Eine Lösung der Ukraine-Krise ist nicht in Sicht - auch wenn Kanzlerin Angela Merkel versucht, Wladimir Putin mit einem Handelsabkommen zurück an den Verhandlungstisch zu locken. Dafür soll Russland auf die Einhaltung des Minsker Friedensabkommens durch die Separatisten hinwirken. Doch Putin verfolgt längst andere Pläne.

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Die EU hält bislang an ihren Sanktionen gegen Russland fest, derzeit wird ein neues Hilfspaket für die Ukraine geplant. Doch nun zeichnet sich eine Kehrtwende in den angespannten diplomatischen Beziehungen mit dem Kreml ab. Hat Putin nur darauf gewartet?

Während der prorussische Separatistenführer Alexander Sachartschenko am Freitag einseitig die Friedensverhandlungen mit Kiew aufkündigte und eine Eroberung des gesamten Krisengebiets ankündigte, "notfalls auch über die Grenzen von Donezk hinaus", überraschte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Angebot an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: Sie stellte ein Handelsabkommen in Aussicht.

Allerdings nicht ohne Bedingungen, betont die Kanzlerin. Sie fordert die Einhaltung des Minsker Abkommens – dann könne man die Möglichkeiten einer "Kooperation in einem Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon" ausloten.

Was ist der Vorschlag von Angela Merkel wert?

Dabei war die Ukraine-Krise auch aus der Ankündigung der EU heraus entstanden, engere Beziehungen zu Kiew unterhalten zu wollen - unter Ausschluss Russlands. Nun stellt Merkel Moskau doch eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit in Aussicht. Doch Russland hat längst eine Alternative für sich gefunden: die Eurasische Zollunion, der neben Russland auch Weissrussland, Kirgistan, Kasachstan und Armenien angehören.

"Die Eurasische Union ist so konstruiert, dass sie den Handel mit Europa eher erschwert", sagt Stefan Meister, Russlandexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Auch deshalb hält er ein Zustandekommen einer wie von Merkel gezeichneten Handelspartnerschaft für eher unwahrscheinlich: "Ich bin sehr skeptisch, ob Putin darauf eingeht." Meister sieht Merkels Vorschlag eher als "Vehikel", um überhaupt wieder in einen Dialog mit Russland einzutreten. Allerdings sehe er "auf absehbare Zeit" kein Zusammenkommen mit dem Kreml.

Denn eine Rückkehr an den Verhandlungstisch stehe für Putin nicht zur Debatte, so lange man ihm Bedingungen stelle. Vor allem, wenn es um die Ost-Ukraine geht. "Ihm geht es darum, dass sich der osteuropäische Raum nicht in Nato oder EU eingliedern wird", erklärt Meister. Andererseits bietet Merkels Angebot Putin eine "Chance, dass er ohne Gesichtsverlust in Verhandlungen" treten könne.

Putin muss Härte demonstrieren

Denn innenpolitisch steht Putin zu sehr unter Druck, um gegenüber der EU zurückzuweichen. Er hat Härte versprochen, die er nun beweisen muss. Den Konflikt mit dem Westen nutzt der Kremlchef, um "eigene Schwächen zu kaschieren", mutmasst Meister. So könne er von seinen Legitimationsproblemen ablenken, die ihm im eigenen Land immer gefährlicher werden. Gleichzeitig will Putin mit der Annexion der Krim internationale Anerkennung für die "russische Vormachtstellung im postsowjetischen Raum" erzwingen.

Dabei könnten Russland und die EU von einer Handelspartnerschaft profitieren - vor allem ökonomisch. Doch was theoretisch möglich ist, wäre in der Praxis nur schwer umsetzbar, sagt Meister.

Am Ende wird Merkels Vorschlag vielleicht eine Debatte anstossen. Mehr aber wohl auch nicht. Denn eines hat die EU bislang sehr deutlich gemacht: Den Dialog mit Russland wird man erst wieder aufnehmen, "wenn das Land aktiv und ohne Zweideutigkeit damit beginnt, eine Lösung für die Krise in der Ukraine zu finden." Eine Bereitschaft dazu lässt der Kreml jedenfalls derzeit nicht erkennen.

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