Grossbritanniens Oberrabbiner erhebt schwere Vorwürfe gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn. Er handele nicht entschlossen genug gegen Antisemitismus, kritisiert Ephraim Mirvis.
Gut zwei Wochen vor der britischen Parlamentswahl hat der Oberrabbiner Grossbritanniens, Ephraim Mirvis, der Labour-Partei vorgeworfen, nicht entschlossen gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen vorzugehen. "Ein neues Gift - genehmigt von der Spitze - hat in der Labour-Partei Fuss gefasst", schrieb Mirvis in einem Beitrag für "The Times" am Dienstag. Er warf die Frage auf, ob der Labour-Parteichef und Spitzenkandidat Jeremy Corbyn für ein hohes Amt geeignet sei. Mirvis bat jeden Wähler, bei der Wahl am 12. Dezember "mit seinem Gewissen abzustimmen". Die "Times" wertete Mirvis' Beitrag als einen "noch nie da gewesenen Eingriff in die Politik".
Corbyn weist Vorwürfe zurück
Corbyn hat Antisemitismus-Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in London am Dienstag sagte der Labour-Chef: "Im heutigen Grossbritannien gibt es keinen Platz für Antisemitismus, egal in welcher Form oder an welchem Ort. Unter einer Labour-Regierung wird er in keiner Form toleriert werden."
Seit Corbyns Wahl zum Labour-Chef 2015 wurden immer wieder Antisemitismusvorwürfe gegen ihn und seine Partei laut. Im Jahr 2018 räumte der heute 70-jährige Corbyn ein, dass Disziplinarverfahren gegen antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien. Seit 2017 verliessen laut "The Times" 13 Abgeordnete die Labour-Partei, unter anderem aus Kritik am Umgang mit antisemitischen Tendenzen in der grössten Oppositionspartei.
Einseitige Unterstützung der Palästinenser?
Kritiker werfen Corbyn auch eine einseitige Unterstützung der Palästinenser im Nahostkonflikt vor. Noch bevor er Labour-Chef wurde, bezeichnete er laut britischen Medien die im Gazastreifen herrschende Hamas, die unter anderem auch von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, als "Freunde". Später entschuldigte er sich dafür.
Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, unterstützte die Sorgen des Oberrabbiners in einem Tweet, ohne dabei ausdrücklich Labour zu nennen.
Wegen mehrerer Beschwerden innerhalb der Partei prüft derzeit eine Kommission für Menschenrechte (EHRC), ob Labour "Menschen, weil sie Juden sind, unrechtmässig diskriminiert, belästigt oder schikaniert" hat, schrieb die Nachrichtenagentur PA. (mss/dpa)
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