Die Volksinitiative der Christlichdemokratischen Volkspartei gegen die so genannte Heiratsstrafe wurde mit 50,8 Prozent der Stimmen ganz knapp verworfen. Die Vorlage scheiterte am Volksmehr, beim Ständemehr hätte die Initiative die Hürde problemlos geschafft: Eine grosse Mehrheit der 26 Kantone sagte Ja.

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Am deutlichsten war die Zustimmung im Kanton Jura mit 60 Prozent, gefolgt vom Kanton Wallis mit 57 Prozent. Den Ausschlag gaben die Kantone mit grösseren Städten, welche die Initiative ablehnten: Basel-Stadt mit 61 Prozent, Zürich mit 57, Bern und Waadt mit 54 und Genf mit 53 Prozent. Nein sagten auch die Kantone Graubünden und Appenzell-Ausserrhoden, mit rund 51 Prozent. Die Stimmbeteiligung lag bei 63 Prozent.

Das Volksbegehren war zunächst auf breite Zustimmung gestossen. In der ersten SRG-Umfrage sprachen sich 67 Prozent der Stimmberechtigten dafür aus. Bis zur zweiten Umfrage sank die Zustimmung dann auf 53 Prozent. Nun haben die Gegner gewonnen.

Bundesrat und Finanzminister Ueli Maurer sagte nach der Abstimmung, der Bund stehe in der Pflicht, eine verfassungskonforme Ehebesteuerung zu bewirken. Er erinnerte zudem daran, dass der Bundesrat auch schon Anläufe unternommen habe. Er betonte aber auch, dass bei den Sozialversicherungen jedoch kein Handlungsbedarf bestehe.

...dennoch ein Erfolg

CVP-Ständerat Pirmin Bischof spricht von einem Erfolg für seine Partei, obwohl die Initiative abgelehnt wurde. Wenn eine 13-Prozent-Partei eine derart hohe Zustimmung erhalte, sei dies ein Erfolg.

Dass die strikte Ehedefinition der CVP-Vorlage die Initiative zu Fall brachte, glaubt er jedoch nicht. Diese Frage habe bestimmt in beiden Lagern mobilisiert. Sollte dies aber der Fall sein, zeige sich, dass das Volk keine Heiratsstrafe wolle: "Ich erwarte vom Bundesrat nun eine Vorlage, welche die Heiratsstrafe abschafft", so der Ständerat.

FDP-Nationalrat Hanspeter Portmann war die Ehedefinition nur ein Teil, der die Gegner mobilisierte. Hinzu kämen die hohen Steuerausfälle, welche "von 73 Prozent der Bevölkerung" getragen werden müssten, analysierte er.

Dennoch spricht er sich dafür aus, dass kurzfristig eine Lösung für die 80'000 steuerlich benachteiligten Ehepaare gefunden werden könne. Mit einem Steuerabzug bei der direkten Bundessteuer. Langfristig sei die Individualbesteuerung "aber das einzige System, welches der heutigen Lebensrealität gerecht wird".

Vorschläge in einigen Monaten

Die Ehepaar-Besteuerung dürfte aber dennoch angepasst werden. Der Bundesrat hat bereits mehrere Anläufe für eine Reform unternommen, zuletzt 2012. Weil die Meinungen dazu weit auseinander gingen, verfolgte er die Pläne nicht weiter. Nun will er handeln: Die Vorschläge würden einige Monate nach der Abstimmung auf dem Tisch liegen, kündigte Finanzminister Ueli Maurer im Januar an.

Nach dem Nein zur Volksinitiative wäre auch der Wechsel zur Individualbesteuerung möglich, den die Initianten ausschliessen wollten. Dafür hat sich die Finanzkommission des Nationalrats vor kurzem ausgesprochen, allerdings mit der knappen Mehrheit von einer Stimme. Die Ehepaar-Besteuerung dürfte also weiterhin viel zu reden geben.

Keine Änderung bei Renten

Wäre die CVP-Initiative angenommen worden, wären möglicherweise noch Kosten bei den Sozialversicherungen hinzugekommen. Die Initianten machten geltend, Ehepaare seien heute auch bei der AHV benachteiligt. Der Bundesrat ist anderer Auffassung, er plant hier keine Änderungen.

Die Gegnerinnen und Gegner hatten im Abstimmungskampf vor den hohen Kosten gewarnt. Dass manche Ehepaare heute steuerlich benachteiligt sind, stellten sie zwar nicht in Abrede. Sie wiesen aber darauf hin, dass mehr Ehepaare bevorteilt seien. Verbreiteter als die "Heiratsstrafe" sei der "Heiratsbonus". Von einem Ja würden zudem vor allem reiche Ehepaare profitieren.

Kein Eheverbot für Homosexuelle

Daneben stiessen sich die Gegnerinnen und Gegner an der Definition der Ehe als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau, die bei einem Ja in der Bundesverfassung verankert worden wäre. Das laufe den Bestrebungen zuwider, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, argumentierten sie.

Welches Argument den Ausschlag für das Nein gab, werden die Analysen zeigen. Für die Initiative hatten sich neben der CVP auch die EVP und die SVP stark gemacht. Dagegen stellten sich FDP, SP, Grüne und Grünliberale.

Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei 63%. Dies ist die zweithöchste Beteiligung seit der Abstimmung über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Jahr 1992.

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