Der selbst ernannte Interimspräsident von Venezuela spult ein ausgeklügeltes Programm ab. Juan Guaidó sichert sich internationale Unterstützung, umwirbt die Soldaten und will Staatschef Maduro sogar dessen engsten Verbündete ausspannen. Jetzt soll eine Machtdemonstration auf den Strassen Venezuelas folgen.

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Der südamerikanische Krisenstaat Venezuela steuert auf ein dramatisches Kräftemessen zwischen Opposition und Regierung zu. Im Machtkampf zwischen dem venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro und dem selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó rief die Opposition für Samstag zu einer Protestkundgebung auf, die ihren Angaben nach die grösste in der Geschichte des Landes werden soll.

Neben den Massenprotesten in ganz Venezuela riefen die Regierungsgegner auch im Ausland dazu auf, für Guaidó auf die Strasse zu gehen. "Venezolanische Brüder auf der ganzen Welt, wir sind ein Team, wir sind eine Nation, wir zählen auf euch", beschwor Guaidó seine Landsleute in einem Aufruf am Freitag.

Zeitgleich mit dem Marsch der Opposition will Maduro auf einer Massenkundgebung seiner Anhänger den 20. Jahrestag der "Bolivarischen Revolution" feiern, mit der sein Vorgänger Hugo Chávez den potenziell reichen Ölstaat auf einen sozialistischen Kurs brachte. Diese Kundgebung findet etwa zehn Kilometer vom Marsch der Opposition entfernt statt.

Die Sicherheitslage in Caracas ist deswegen angespannt. Es werden Zusammenstösse befürchtet. Bei den jüngsten Protesten vor gut einer Woche waren in Venezuela mindestens 26 Menschen ums Leben gekommen und rund 850 festgenommen worden.

Ultimatum läuft noch bis Sonntag

Guaidó ist der Präsident des von der Opposition kontrollierten, aber von Maduro schon vor langem entmachteten Parlaments. Er hatte sich am 23. Januar als Übergangsstaatschef vereidigen lassen und den Präsidenten damit offen herausgefordert.

Guaidó argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Jahr habe demokratischen Standards nicht genügt. Ziel der Opposition ist es, Maduro zur Machtübergabe an eine Übergangsregierung zu drängen und freie und faire Neuwahlen ausrufen.

Mit der Kundgebung will Guaidó auch das Ultimatum von vier europäischen Staaten an Maduro unterstützen: Deutschland, Spanien, Frankreich und Grossbritannien haben dem bedrängten Linksnationalisten bis Sonntag Zeit gegeben, Neuwahlen zur Präsidentschaft anzusetzen. Sollte er das nicht tun, wollen sie Guaidó als Interimsstaatschef anerkennen - so wie vor ihnen bereits die USA, Kanada und mehrere lateinamerikanische Staaten.

USA fordern offen Sturz Maduros

Die USA gelten dabei als stärkster Unterstützer des Oppositionsführers und fordern offen den Sturz Maduros. "Die Zeit ist gekommen, Maduros Tyrannei ein für allemal zu beenden", sagte US-Vizepräsident Mike Pence am Freitag in einer Rede vor Exil-Venezolanern in Miami. "Es ist nicht die Zeit für Dialog, es ist die Zeit für Taten." Die Herrschaft des Linksnationalisten Maduro müsse "enden - und zwar jetzt".

"Die USA versuchen, mit diplomatischem und wirtschaftlichem Druck zu einem friedlichen Übergang zur Demokratie beizutragen. Aber: Alle Optionen sind auf dem Tisch", warnte Vizepräsident Pence bei seinem Auftritt in der Stadt Doral. "Nicolás Maduro würde gut daran tun, die Entschlossenheit der USA nicht auf die Probe zu stellen."

Guaidó verurteilt Neutralität

Ähnlich äusserte sich am Freitag Guaidó. Zu Gesprächen mit Maduro sei er allenfalls bereit, wenn es dabei "um den Start des Prozesses der Machtübergabe und die Abhaltung freier Wahlen" gehe, schrieb Guaidó in einem Brief an die Präsidenten Mexikos und Uruguays.

Die beiden bislang neutralen Länder wollen in den Konflikt als Vermittler eingreifen. Guaidó lehnt das entschieden ab. "Sich in diesem historischen Moment für neutral zu erklären bedeutet, sich auf die Seite des Regimes zu stellen, das Hunderttausende Menschen zu Elend, Hunger, Exil und Tod verdammt hat", so der Oppositionsführer.

Trotz enormen Ölreichtums hat Venezuela einen jahrelangen wirtschaftlichen Niedergang hinter sich. In dem Land herrscht Hyperinflation - der Internationale Währungsfonds rechnet für das laufende Jahr mit einer Teuerungsrate von zehn Millionen Prozent.

Selbst Artikel des täglichen Grundbedarfs sind kaum mehr zu kaufen. Seit 2015 haben rund 2,3 Millionen Venezolaner ihr Land verlassen.

Guaidó umgarnt Maduros Unterstützer

Maduro stützt sich im derzeitigen Machtkampf vor allem auf die Armee. Allerdings bemüht sich Guaidó seit Tagen, die Streitkräfte auf seine Seite zu ziehen. Unter anderem versprach er den Soldaten Straffreiheit, wenn sie ihn unterstützen.

Zu Maduros ausländischen Verbündeten zählen Russland und China. Der Kreml hatte am Freitag erklärt, Guaidó nicht als Präsidenten Venezuelas anzuerkennen und keine weiteren Verhandlungen mit ihm führen zu wollen.

Guaidó hatte zuletzt versucht, die internationale Front der Maduro-Unterstützer aufzubrechen. "China und Russland kommt ein Regierungswechsel in diesem Land ohne Zweifel ebenfalls zugute", sagte er am Donnerstag (Ortszeit).

Ihre Investitionen in dem südamerikanischen Krisenstaat seien unter seiner Regierung besser geschützt als unter der Maduros.

Auch Peking und Moskau müssten Interesse an juristischer Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlicher Stabilität in dem südamerikanischen Erdölland haben. Unter Maduro sei dies nicht gegeben, erklärte Guaidó. (dpa/thp)


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