Theresa Mays Wahlkampf lief nicht glatt - auch, weil mehrere Terroranschläge das Land erschütterten. Einer ersten Prognose zufolge könnte sie sich mit der vorgezogenen Neuwahl verzockt haben. Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen.
Bei der britischen Parlamentswahl hat Premierministerin
Sie könnte mit ihren Konservativen sogar die absolute Mehrheit verloren haben. Der Nachwahlbefragung zufolge kommen die regierenden Tories nur noch auf 314 der 650 Sitze.
Die Labour-Partei mit ihrem Chef Jeremy Corbyn konnte nach der Prognose dagegen deutlich zulegen.
Mit der Neuwahl wollte May die Mehrheit der Konservativen deutlich ausbauen und sich Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen holen - das ist schiefgegangen.
Prognosen können ungenau sein
Kommentatoren wiesen am Donnerstagabend darauf hin, dass die Zahlen der Prognose sehr ungenau sein könnten und eine absolute Mehrheit noch möglich sei.
Ein belastbarer Trend sollte im Laufe der Nacht feststehen - nach Auszählung der meisten der 650 Wahlbezirke. Das amtliche Endergebnis wird am Freitagnachmittag veröffentlicht.
Auf Grossbritannien könnten komplizierte Koalitionsverhandlungen zukommen. Die Liberaldemokraten schlossen noch in der Nacht aus, als Koalitionspartner zur Verfügung zu stehen.
"Wir bekommen eine Menge Anrufe, um ganz klar zu sein: Keine Koalition, keine Deals", hiess es auf der Twitter-Seite der Pressestelle der Liberaldemokraten.
Sie kommen der Prognose zufolge auf 14 Sitze und gewinnen damit sechs Sitze hinzu.
Politikwissenschaftler schlossen einen Rücktritt von May nicht aus. Am 20. Mai schrieb sie in sozialen Netzwerken: "Wenn ich nur sechs Sitze verliere, dann verliere ich diese Wahl und (Labour-Chef) Jeremy Corbyn wird mit Europa am Verhandlungstisch sitzen."
Der frühere Finanzminister George Osborne, der unter May im vergangenen Jahr seinen Posten verloren hatte, stellte als einer der ersten die Zukunft der Premierministerin in Frage. "Ganz klar, wenn sie ein schlechteres Ergebnis als vor zwei Jahren hat und fast keine Regierung bilden kann, dann bezweifle ich, dass sie auf lange Sicht Parteichefin der Konservativen bleiben wird", sagte Osborne dem Sender ITV.
Der ehemalige Chef der EU-feindlichen Partei Ukip, Nigel Farage, twitterte: "Wie auch immer das wirklich ausgeht, die Konservativen brauchen einen Anführer, der an den Brexit glaubt."
Noch vor wenigen Wochen lagen die Konservativen zeitweise mehr als 20 Prozentpunkte vor Labour.
May machte keine gute Figur im Wahlkampf
May patzte aber im Wahlkampf: Sie trat in der Öffentlichkeit hölzern auf, löste einen Streit um geplante finanzielle Einschnitte bei Rentnern aus und verweigerte gemeinsame Fernsehduelle mit Corbyn.
Nach den Terroranschlägen in London und Manchester geriet May unter Druck, weil in ihrer Amtszeit als Innenministerin fast 20.000 Polizei-Stellen gestrichen worden waren.
Die Arbeiterpartei eroberte mit ihrem besonders bei jungen Wählern beliebten Chef Corbyn nach der Prognose 266 Sitze - das wäre ein deutlicher Zugewinn.
Corbyn setzte im Wahlkampf auf soziale Themen wie Gesundheit und Bildung; seit Jahrzehnten kämpft er dafür, die Kluft zwischen Arm und Reich zu schliessen. Ausserdem versprach Corbyn in seinem Wahlprogramm 10.000 zusätzliche Polizisten.
Die für Schottlands Unabhängigkeit kämpfende Partei SNP verlor nach der Prognose viele Sitze.
Die Nationalpartei der Schotten mit ihrer Chefin Nicola Sturgeon kommt der Nachwahlbefragung zufolge jetzt nur noch auf 34 Sitze.
Bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2015 hatte die SNP noch 56 von 59 möglichen Sitzen geholt.
Die Partei stellt sich nur in Schottland zur Wahl. Sturgeon strebt ein zweites Referendum über Schottlands Unabhängigkeit an.
Harte Brexit-Verhandlungen?
Mit May als Premierministerin müsste sich die Europäische Union auf harte Brexit-Verhandlungen einstellen, mit denen Brüssel schon am 19. Juni beginnen will.
Die Konservative betonte, Grossbritannien werde die EU eher ohne Einigung verlassen, als einen "schlechten Deal" zu akzeptieren.
May hatte das Amt der Regierungschefin im vergangenen Jahr von David Cameron übernommen, nachdem eine knappe Mehrheit der Briten in einem Referendum für den Brexit gestimmt hatte.
Bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2015 hatten die Tories mit 330 Sitzen die absolute Mehrheit errungen. Labour holte damals 232 Sitze.
Die Schottische Nationalpartei (SNP) war mit 56 Sitzen drittstärkste Kraft. Die Liberaldemokraten, die als einzige landesweite Partei weiterhin für einen Verbleib in der EU kämpfen, hatten acht Sitze.
Grossbritannien hat ein reines Mehrheitswahlrecht. Um einen Sitz zu bekommen, müssen Politiker in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen holen. Kleine Parteien werden dadurch meist benachteiligt.
(mh/dpa)
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