Nein zu den Volksinitiativen für ein bedingungsloses Grundeinkommen und für eine faire Verkehrsfinanzierung, Ja zur Initiative "Pro Service public" und zur Revision des Asylgesetzes. Das prognostiziert die erste Umfrage der SRG SSR zu vier Vorlagen der Schweizer Abstimmung vom kommenden 5. Juni. Doch lediglich für das Grundeinkommen ist das Schicksal bereits besiegelt.
Mit 24 Prozent Ja- und 72 Prozent Nein-Stimmen verzeichnet die Initiative "für ein bedingungsloses Grundeinkommen" (BGE) eine ausserordentlich tiefe Zustimmungs- wie auch eine unüblich hohe Ablehnungsrate.
Im Normalfall können Volksinitiativen in der ersten Umfrage vor einem Urnengang wesentlich mehr Sympathiepunkte verbuchen.
Besonders auffallend aber ist mit 4 Prozent die tiefe Anzahl jener, die noch unentschlossen sind. In der Regel falle dieser Anteil in der ersten Phase der Umfragen wesentlich höher aus, sagt Claude Longchamp, Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, das die erste Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 5. Juni 2016 durchgeführt hat.
Laut dem Politologen ist es "sensationell", dass die Meinungen zu diesem Zeitpunkt bereits gemacht seien, angesichts der Tatsache, dass noch keine grosse Kampagne gefahren worden sei, besonders nicht von den Gegnern.
Die Ergebnisse der Umfrage zum Grundeinkommen sind beispiellos: Neben den 4 Prozent Unentschlossenen sind 65 Prozent bereits ganz sicher, ob sie Ja oder Nein einlegen wollen, während 31 Prozent eher zu einem Ja oder einem Nein tendieren. Klar ist gegenwärtig aber auch: 51 Prozent und damit eine absolute Mehrheit werden ganz sicher Nein einlegen.
Eine Frage der Kosten
Die Gegner der Initiative stützen sich hauptsächlich auf zwei Argumente: Die Überzeugung, dass ein Grundeinkommen für alle Schweizer Einwohner nicht finanzierbar sei und dass der Anreiz, arbeiten zu gehen, verloren gehen würde. Die wenigen Unterstützer des BGE erwähnen besonders, dass ein festes Grundeinkommen unentgeltliche Familienarbeit und freiwilliges Engagement aufwerte und fördere.
Der Initiative schadeten besonders die erwarteten Kosten, sagt Longchamp. Auch wenn der Text, über den das Stimmvolk abstimmt, lediglich das Prinzip eines BGE festhält und dem Gesetzgeber die Aufgabe der Festlegung von Beträgen, Organisation und Finanzierung überlässt, gehen die Befürworter der Initiative von einer Diskussionsbasis von monatlich 2500 Franken für jede erwachsene Person und 625 Franken für jedes Kind aus.
Angesichts der Tatsache, dass das BGE aus der Umlagerung von Leistungen der sozialen Sicherheit finanziert würde, kommt man (auf Basis der Bevölkerungsstatistik 2012) auf zusätzliche Kosten von rund 25 Milliarden Franken pro Jahr. Eine Summe, die einer grossen Mehrheit der Befragten Angst zu machen scheint.
Asylgesetz auf gutem Weg, wenn auch…
Gute Chancen hingegen scheint die Revision des Asylgesetzes zu haben: In der Umfrage sprachen sich 59 Prozent dafür aus und 30 Prozent dagegen. Ein guter Vorsprung für die Befürworter, deren Sieg sich aber noch nicht ganz sicher voraussagen lässt.
Für diese Gesetzesrevision, die das Parlament mit dem Ziel von beschleunigten Asylverfahren und Kostenreduktion erlassen hatte, könnte sich der Wind noch drehen, sagt Longchamp.
In einer etwas detaillierteren Prüfung der Stimmabsichten wird klar, dass diese noch nicht so eindeutig ausfallen wie beim BGE. Lediglich 42 Prozent sind sich absolut sicher, wie sie stimmen werden, während 47 Prozent eher zu einem Ja oder einem Nein tendieren.
Dazu kommen noch die 11 Prozent Unentschlossenen, was zu einer Mehrheit von 58 Prozent der Befragten führt, die noch ihre Richtung ändern könnten.
Angesichts dieser Ausgangslage sei es gut möglich, dass die Gegner der Vorlage während der Kampagne auf Emotionen setzen und damit einen guten Teil der Unentschlossenen erreichen könnten, betont Longchamp. Er gibt zu bedenken, dass Asyl ein sehr emotionsgeladenes Thema sei.
Zudem dürfe man nicht vergessen, so der Politologe, dass die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die das Referendum dagegen eingereicht hatte, bis jetzt noch keine gross angelegte Kampagne gestartet habe, wie das sonst üblich sei. Das Rennen bleibe deshalb noch weitgehend offen, trotz dieses "vorerst" eindeutigen Resultats für die Gesetzesänderung.
Überraschung bei Service-Public-Initiative
Die grosse Überraschung bei dieser ersten Befragung ist die Volksinitiative "Pro Service public", lanciert von einer Gruppe von Konsumentenmagazinen.
Mit 58 Prozent Ja- gegen 26 Prozent Nein-Stimmen steht das Resultat in starkem Kontrast zur einhelligen Opposition aus Regierung, Parlament und Parteien.
Die Umfrage zeigt in diesem Thema einen klaren Graben zwischen der Bevölkerung und den Institutionen sowie zwischen den Parteispitzen und deren Basis.
Die Initiative verlangt von der Eidgenossenschaft, bei den Grundleistungen nicht gewinnorientiert zu arbeiten und mit allfälligen Überschüssen nicht die allgemeine Bundeskasse zu finanzieren. Zudem sollen Führungskräfte von Bundesbetrieben nicht mehr verdienen als ein Bundesrat (Regierungsmitglied).
Letzteres Argument scheint eines der beiden Argumente zu sein, die bei den Befürwortern auf die grösste Zustimmung stossen. Es herrsche ein diffuses Gefühl, so genannten "Abzockern" unter den Managern den Riegel schieben zu wollen, sagt gfs-Forscherin Martina Mousson.
Das andere Argument, das bei den Befürwortern anzukommen scheint, ist der Wunsch, den Leistungsabbau in der Grundversorgung von Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Post und Swisscom zu stoppen. Die Leute seien unzufrieden und glaubten, bei den öffentlichen Dienstleistungen eine laufende Verschlechterung zu bemerken.
Eine Protestnote, welche die Behörden und Parteivertreter nicht unterschätzen sollten. Doch sicher ist auch bei dieser Vorlage noch nichts: 41 Prozent der Befragten haben ihre Meinung bereits gemacht, während 43 Prozent sich erst eher zu einem Ja oder einem Nein durchringen konnten und ganze 16 Prozent noch vollkommen unentschlossen sind.
Dazu kommt ein weiteres Hindernis: Wie für jede Initiative ist auch zu einer Annahme dieser Vorlage ein doppeltes Ja nötig, das heisst eine Mehrheit des Stimmvolks wie auch der Kantone.
Mehr Nein als Ja zur "Milchkuh-Initiative"
Mehrheitlich abgelehnt wird in der Umfrage die Volksinitiative "Für eine faire Verkehrsfinanzierung", auch als "Milchkuh-Initiative" bekannt. Das Volksbegehren verlangt, dass die Einnahmen aus der Mineralöl-Steuer ausschliesslich für die Finanzierung der Strassen verwendet werden. Gegenwärtig ist nur die Hälfte davon zweckgebunden, während der Rest dem Bund auch zur Deckung anderer Ausgaben zur Verfügung steht.
Mit 47 Prozent Nein- gegen 42 Prozent Ja-Stimmen ist das Schicksal der Initiative aber noch nicht definitiv besiegelt. Die 11 Prozent Unentschiedenen könnten noch das Ruder herumreissen. Trotzdem: Im Normalfall nimmt die Zustimmung zu einer Initiative im Verlauf des Abstimmungskampfs eher ab, weshalb eine Trendwende hier eher unwahrscheinlich scheint.
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