Mangelnde Disziplin und Eigenmächtigkeit israelischer Kommandeure im Gazastreifen sind laut einem Bericht der israelischen Zeitung "Haaretz" der Grund für den tödlichen Angriff auf ausländische Helfer.
An dem Vorfall beteiligte Kommandeure und Streitkräfte hätten gegen Anweisungen und Regeln gehandelt, schrieb das Blatt am Mittwoch unter Berufung auf Militärkreise. Koordinierungsprobleme zwischen der Armee und der Hilfsorganisation World Central Kitchen seien dagegen nicht der Grund für den tödlichen Angriff gewesen. Ein israelischer Armeesprecher sagte auf Anfrage, man prüfe die Berichte.
Am Dienstag waren bei einem Luftangriff der israelischen Armee sieben Mitarbeiter von World Central Kitchen (WCK) ums Leben gekommen. Die Fahrzeuge waren mit dem Logo der Organisation gekennzeichnet. Die sieben Opfer stammten laut WCK aus Australien, Polen, Grossbritannien und den Palästinensergebieten - zudem habe eines der Opfer die amerikanische und kanadische Staatsbürgerschaft.
Israels Generalstabschef Herzi Halevi bezeichnete den Angriff als "schweren Fehler", der nicht hätte passieren dürfen. "Haaretz" schrieb unter Berufung auf den Militärgeheimdienst, die Zuständigen in der Armee wüssten "genau, was der Grund für den Angriff war - in Gaza macht jeder, was er will".
Laut Armeevorschriften müsste jeder Einsatz gegen sensible Ziele von ranghohen Militärs abschliessend genehmigt werden, manchmal sogar vom Generalstabschef selbst. Im Gaza-Krieg lege dagegen "jeder Kommandeur die Regeln für sich selbst fest" und habe seine eigene Interpretation der Vorschriften. In diesem Fall sei unklar, ob um Genehmigung von oben für den Angriff gebeten worden sei.
"Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte - in der Nacht während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen", sagte der Armeechef.
Laut "Haaretz" ging der Angriff auf einen Terrorverdacht zurück. Die Streitkräfte hätten den Hilfskonvoi wegen der Vermutung attackiert, ein Terrorist sei mit ihm unterwegs gewesen, berichtete das Blatt unter Berufung auf nicht näher genannte Verteidigungsbeamte. Eine Einheit hatte demnach kurz vor der Einfahrt des Konvois in eine Lagerhalle einen bewaffneten Mann auf einem Lastwagen identifiziert. Beim Verlassen der Halle sei dieser aber nicht mehr Teil der Autokolonne gewesen.
Die Einsatzzentrale, die für die genehmigte Route des Konvois zuständig sei, habe dennoch die Drohnenpiloten angewiesen, eines der Fahrzeuge mit einer Rakete anzugreifen. Einige Passagiere hätten das getroffene Fahrzeug verlassen und seien in eines der beiden anderen Autos umgestiegen.
Sie seien weitergefahren und hätten sogar die Zuständigen informiert, dass sie angegriffen wurden. Sekunden später habe eine zweite Rakete ihr Fahrzeug getroffen. Eine dritte Rakete sei eingeschlagen, als die Passagiere dabei gewesen seien, Verletzte in das dritte Fahrzeug zu bringen. © dpa
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