Die britische Premierministerin May hat kaum Aussichten, ihr Brexit-Abkommen bei der Abstimmung am Abend durchs Parlament zu bringen. Nachdem das Parlament im Vorfeld einen Änderungsantrag abgelehnt hat, stimmt das Parlament jetzt über den Brexit-Deal ab.

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Das britische Parlament hat einen Änderungsantrag zum Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May mit grosser Mehrheit abgelehnt. Die Abgeordneten stimmten am Dienstag in London mit 600 zu 24 Stimmen gegen den Vorstoss des Brexit-Befürworters John Baron, der eine Ausstiegsklausel aus der umstrittenen Garantie für eine offen Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland gefordert hatte. Nun stimmt das Parlament über den Deal ab.

Droht historische Niederlage?

Die britische Premierministerin Theresa May wird bei der Abstimmung über das Brexit-Abkommen voraussichtlich eine historische Niederlage einstecken. Politiker und Wirtschaftsvertreter warnten kurz vor dem Votum im Londoner Parlament am Dienstag vor den Folgen für die Europäische Union und Unternehmen, falls es am 29. März zu einem ungeordneten EU-Austritt kommen sollte.

Zugeständnisse aus Brüssel?

May wird möglicherweise nach einer Niederlage versuchen, Brüssel noch Zugeständnisse abzuringen, um dann ein zweites Mal über den Deal abstimmen zu lassen. Bundesaussenminister Heiko Maas ist aber skeptisch, "dass das Abkommen grundsätzlich noch einmal aufgeschnürt werden kann". Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte im Europarlament in Strassburg: "Die EU hat sich bei diesen Verhandlungen mit Grossbritannien nichts vorzuwerfen."

Ähnlich argumentierte der Grünen-Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold: "Wer der EU zu viel Härte in den Verhandlungen vorwirft, muss auch präzise sagen, was am Abkommen nicht fair sein soll", sagte Giegold der Deutschen Presse-Agentur.

Nahles warnt vor dramatischen Folgen

Die Partei- und Fraktionschefin der SPD, Andrea Nahles, warnte vor dramatischen Folgen für Wirtschaft und Arbeitsplätze in ganz Europa im Falle eines "No Deal". "Das wäre ein schweres Beben für die gesamte EU und auch für uns in Deutschland", sagte sie in Berlin. Sie setze auf die Vernunft der Abgeordneten bei ihren Entscheidungen.

Britische Medien rechnen aber damit, dass May bei der Abstimmung im Parlament mehr als 100 Stimmen aus dem eigenen Lager fehlen könnten. Die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ist ausschlaggebend für Annahme oder Ablehnung des Brexit-Deals, wie eine Pressesprecherin des Parlaments der Deutschen Presse-Agentur sagte. Eine sichere Mehrheit wäre bei mindestens 318 Stimmen gegeben.

Zweifel an EU

Bundesfinanzminister Olaf Scholz bezeichnete den Brexit als "Warnsignal". In vielen EU-Staaten hätten anti-europäische und populistische Strömungen an Zulauf gewonnen. Viele Bürger zweifelten daran, ob Europa Antworten auf zentrale Herausforderungen der Zukunft habe. Daher müsse die EU politischer werden, sagte der SPD-Politiker bei einer europapolitischen Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin.

Noch am Montag hatte May versucht, die Abgeordneten mit einem leidenschaftlichen Appell umzustimmen. Nur die Zustimmung zu dem mit der EU ausgehandelten Abkommen könne einen ungeordneten EU-Austritt oder eine Abkehr vom Brexit verhindern, warnte May. "Geben Sie diesem Deal eine zweite Chance", rief sie den Abgeordneten zu.

Vier Änderungsanträge

Nach einer fünftägigen Debatte im Unterhaus sollte am Dienstag frühestens um 20.00 Uhr (MEZ) abgestimmt werden. Die Abgeordneten hatten noch die Möglichkeit, die Beschlussvorlage der Regierung vor dem Votum abzuändern. Vier Änderungsanträge wurden zur Abstimmung zugelassen.

Die Abgeordneten könnten damit neben der Ablehnung von Mays Deal eine Richtung vorgeben, wie es weitergehen soll, oder die Zustimmung mit Bedingungen verknüpfen. Zu den Forderungen zählt unter anderem ein einseitiges britisches Kündigungsrecht der Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland (Backstop), wie sie im Austrittsabkommen festgeschrieben ist.

Sorgen um Irland

Grenzkontrollen auf der irischen Insel wollen alle Seiten vermeiden. Es wird befürchtet wird, dass sie Konflikte in der ehemaligen Bürgerkriegsregion wieder anheizen könnten. Doch mit dem geplanten Austritt Londons aus der Europäischen Zollunion und dem Binnenmarkt scheinen die Kontrollen unausweichlich. Der umstrittene Backstop sieht vor, dass Grossbritannien solange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis die Frage anderweitig gelöst ist. Kritiker befürchten, Grossbritannien könne so dauerhaft eng an die EU gebunden bleiben.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sprangen May am Montag mit einem langen Brief zur Seite, um die Bedenken der Kritiker im Parlament auszuräumen. Die nordirisch-protestantische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, bezeichnete diese Zusicherungen jedoch als "bedeutungslos".

Die Bundesregierung wies am Dienstag einen Bericht der britischen Zeitung "The Sun" zurück, nach dem Bundeskanzlerin Angela Merkel May Hilfe über die bisherigen Zusagen der EU hinaus versprochen habe. Der Inhalt eines Telefongesprächs Merkels mit May werde von der Zeitung falsch wiedergegeben, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Zeitung hatte berichtet, dass May nach einer Hilfszusage Merkels neue Hoffnung habe, doch noch ein Brexit-Abkommen in einer zweiten Abstimmung durch das Unterhaus zu bringen.

Oppositionsparteien stimmen gegen May

Neben der DUP und den etwa 100 Abgeordneten aus dem Regierungslager wollen die Oppositionsparteien geschlossen gegen Mays Deal stimmen. Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte im Fall einer Niederlage Mays ein Misstrauensvotum an.

Auch bei einer Niederlage der Regierung ohne Vorgaben des Parlaments wäre nicht klar, was als nächstes passiert. Viele Abgeordnete forderten, den EU-Austritt zu verschieben - eine Möglichkeit, die auch in Brüssel nicht mehr ausgeschlossen wird. Doch das lehnte May bisher vehement ab.

Nach dem Willen des Parlaments muss die Regierung im Falle einer Niederlage bis zum kommenden Montag (21.1.) einen Plan B vorlegen, über den innerhalb von sieben Sitzungstagen abgestimmt werden soll - also spätestens am 31. Januar. Doch es ist unklar, ob die Regierung rechtlich an diese Vorgaben gebunden ist.

Sollte das Parlament sich auch in den kommenden Wochen nicht auf ein weiteres Vorgehen einigen, droht ein Austritt ohne Abkommen mit dramatischen Folgen für fast alle Lebensbereiche.

Unterhaus stimmt nur über einen Änderungsantrag ab

Das britische Parlament hat drei von vier Änderungsanträgen zur Beschlussvorlage der britischen Regierung bei der Abstimmung zum Brexit-Deal zurückgezogen. Abgestimmt werden soll nun nur noch über den Antrag des Konservativen John Baron, der ein klarer Verfechter eines britischen Ausstiegs aus der Europäischen Union ist. Er fordert in dem Antrag eine Ausstiegsklausel aus der umstrittenen Garantie für eine offene Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland, wie sie im Brexit-Abkommen festgeschrieben ist. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass der Antrag angenommen wird. Sollte er dennoch eine Mehrheit finden, wäre der Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May in seiner jetzigen Form Makulatur.

(dpa/af)

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