Die Schweizerinnen und Schweizer stimmen am Sonntag über fünf Vorlagen ab. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens erregt zwar am meisten Aufmerksamkeit, wird aber wohl an den Urnen scheitern. Die Asylreform hingegen, die eine Beschleunigung der Verfahren vorsieht, wird vermutlich angenommen werden.
Die Initiative "für ein bedingungsloses Grundeinkommen", die von einer unabhängigen Gruppe lanciert wurde, schlägt die Ausrichtung einer monatlichen Rente von Geburt bis zum Tod an jeden Bürger und jede Bürgerin vor. Gemäss Befürwortern würde ein Grundeinkommen die Armut verringern, die Kreativität und Freiwilligenarbeit fördern sowie die Sozialhilfequote senken.
Eine innovative Kampagne
Am Sonntag werden die Schweizerinnen und Schweizer nur über das Prinzip eines bedingungslosen Grundeinkommens entscheiden können. Eine Summe wird in der Vorlage nicht genannt, aber im Laufe der Kampagne wurde regelmässig der Betrag von 2500 Franken für einen Erwachsenen vorgeschlagen.
Diese Initiative erhält wenig politische Unterstützung, nicht einmal aus den linken Reihen. Sie wurde in beiden Kammern des Parlaments massiv abgelehnt. Das Hauptargument der Gegner ist die nicht tragbare Finanzierung einer solchen Rente.
Die Befürworter der Initiative haben die mangelnde Unterstützung durch eine innovative Politkampagne wettgemacht. Sie erregten beispielsweise Aufmerksamkeit mit der Verteilung von Zehnernoten an Bahnhöfen oder der Deponierung von acht Millionen Fünfrappenmünzen auf dem Bundesplatz in Bern.
Aber dieser Erfindergeist wird sicherlich nicht ausreichen, um eine Mehrheit zu überzeugen. Gemäss der letzten Umfrage sind 71% der befragten Personen gegen das Projekt.
Ruhigeres Klima
Das Stimmvolk muss sich erneut zu einer Änderung des Asylgesetzes äussern. Während bisherige Revisionen vor allem eine Verschärfung des Asylrechts zum Ziel hatten, ist diese Vorlage etwas differenzierter.
Die zentrale Idee liegt in effizienteren und zentralisierten Verfahren, um die Verfahrensdauer zu verkürzen und die Kosten zu senken. Aber gleichzeitig sind auch mehr Rekursmöglichkeiten für Asylbewerber vorgesehen, die von Beginn des Verfahrens an in den Genuss einer kostenlosen Rechtshilfe kommen.
Diese Revision wird von einer Mehrheit im Parlament unterstützt. Die Mitte-rechts-Parteien begrüssen die gesteigerte Effizienz und die Kostensenkung, während die Linke zufrieden ist mit der besseren juristischen Unterstützung der Flüchtlinge.
Am meisten Widerstand kommt von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die das Referendum ergriffen hat und in der Revision eine "Einladung an die Flüchtlinge" sieht, in die Schweiz zu kommen. Opposition kommt auch von einer Minderheit aus der linken Fraktion, die in der Vorlage eine erneute Verschärfung der Asylpolitik sieht.
In den letzten Jahren haben Abstimmungen zum Asylwesen für leidenschaftliche Kampagnen gesorgt. Aber diese Revision ist in einem ruhigeren Klima verhandelt worden, ohne provokative Plakate oder bissige Kommentare.
Das ist vielleicht der Grund, warum die öffentliche Meinung weniger polarisiert erscheint als gewöhnlich. Gemäss der letzten Umfrage nehmen 60% der Bürgerinnen und Bürger die Vorlage an, während nur 29% dagegen sind.
Einstimmige Opposition
Viele Leserinnen und Leser von Konsumentenmagazinen haben das Gefühl, dass die Qualität des Service Public im Laufe der Jahre abgenommen hat, während die Preise immer mehr steigen. Deshalb haben die Konsumentenmagazine eine Volksinitiative lanciert, um den Serviceabbau zu stoppen.
Die "Pro Service Public"-Initiative verlangt, dass der Bund im Bereich der Grundversorgung nicht nach Gewinn strebt und dass die von den Bundesbetrieben allfällig erzielten Gewinne in das jeweilige Unternehmen reinvestiert werden, statt in die allgemeine Bundeskasse zu fliessen. Die Vorlage verlangt zudem, dass die Chefs der Bundesbetriebe nicht mehr verdienen als der ihnen vorstehende Minister.
Auf politischer Ebene hat die Initiative alle gegen sich. Sie hat im Parlament keine einzige Stimme bekommen, nicht einmal von den Linken, die normalerweise für den Service Public sind. Die Gegner sind der Meinung, dass die Vorlage dem Service Public schaden würde, vor allem weil sie ihrer Meinung nach die Gewinne gefährdet und daher gegen ihr eigenes Ziel läuft.
Trotz dieser einstimmigen Opposition geniesst die Initiative bei der Bevölkerung wesentlich grössere Unterstützung. Auch wenn sich das Feld der Befürworter im Laufe der Kampagne erheblich verkleinert hat, sind gemäss letzter Umfrage immer noch 46% der befragten Personen für die Initiative, während 41% dagegen und 13% unentschlossen sind. Es ist deshalb nicht völlig ausgeschlossen, dass die Initiative für eine Überraschung sorgt.
Werden Autofahrer geschröpft?
Die Autoimporteure verlangen mit einer Initiative, dass die Erträge aus der Mineralölsteuer vollumfänglich in die Finanzierung der Strassen gesteckt werden. Die Befürworter dieser so genannten "Milchkuh-Initiative" finden es unfair, dass die Autofahrer für die Finanzierung anderer Bereiche geschröpft werden, besonders für die Eisenbahn. Zurzeit fliessen fast eineinhalb Milliarden Franken pro Jahr aus der Mineralölsteuer in die Bundeskasse.
Diese Initiative wird von den Autokreisen, der SVP und einem Teil der Freisinnig-Demokratischen Volkspartei (FDP.Die Liberalen) unterstützt.
Bekämpft wird sie durch Vertreter von Links und Mitte-Rechts, vom Wirtschaftsdachverband sowie von Umweltschutzorganisationen. Die Gegner finden es normal, dass die Autofahrer auch zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs beitragen, weil die Verkehrspolitik als Ganzes betrachtet werden müsse.
Die Wahrscheinlichkeit ist klein, dass die Vorlage am Sonntag angenommen wird. Gemäss der letzten Umfrage sind 49% der befragten Personen gegen die Initiative, während nur 40% die Initiative befürworten.
Es braucht keine Umfrage
Das Stimmvolk muss noch über das Fortpflanzungsmedizingesetz abstimmen, das die Präimplantationsdiagnostik erlaubt. Der Verfassungsartikel, der dieses Gesetz vorsieht, wurde bereits vor einem Jahr mit 61,9% angenommen. Nichts weist darauf hin, dass sich die Situation seither radikal geändert hätte.
Die Würfel scheinen gefallen, sogar so sehr, dass die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) darauf verzichtete, eine Umfrage zu diesem Thema in Auftrag zu geben.
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