Neue Eskalation im Streit zwischen Washington und Teheran. Nachdem die USA einen Flugzeugträger Richtung Iran verlegt haben, geht das Land auf Distanz zu seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen. Doch Präsident Hassan Ruhani lässt dem Westen eine Hintertür.

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Der Iran wird einige seiner Verpflichtungen aus dem internationalen Atomabkommen aussetzen. Das kündigte das Aussenministerium in Teheran am Mittwoch an.

"Wir können ja nicht alleine ein internationales Abkommen umsetzen, wenn die Gegenseite dies nicht tut", sagte Ruhani am Mittwoch bei einer Kabinettssitzung in Teheran.

Der Iran habe nach dem Ausstieg der USA ein Jahr geduldig gewartet, aber die anderen fünf Vertragspartner konnten den Deal nicht vertragsgerecht umsetzen. Daher habe er in einem Schreiben seine Kollegen in China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Russland über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt.

Ruhani: "Eine chirurgische Operation ist nötig"

"Wir sind nicht aus dem Atomdeal ausgestiegen, sondern machen von unserem legitimen Recht Gebrauch, einem Vertragsbruch zu entgegnen", sagte Ruhani. Der Iran könne nicht einseitig ein Abkommen umsetzen und alle Kosten alleine übernehmen. "Nach dem Ausstieg der USA haben die anderen fünf Vertragspartner versucht, den Deal mit Medikamenten am Leben zu halten, aber wir glauben, dass eine chirurgische Operation nötig ist."

In der ersten Phase des Teilausstiegs will Teheran sich nach Ruhanis Worten nicht mehr an die Abmachung halten, nur 300 Kilogramm Uran zu behalten und den Rest in ein Drittland zu schicken oder zu verkaufen. Auch die Beschränkungen für die Produkte aus dem Schwerwasserreaktor Arak sollen nicht mehr gelten.

Teheran werde seine Verpflichtungen wieder einhalten, falls die Vertragspartner binnen zwei Monaten die Bank- und Ölsanktionen gegen den Iran wieder aufheben, sagte Ruhani. Sollte dies nicht passieren, werde der Iran in der nächsten Phase nach 60 Tagen auch die Beschränkung der Urananreicherung auf einen Grad von 3,5 überdenken und Uran unbegrenzt anreichern.

Nach dem Fastenbrechen am Abend wollte Ruhani in einem Interview des Staatssenders IRIB die Entscheidung weiter erläutern.

Die Entscheidung des Iran fiel wenige Tage, nachdem der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, angekündigt hat, dass die Amerikaner als militärische Warnung an den Iran den Flugzeugträger "USS Abraham Lincoln" und eine Bomberstaffel in Richtung Iran verlegen. Den genauen Ort der Stationierung liess er offen.

Datum der Entscheidung wohl nicht zufällig

Ausserdem fällt der Schritt mit dem Jahrestag des Ausstiegs der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran zusammen. Die USA hatten den Vertrag am 8. Mai 2018 einseitig aufgekündigt und die Sanktionen gegen den Iran schrittweise wieder eingeführt.

Das internationale Wiener Atomabkommen wurde im Juli 2015 geschlossen. Die Vereinbarung soll es dem Iran mit strengen internationalen Kontrollen unmöglich machen, Atomwaffen zu entwickeln. Im Gegenzug stellten die Vertragspartner, vor allem die USA, einen Abbau von Sanktionen und eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht.

Nach IAEA-Angaben hat sich der Iran seit Januar 2016 an die Vereinbarungen gehalten und es wurden keine Verstösse gegen die Auflagen festgestellt. Die USA traten Anfang Mai 2018 unter Präsident Donald Trump einseitig aus dem internationalen Abkommen aus.

Die EU-Staaten, China und Russland halten an den Atomvereinbarungen fest. Über die Zweckgesellschaft Instex wollen die Europäer die US-Wirtschaftssanktionen aushebeln und den Handel mit dem Iran weiterhin ermöglichen. Die Instex-Initiative war jedoch bis jetzt weniger erfolgreich, weil besonders die Grossbanken aus Angst vor US-Strafen keine Handelsprojekte mit dem Iran finanzieren wollen.


  © AFP

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