson steuert auf einen Erdrutschsieg von 368 Sitzen zu. Wenn er nächste Woche einen Gesetzentwurf einreicht, um einen britischen Austritt aus der EU vor dem 31. Januar 2020 zu veranlassen, wird das Unterhaus dem zustimmen.[...]
Die Basis für seinen Sieg liegt in Mittel- und Nordengland, in Städten, die jahrzehntelang, manchmal fast hundert Jahre lang in den Händen von Labour waren. Die Tories gewannen in Gebieten wie Blyth Valley, einem ehemaligen Bergbaugebiet, in dem die Konservativen gehasst wurden [...] Dies sind Gegenden, wo der Brexit gewollt wird. Aber es sind auch Gebiete, wo die Armut gross ist und es Probleme mit Sozialleistungen und mangelnder Gesundheitsversorgung gibt. Die neuen Konservativen müssen das im Blick haben, wenn sie sich das Vertrauen ihrer Wähler bewahren wollen."
"Gazeta Wyborcza" (Polen): Grossbritannien vor schmerzhaftem Aufprall
"Während der Regentschaft von Königin Elisabeth II. haben herausragende Politiker in der Downing Street residiert: etwa Winston Churchill und Margaret Thatcher. Heute ist klar, dass nach dem Willen der Wähler dort ein Mensch einziehen wird, der seine politische Karriere mit schamlosen Lügen aufgebaut hat. Boris Johnson hat die volle Macht von den Wählern bekommen. Er hat jetzt alle Instrumente in der Hand, um sein hoch und heilig abgegebenes Versprechen einzulösen, wonach nach dem Brexit in Grossbritannien der Wohlstand ausbricht und das Land wieder einen bedeutenden Platz in der Welt bekommt. Die Prognose zeigt, dass der Aufprall auf die Realität ein sehr schmerzhafter wird."
Zusammengestellt von jwo
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