Die Silvesternacht in Köln und der Fall Gina-Lisa Lohfink haben die Debatte um die Reformierung des deutschen Sexualstrafrechts angeheizt. Doch wie ist letzteres aktuell geregelt und was soll sich künftig ändern?

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Ein Sexvideo, ein Vergewaltigungsverdacht – und eine Verhandlung wegen des Vorwurfs einer falschen Verdächtigung: Der Fall um die ehemalige "Germany’s Next Topmodel"-Kandidatin Gina-Lisa Lohfink, die zunächst zwei Männer der Vergewaltigung beschuldigt hatte und nun selbst vor Gericht steht, scheidet die Geister. Er fällt in eine Zeit, in der das Sexualstrafrecht reformiert wird – was viele für längst überfällig halten.

Die juristischen Hürden für eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung liegen derzeit hoch: Der Staat muss einem Täter nachweisen, dass er Gewalt angewandt oder sie zumindest angedroht hat. Oder es muss belegt sein, dass das Opfer ihm schutzlos ausgeliefert war, zum Beispiel durch K.o.-Tropfen oder andere Drogen.

Das Gesetz hat viele Lücken und schliesst diverse Taten aus: Ist eine Frau, die vergewaltigt wird, etwa stumm und starr vor Angst oder wehrt sie sich nicht, weil beispielsweise ein Vorgesetzter seine Macht ausnutzt, kann es durchaus passieren, dass das Verfahren eingestellt oder der Täter freigesprochen wird.

Zudem deckt das Strafrecht Situationen nicht ab, in denen ein Opfer völlig überrumpelt wird: Also wenn ein Täter so unvermittelt handelt, dass sein Opfer sich nicht schnell genug wehren kann. Die sexuellen Handlungen müssen ausserdem "erheblich" sein – es kann also durchaus sein, dass ein Griff an Po oder Busen nicht bestraft wird.

Expertin Freudenberg: "Eigentum ist besser geschützt"

Und da ist noch die Sache mit dem "Nein": Ein klares, gesprochenes "Nein" reicht aktuell nicht zwangsläufig als Beleg für eine Straftat.

Eine Tatsache, deren Ausmass Strafrechtsexpertin Dagmar Freudenberg im Gespräch mit unserer Redaktion mit dem Eigentumsrecht verdeutlicht: "Eigentum ist bislang besser geschützt als die sexuelle Selbstbestimmung." Denn niemand dürfe eine Wohnung oder ein Haus betreten, wenn der Eigentümer oder Bewohner es ihm nicht gestatte.

Grosse Koalition bessert nach

Diese Lücken im Sexualstrafrecht sollen sich nun schliessen. An dem ursprünglichen Gesetzesentwurf, den Bundesjustizminister Heiko Maas eingebracht hatte, haben Vertreter von Union und SPD in den vergangenen Wochen einiges geändert: Sie wollen, dass künftig der Grundsatz "Nein heisst Nein" gilt.

"Das ist ganz klar ein Erfolg", betont Dagmar Freudenberg. Damit werde ein Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht vollzogen. Bedauerlich sei allerdings, dass dafür nicht die reinen Sachargumente genügt hätten, sondern es erst Vorfälle wie in der Silvesternacht in Köln geben musste, damit sich etwas ändert.

"Die Ereignisse haben ganz klar gezeigt, dass die Bevölkerung genau dieser Meinung ist: Dass Nein auch wirklich Nein heisst", betont die Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbundes (djb).

In Zukunft sollen auch "Überrumpelungsaktionen" unter Strafe stehen, genau wie das Begrapschen und Übergriffe, die aus einer Gruppe heraus passieren. Aus Sicht von Dagmar Freudenberg werden mit dieser Reform die wesentlichen Lücken im Sexualstrafrecht geschlossen. Jetzt gehe es darum, die Beratungsstellen, Polizei und Justiz für diese Neuerungen zu sensibilisieren.

"Wir müssen jedem in der Gesellschaft klar machen, dass Nein wirklich Nein bedeutet. Und jeder muss lernen zu akzeptieren, dass es nicht nur um die eigenen Bedürfnisse geht, sondern darum, mit dem Gegenüber zu kommunizieren und dessen Gefühle wahrzunehmen und zu achten." In einigen Jahren müsse man ausserdem die Rechtsprechung analysieren. Klar sei, dass sich an der schwierigen Beweislage nichts ändern werde.

Begrifflichkeiten: Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung

Oft werden bei Sexualdelikten die Begrifflichkeiten durcheinander gebracht: Bei sexuellem Missbrauch handelt es sich um Straftaten an Menschen, die per se gegen jegliche Form sexueller Handlungen geschützt sind, zum Beispiel an Kindern.

Die sexuelle Nötigung beschreibt Fälle, bei denen Täter den Willen ihrer Opfer missachten und sie zu etwas zwingen. Die Vergewaltigung ist juristisch gesehen eine Form der sexuellen Nötigung, bei der es zur Penetration kommt.

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