In Moskau sind die Menschen empört, weil unabhängige Kandidaten nicht zur Regionalwahl im September zugelassen wurden. Der Protest verlagert sich auf die Strasse - und die Polizei greift mit aller Härte durch.

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Bei einer Demonstration in Moskau gegen den Ausschluss wichtiger Oppositionskandidaten von der Regionalwahl in sechs Wochen hat die russische Polizei mehr als tausend Demonstranten festgenommen.

Rund um das Rathaus im Stadtzentrum führten Beamte Menschen ab und zerrten sie in Polizeibusse. Laut Polizei kamen 1074 in Gewahrsam. Das Bürgerrechtsportal OWD-Info sprach in der Nacht zum Sonntag von mehr als 1370 Fällen.

Zuvor war die Zahl der Festnahmen bei der nicht genehmigten Kundgebung fast minütlich gestiegen. dpa-Reporter berichteten auch von verletzten Demonstranten.

Die Behörden zählten nach eigenen Angaben insgesamt rund 3500 Teilnehmer. Die Polizei hatte zuvor in einem an die Moskauer und Touristen gerichteten Aufruf davor gewarnt, daran teilzunehmen, weil es keine Genehmigung für den Protest gab. Die Beamten sicherten am Nachmittag das Rathaus mit einem grossen Aufgebot und vielen Einsatzfahrzeugen sowie Linienbussen. Zu sehen war auch, wie eine Polizeiabsperrung durchbrochen wurde. Die Menge applaudierte danach. Einige Festgenommene kamen am frühen Abend wieder auf freien Fuss.

"Was hier passiert, ist illegal"

Ein 35 Jahre alter Demonstrant, der seinen Namen nicht nennen wollte, sagte der Deutschen Presse-Agentur zu den Festnahmen: "Was hier passiert, ist illegal. Die Politik bricht unsere Rechte." Während der Kundgebung funktionierte das Internet zeitweise nicht.

Zuletzt gingen die Sicherheitsbehörden in Moskau derart hart gegen Demonstranten bei einer Solidaritätskundgebung für den russischen Enthüllungsjournalisten Iwan Golunow vor. Dabei wurden Mitte Juni mehr als 400 Menschen vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen. Der Protest bewirkte, dass der Reporter überraschend frei kam. Mit neuen Festnahmen war im Vorfeld der Kundgebung gerechnet worden.

"Njet" zu 57 Kandidaten

Die Protestler fordern, dass unabhängige Kandidaten und Oppositionelle zur Wahl des neuen Moskauer Stadtparlaments am 8. September zugelassen werden. Zuvor waren zahlreiche Politiker wie der prominente Kremlkritiker Ilja Jaschin als Bewerber nicht registriert worden. Insgesamt verweigerte die Wahlkommission 57 Kandidaten die Registrierung, 233 seien zugelassen worden. Derzeit zählt die Volksvertretung der russischen Hauptstadt 45 Sitze.

Zwar hatten die Politiker ausreichend Unterstützungserklärungen gesammelt, viele wurden aber von der Wahlkommission als Fälschung eingestuft. In einigen Fällen sollen angeblich einzelne Buchstaben fehlen, in anderen sei das falsche Geschlecht angegeben. Zudem sollen nach Darstellung der Behörden einige Unterstützer bereits tot sein, obwohl sie laut Opposition beim Unterzeichnen fotografiert wurden.

Die Regierungspartei fürchtet um ihr Ansehen

Die ausgeschlossenen Politiker betonen, dass ihnen absurde Fehler untergeschoben worden seien und sprechen von Manipulationen. Der Weg ins Stadtparlament werde ihnen verwehrt, damit sie den Sieg der Kremlpartei Geeintes Russland nicht schmälerten, sagte der Oppositionelle Dmitri Gudkow dem Radiosender Echo Moskwy. Die Regierungspartei Geeintes Russland mit ihrem Vorsitzenden Dmitri Medwedew verliert seit einiger Zeit massiv an Zustimmung.

Gegen die Entscheidungen der Behörden gingen beim Stadtgericht Moskau der Agentur Interfax zufolge etwa 30 Klagen ein. In einigen Fällen seien sie abgewiesen worden. Andere Entscheidungen stünden noch aus.

30 Tage Haft für den Kremlkritiker

Seit fast zwei Wochen gehen Demonstranten regelmässig auf die Strasse. Bei einer Protestaktion vor einer Woche wurden bis zu 20.000 Teilnehmer gezählt. Dazu aufgerufen hatte der bekannte Kremlkritiker Alexej Nawalny. Dafür wurde er erst am Mittwoch von einem Gericht zu 30 Tagen Haft verurteilt. Er erneuerte danach seinen Aufruf.

Für Empörung sorgte bei Oppositionellen auch, dass die Polizei gegen sie zuletzt verstärkt vorgegangen war. Jaschin berichtete am Samstag, dass er zu einer Polizeistation gebracht und vernommen worden sei. Er sei Stunden später wieder freigekommen, aber danach bei der Kundgebung erneut festgenommen worden, schrieb er auf Twitter. (best/dpa)

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