Der Tod von George Floyd durch Polizeigewalt hat in Amerika für Ausschreitungen und Proteste gesorgt. Der Bürgerrechtler Biplap Basu spricht mit unserer Redaktion über rassistische Polizeigewalt - auch in Deutschland - und was betroffene Menschen dagegen tun können.

Ein Interview

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Der US-Amerikaner George Floyd starb am 25. Mai infolge eines brutalen Polizeieinsatzes. Ein weisser Polizeibeamter hatte endlose acht Minuten sein Knie in den Nacken des am Boden liegenden Schwarzen Mannes gedrückt. Mehrfach bat Floyd, um mehr Luft. Trotz der Proteste von aussenstehenden Menschen liessen die vier Polizisten nicht davon ab.

George Floyd verlor das Bewusstsein und starb wenige Stunden später im Krankenhaus. Der mutmassliche Haupttäter ist wegen Mordes angeklagt, auch die drei anderen Polizisten erwarten Strafen. Ihren Job sind sie längst los.

Polizeigewalt löst Rassismus-Debatten aus

Der tragische Tod von George Floyd hat eine weltweite Rassismus-Debatte in den Fokus gerückt. Während in den US Proteste, Gewaltexzesse und Demonstrationen in vielen Städten seit Wochen an der Tagesordnung sind, wird auch in Deutschland wieder konkret über Rassismus und rassistische Polizeigewalt gesprochen. Auch hierzulande kommt es immer wieder zu unbegründeten Kontrollen und Vorfällen der Polizei, die rassistisch motiviert sind.

Einer der sich damit auskennt, ist Biplab Basu. Der bekannte Bürgerrechtler aus Berlin engagiert sich mit Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP Berlin) und hilft Opfern, gehört und gesehen zu werden. Gemeinsam mit seinem Team will er die Menschen stärken und die Taten der Polizisten und Polizistinnen aufklären. Viel zu oft geraten sie in Vergessenheit. Dabei ist die Polizeipraxis des Racial Profilings ein Phänomen, das viele schwarze Menschen im Alltag immer wieder erleben.

Mit uns sprach der Bürgerrechtler Biplab Basu über das Thema rassistische Polizeigewalt, was Menschen tun können, die betroffen sind und was Bürger und Bürgerinnen machen sollten, wenn sie einen rassistisch motivierten Vorfall zwischen Polizei und schwarzen Mitbürger und Mitbürgerinnen mitbekommen.

Proteste in London: Schwarzer rettet verletzten rechten Demonstranten

Am Samstag ist es in London zu Zusammenstössen zwischen rechtsextremen Gruppen und schwarzen Demonstranten gekommen. Nachdem ein Mann benommen zu Boden gegangen war, rettete der schwarze Aktivist Patrick Hutchinson den mutmasslich rechtsextremen Demonstranten vor Schlägen und Tritten.

Was bedeutet rassistische Polizeigewalt?

Herr Basu, was genau kann man unter rassistischer Polizeigewalt verstehen?

Biplab Basu: Polizeiliche Massnahmen sind immer mit einer potenziellen Gewalt verbunden, weil die Polizei grundsätzlich Gewalt – soft oder hard - anwenden darf. Sobald sie durch Schläge, Fixieren oder auch durch Gebrauch von Schusswaffen verletzt oder sie durch "harmlose Ausweiskontrollen" Menschen aufgrund rassistischer Zuschreibung, vermeintlicher oder tatsächlicher ethnischer Zugehörigkeit, Genderorientierung, vermeintlicher oder tatsächlicher religiöser Zugehörigkeit, Menschen in der Öffentlichkeit erniedrigt, blossstellt und kriminalisiert, reden wir von rassistischer Polizeigewalt.

Was kann ich als Mensch tun, wenn ich von rassistischer Polizeigewalt betroffen bin?

So schnell wie möglich Verletzungen dokumentieren, Menschen ansprechen und suchen, die die Vorfälle gesehen haben. Anschliessend unbedingt Ärzte oder Ärztinnen konsultieren und - wenn vorhanden - Beratungsstellen aufsuchen und Strafanzeige und Strafantrag stellen. Wenn keine Beratungsstellen in der Nähe sind, sollte man uns von KOP kontaktieren und telefonische Beratung einholen.

Racial Profiling wird auch bei der Polizei in Deutschland betrieben

Können Sie ein Beispiel von rassistischer Polizeigewalt nennen, das vielleicht besonders in Erinnerung geblieben ist?

Am Nachmittag des 22. März sass Ajak B. mit Bekannten in einem Imbiss in Berlin-Kreuzberg, als zwei Polizisten auf die Männer zugerannt kamen und sie kontrollierten. Die Bekannten von Ajak B. erhielten ihre Ausweise zurück, aber er sollte mitkommen. Den Grund dafür erfuhr er nicht.

Er wurde zu einem nahestehenden Polizeiauto gebracht, wo er sich bis auf die Unterwäsche ausziehen sollte. Seine Sachen wurden durchsucht, gefunden wurde jedoch nichts. Trotzdem nahmen die Polizisten ihn mit. Ajak B. verstand die Situation nicht, er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Seinen Ausweis erhielt er nicht zurück.

Auf einer Wache musste er sich nochmals entkleiden. Seine Sachen musste er abgeben. Dann wurde er in eine Zelle geschlossen. Erst nach einer langen Zeit wurde er zur erkennungsdienstlichen Behandlung abgeholt. Mehrmals fragte Ajak B. nach dem Grund der Massnahmen, sagte immer wieder, dass er nicht kriminell sei.

Seine Sachen erhielt er irgendwann zurück und wurde entlassen. Dabei nahm ein Polizist seine Geldbörse, entwendete 20 Euro und behauptete, diese seien ein Beweis. Ajak B. war fassungslos. Er brauchte das Geld dringend. Als er sagte, dass er Christ sei und niemandem schaden wolle, wurde er von den Beamten ausgelacht. Dann packten ihn vier Beamte am Nacken und den Armen und warfen ihn aus den Räumlichkeiten.

Ein schrecklicher Vorfall. Was kann ich tun, wenn ich beobachte, wie die Polizei einen Menschen rassistisch behandeln? Sollte ich dazwischen gehen?

Je nachdem, wie viel Zeit man hat und in welcher mentalen Verfassung man ist, kann man stehen bleiben und die Polizisten oder Polizistinnen nach dem Sinn und Zweck der Massnahme fragen. Ausserdem hilft es, den Betroffenen anzusprechen und dadurch zu signalisieren, dass man später, wenn nötig, als Zeuge zur Verfügung steht. Auch kann man die Massnahme mitfilmen, zumindest so lange man von der Polizei nicht bedroht wird, aufzuhören.

Wer rassistische Polizeigewalt erlebt hat, kann sich bei Ihnen melden. Was genau passiert dann?

Wir hören uns erst einmal die Version des Opfers an und überlegen dann gemeinsam, welche Schritte gegen die polizeilichen Massnahmen gemacht werden können.

Polizeigewalt in Deutschland: Ernüchternde Urteile vor Gericht

Das ist für viele Opfer sicherlich mit viel Angst verbunden, oder?

Ja, die überwiegende Zahl von Opfern von rassistischen Polizeigewalt haben Angst und Sorge.

Im besten Fall landet eine Anzeige vor Gericht. Wie sind Ihre Erfahrungen, wenn es zur Verhandlung kommt?

Sehr ernüchternd. Fast immer glaubt die Richterschaft an die Unschuld der beteiligten Polizisten und Polizistinnen. Nicht selten ist sie überzeugt davon, dass die BPOC (Black and People of Colour: eine Selbstbezeichnung von Menschen mit nicht-weisser Hautfarbe; Anm. d. Red.) Zeugen und Angeklagten eigennützig die Beamten beschuldigen. Das bezeichne ich als "Berufsethik".

Umso wichtiger ist es, dass das Thema wieder so in den Medien ist.

Ich freue mich, dass so viele Menschen jetzt über rassistische Polizeigewalt sowie institutionellen und strukturellen Rassismus sprechen, aber auch Lösungen suchen und vorschlagen und vor allem gegen die Politik der Verleugnung auf die Strasse gehen.

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