Wer einen Hund hat, muss künftig keinen Kurs mehr besuchen. Der Vorstoss kam von FDP-Ständerat Ruedi Noser und wurde diese Woche im Parlament beschlossen. Die Entscheidung ist allerdings hoch umstritten.
Nur weil ein unbelehrbarer Teil aller Autofahrer sich nicht an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, werden diese längst nicht abgeschafft. Doch bei den obligatorischen Sachkundenachweis-Kursen (SKN) ist genau das eines der Argumente von Ruedi Noster (FDP/ZH):" 20 Prozent aller Hundehalter besuchen den Kurs erst gar nicht", erklärt der Ständerat.
Und tatsächlich: Mit 93 zu 87 Stimmen bei fünf Enthaltungen hat der Nationalrat als Zweitrat der Motion von Ständerat Ruedi Noser zugestimmt und das Obligatorium für Hundekurse aufgehoben. Kurz danach, um 22:26 Uhr, postet der Politiker auf Facebook: "Ich freue mich, dass das Parlament mit der Zustimmung zu meiner Motion den Mut gezeigt hat, etwas Überflüssiges auch wieder einmal abzuschaffen ..."
Klar, dass die Frage folgte, ob der Politiker auch einen Hund habe. Und ja, hat er. Einen Lagotto, besser bekannt als Trüffelhund. "Meine Frau, meine älteren Kinder und sogar meine Schwiegermutter haben den Kurs alle besucht – und hätten das auch freiwillig getan", verriet er gegenüber "Blick.ch".
Aufstockung statt Abschaffung
Ob andere Hundebesitzer das auch so handhaben würden, daran zweifelt Hansueli Beer. Der Präsident des SKG und oberster Hündler der Schweiz ist überzeugt, dass Hundeschulen rund 50 Prozent aller Halter nicht mehr zu sehen kriegen. Zwar forderte der Abtwiler (AG) Änderungen in der Verordnung, eine gänzliche Abschaffung jedoch befürwortet Beer nicht: "Unser Vorschlag ist vielmehr der, dass alle Ersthundehalter vier Stunden Theorie und acht Stunden Praxis absolvieren müssen, als eine Aufstockung um nochmals vier Stunden."
Unterstützung erhält er dabei von Innenminister Alain Berset, der ebenso dafür plädiert, die Kurse wenigstens für jene Halter beizubehalten, die zum ersten Mal einen Hund anschaffen.
Tierschützer wollen Kurs beibehalten
Auch die Stiftung Tier im Recht (TIR) hat sich schon im Vorfeld gegen die Abschaffung des obligatorischen SKN ausgesprochen. "Es geht dabei gar nicht um den Strafgedanken, wie oft argumentiert wird, sondern vielmehr um tierschützerische sowie sicherheitspolizeiliche Motive", erklärt Geschäftsleiter und Rechtsanwalt Gieri Bolliger.
Umso mehr bedauert die TIR die Entscheidung des Parlaments. "Der SKN verpflichtet jeden Halter, sich mit seinem Hund auseinanderzusetzen und zumindest die Grundzüge für einen korrekten Umgang mit seinen vierbeinigen Partner zu erlernen", begründet Bollinger weiter, "die Evaluation stellt den Lehrgängen ein insgesamt gutes Zeugnis aus und zeigt auf, dass die Kursabsolventen wie auch die Hundetrainer die Gestaltung, Nützlichkeit und Qualität mehrheitlich als gut bewerten."
Doch nicht nur die TIR, auch die rund drei Viertel der befragten kantonalen Veterinärdienste beurteilten den SKN-Lehrgang in Bezug auf das sichere Führen des Hundes sowie im Hinblick auf eine tiergerechte Haltung als "sehr nützlich" oder "eher nützlich". Rund zwei Drittel der Kursteilnehmer geben an, dass sich ihr Verhalten dem Hund gegenüber aufgrund der SKN-Ausbildung positiv verändert hat.
Bollinger kündigt daher an: "Die TIR wird sich auch weiterhin für eine Förderung der Ausbildung von Hundehaltenden – sowie auch von anderen Tierhaltenden – stark machen." Zeit dafür ist genug, denn der Entscheid des Nationalrates erfordert jetzt eine entsprechende Anpassung der Tierschutzverordnung durch den Bundesrat. Solange gilt die bestehende Gesetzgebung, was heisst, dass die obligatorischen Kurse weiterhin verpflichtend zu absolvieren sind.
Hund zu sein, ist nicht einfach
Doch all die Argumenten und Diskussionen können durchaus den Eindruck erwecken, dass "Hund sein" in der Welt der Menschen gar nicht so einfach ist. "Die kulturelle Beziehung zwischen Mensch und Hund ist versaut", drückt es Evelyn Streiff drastisch aus. Die Inhaberin des Ausbildungszentrums Triple S in Eptingen (BL) ist mit Hunden aufgewachsen und plädiert für ein neues Denken zwischen Mensch und Hund, das vor allem die Perspektive des Vierbeiners miteinbezieht.
Auch sie hält nichts vom Entscheid. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, den Leuten zu sagen, wie der Hund tickt. Denn die meisten Probleme entstehen aus Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Hund und Halter heraus." Bereits vor der obligatorischen Einführung hat Streiff Hundeführkurse freiwillig angeboten. Das wird die Hundetrainerin nun wieder ins Auge fassen.
Um die Freiwilligkeit zu pushen, wäre für alle Abschaffungs-Gegner beispielsweise eine Reduktion der Hundesteuer für Halter, die eine Ausbildung absolviert haben, denkbar. Auch dafür wollen sich Streiff, Beer, aber auch Bollinger stark machen.
Beer hat sogar vor, auf kantonalen Ebene einzuschreiten. "Die Kantone entscheiden zu guter Letzt, ob der obligatorische SKN beibehalten, verschärft, gelockert oder begraben werden soll." Und das könnte bedeuten: 26 Kantone, 26 Entscheidungen. Und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Oder vielleicht heisst es am Ende doch: bellende Hunde beissen nicht.
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