Der Streit zwischen Russland und Polen über den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird nach Einschätzung eines Experten weitergehen. Der Historiker Piotr Maciej Majewski rechnet mit weiteren Attacken Wladimir Putins. Er betont aber auch, dass die polnische Regierungspartei Putin eine Steilvorlage lieferte.
Im Streit zwischen Warschau und Moskau um die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges rechnet ein polnischer Experte mit weiteren Attacken von Kremlchef Wladimir Putin. "Das wird noch kulminieren, wenn in Moskau im Mai die Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs begangen werden", sagte der Historiker Piotr Maciej Majewski vor dem Holocaust-Gedenken in Jerusalem am Donnerstag.
In den kommenden Monaten werde
Holocaust-Gedenkfeier in Yad Vashem: Putin wird Rede halten
Bei der Holocaust-Gedenkfeier in Yad Vashem werden am Donnerstag viele Staatsoberhäupter erwartet. Putin wird dort eine Rede halten. Die Rote Armee befreite vor 75 Jahren das deutsche Konzentrationslager Auschwitz, das als Symbol für den Holocaust gilt.
Polens Präsident Andrzej Duda nimmt an dem Gedenken nicht teil - aus Protest dagegen, dass für ihn keine Rede vorgesehen ist. Duda wirft Putin vor, er lüge über historische Fakten und versuche, Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu geben.
Putin hatte vor Weihnachten polnischen Regierungsvertretern aus der Zwischenkriegszeit Antisemitismus und eine anbiedernde Haltung gegenüber Nazi-Deutschland vorgeworfen. Kürzlich kündigte der Kremlchef an, Russland wolle seine Archive aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges öffnen, um Geschichtsfälschern "das Maul zu stopfen".
Historiker Majewski erwartet von diesem Schritt keine Enthüllungen. Arbeiten polnischer Historiker hätten längst gezeigt, dass es etwa unter den Soldaten der polnischen Heimatarmee AK, die gegen die deutschen Besatzer kämpfte, auch Antisemiten gegeben habe.
PiS lieferte Putin eine Steilvorlage
Majewski betonte aber auch, dass die Vertreter von Polens nationalkonservativer Regierungspartei PiS Putin eine Steilvorlage geliefert hätten. "Die polnische Erinnerungspolitik in den vergangenen fünf Jahren unter der PiS bestand darin, auf die nationalistische und hurra-patriotische Pauke zu hauen."
Hätte sich Warschau bemüht, die Geschichte ehrlich darzustellen, wäre Polen jetzt nicht in dieser Form Putins Attacken ausgesetzt, so der Historiker, der an der Universität Warschau lehrt. (dpa/mbo)
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