Der Einzug von Donald Trump im Weissen Haus hat in Genf Nervosität ausgelöst, was die künftige Politik der USA gegenüber der UNO und anderen internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz angeht. swissinfo.ch wirft einen Blick zurück auf die eng verwobene Geschichte der USA mit dem "internationalen Genf".

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Jüngste Aussagen von Donald Trump und seiner neuen UNO-Botschafterin in New York, Nikki Haley, deuten darauf hin, dass die Vereinten Nationen (UNO) und das multilaterale System generell auf eine herausfordernde Beziehung mit den USA zugehen.

Präsident Trump mit seinem Slogan "America First" ("Amerika zuerst") scheint internationaler Zusammenarbeit zu misstrauen und verachtet die globale Weltorganisation.

Potenzielle Finanzkürzungen stehen im Raum, und es besteht die Möglichkeit, dass die USA sich aus einigen multilateralen Abkommen zurückziehen könnten.

Aus der Geschichte lernen

In Genf, das sich als "globales Drehkreuz für internationale Zusammenarbeit" und für Regierungsführung versteht, löste das Unbehagen aus.

Jussi Hanhimäki, Professor für internationale Geschichte am Genfer Hochschulinstitut für Internationale Studien und Entwicklung (Institut de hautes études internationales et du développement, IHEID), erklärt, die Menschen sollten trotz den Gerüchten ruhig bleiben. Und fügt hinzu, die Geschichte gebe einige verlässliche Hinweise.

"Es geht hier nicht um beispiellose Umstände", sagt Hanhimäki. "Es ist nicht das erste Mal, dass die USA damit drohen, sich abzukoppeln. Vor der Ära Obama hatten wir die unilaterale Krise der Jahre unter George W. Bush, und wir haben irgendwie überlebt. Die Welt brach nicht zusammen. Zuvor hatte es die Schwierigkeiten während der Reagan-Jahre gegeben. Zudem hatten die USA auch in der Vergangenheit schon die Finanzierung für Organisationen wie etwa der UNESCO, die Weltkultur-Organisation, suspendiert."

Doch nicht alle legen diese Zen-Gelassenheit an den Tag. Der schweizerisch-amerikanische Politologe Daniel Warner macht sich Sorgen über das, was er als "Trump-Tsunami" bezeichnet, die das internationale Genf bedrohe. In diesen unsicheren Zeiten, sagt er, sei es wichtig, dass man sich an die eng verwobenen Werte und die Geschichte zwischen den beiden Schwesterrepubliken USA und Genf erinnere.

2011 war Warner beteiligt an der Produktion eines Buches zu diesem Thema, wo Einflüsse unter die Lupe genommen wurden, die sich von der "Genfer Bibel" bis hin zu Philanthropen wie Bill Gates und dessen Stiftung erstrecken (siehe Galerie unten).

Alabama-Raum

Die Schweizer Stadt war Zeugin und Gastgeberin historischer Momente in der gemeinsamen Geschichte. Das Genfer Rathaus ist eines der ältesten und bedeutendsten Gebäude der Stadt. Hinter einer diskreten Türe aus Holz im Haupthof befindet sich der Alabama-Raum.

In diesem Raum war 1872 ein Gericht zusammengetreten, um einen grossen Streit zwischen den USA und Grossbritannien zu schlichten. Es ging um Kriegsschäden, die durch das Konföderierten-Schiff Alabama und weitere Unterstützung Grossbritanniens für die Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg entstanden waren. Auch die Erste Genfer Konvention war in diesem Raum unterzeichnet worden.

"Im Herzen der Genfer Altstadt, im Alabama-Raum, nahmen nicht nur die Schlichtung durch Drittparteien ihren Anfang, sondern ebenso das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen", erklärt Warner, ein früherer Vizedirektor des IHEID.

Diese Ideen und Werte, die eng mit der Schweizer Neutralität verbunden sind, sollten später auch für den Schweizer Diplomaten William Rappard von zentraler Bedeutung sein, um den damaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson davon zu überzeugen, den Völkerbund (die Vorläufer-Organisation der Vereinten Nationen) an die Ufer des Genfersees zu bringen.

Im Oktober 1920 zog der Völkerbund, teilweise aufgrund von Wilsons Beharren, nach Genf. Die USA waren allerdings nicht unter den 41 Staaten, die an der ersten Generalversammlung teilnahmen, weil der US-Senat eine formelle Mitgliedschaft der USA abgelehnt hatte.

"Die USA unterhielten aber in Genf in den 1920er- und 1930er-Jahren eine Mission, die Beobachterstatus hatte und sich aktiv engagiert, obschon die USA offiziell einen isolationistischen Standpunkt vertraten", sagt Hanhimäki.

Nutzniesser und Kritiker

Der Völkerbund war angesichts des Zweiten Weltkriegs machtlos und konnte den Ausbruch der Kämpfe nicht verhindern. Dennoch war die Idee internationaler Zusammenarbeit und Organisationen nicht tot. "Das Paradoxe ist, dass es die Vereinten Nationen ohne die USA gar nicht erst geben würde", erklärt der finnische Professor.

Denn die US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman sollten die führenden "Architekten" der UNO werden, die schliesslich auf den Trümmern des Weltkriegs entstand.

"Amerika stand an der Spitze der internationalen Ordnung. Das System wurde grundsätzlich von den USA garantiert" erklärt Hanhimäki. Und fügt hinzu, die Supermacht sei immer eine Hauptnutzniesserin der UNO, aber auch eine der schärfsten Kritikerinnen der Organisation gewesen.

"Die Grundregeln der Vereinten Nationen sind sehr vorteilhaft für die USA. Sie zahlen mehr als andere Länder, erhalten aber viel Einfluss. Die USA würden nie zustimmen, das P5-Prinzip der Zusammensetzung des Sicherheitsrats [5 Ständige Mitglieder: USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien] und das Vetorecht zu verändern. Sie sind glücklich, den aktuellen Status quo aufrecht zu halten, auch bei der NATO. Bei diesen Organisationen treten sie gerne als lautstarker Kritiker auf, solange, bis sie den Punkt erreichen, an dem sie realisieren, dass es unvermeidliche Auswirkungen auf ihren Einfluss haben würde, falls die Finanzierungsstruktur verändert würde."

Die USA sähen einen Wert im UNO-System, das internationale Genf sei aber in Washington kein wichtiges Thema, so Hanhimäki. Organisationen mit Sitz in Genf wie das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und die Welthandels-Organisation (WTO) machten in den USA zwar nur selten Schlagzeilen, blieben aber sehr erfolgreiche Instrumente, fügt er hinzu.

Gipfel und Stiftungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufkommen des Kalten Kriegs spielten die neutrale Schweiz und Genf für die USA eine neue Rolle, als wichtiger Ort, an dem über Frieden und Sicherheit diskutiert wurde.

Viele Schlüsseltreffen fanden hier statt: Indochina (1954), Gipfelkonferenz der "Grossen Vier" (1955), Helsinki-Abkommen (1973-1975), später folgten Gespräche zwischen US-Präsident Reagan und dem sowjetischen Staatschef Gorbatschow über ein Ende des Wettrüstens im Kalten Krieg (1985), Gespräche über Bosnien-Herzegowina (1991), Irak-Kuwait (1991), den israelisch-palästinensischen Friedensprozess, auch bekannt als Genfer Initiative (2003), in jüngerer Vergangenheit Gespräche über Irans Nuklearprogramm (2013) und über den Syrien-Konflikt (2012, 2014, sowie 2016-2017).

Auch andere Amerikaner und US-Organisationen hatten wichtigen Einfluss auf das internationale Genf, vor allem im vergangenen Jahrhundert. Dazu gehörten unter anderem Philanthropen wie John Davison Rockefeller Jr., der den Bau eines Flügels im Palais des Nations, dem Genfer UNO-Hauptquartier, für eine Bibliothek mit 2 Mio. Dollar unterstützte.

Die Ford-Stiftung, Rotary International und die Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden spielten bei der Unterstützung von internationalen Institutionen mit Sitz in Genf ebenfalls eine bedeutende Rolle. Heute ist die Stiftung von Bill und Melinda Gates, die mit Blick auf die Weltgesundheits-Organisation (WHO) eine extrem aktive Rolle spielt, von grosser Bedeutung.

Nun stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Ära Trump auf Genf haben könnte?

Nicht voraussagbar

Hanhimäki sagt, es sei sehr schwierig, eindeutige Veränderungen vorauszusagen, eine Sache sei aber klar: "Meiner Einschätzung nach ist viel seiner Rhetorik auf das Inland ausgerichtet, und man sollte nicht sofort in Panik ausbrechen", erklärt der Professor des Genfer Hochschulinstituts.

Politologe Daniel Warner zuckt auf diese Frage mit den Schultern. Er macht sich Sorgen, dass Trump mit aussenpolitischen Konzepten wie internationaler Zusammenarbeit, Neutralität und Konsens ringen wird, die zusammen das Fundament eines Orts wie Genf bilden. Und die US-Finanzierung für spezialisierte internationale Institutionen könnte schrumpfen.

"Das Problem ist, dass Geschichte auf Trumps Agenda keinen grossen Platz einnimmt", fügt er hinzu.

Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch

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