Der Iran soll den Islamischen Staat im Irak bombardiert haben – die Meldung bestätigt, was Beobachter schon lange vermuten. Denn für Teheran steht viel auf dem Spiel: Sicherheit, Wirtschaft und die Atomgespräche mit dem Westen.

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Kampfjets vom Typ F-4 Phantom sollen es gewesen sein, unterwegs im Osten des Irak in der Provinz Dijala. Ihr Angriffsziel: Stellungen des Islamischen Staats (IS). Was nach Alltag im Kampf gegen die Terrormiliz klingt, hat allerdings eine brisante Fussnote. Denn die Flugzeuge – zu sehen in einer Aufnahme des Fernsehsenders Al-Dschasira – sollen keinem Geringeren als dem Iran gehören. "In den vergangenen Tagen" habe Teheran Ziele im Irak bombardiert, bestätigte Pentagon-Sprecher John Kirby.

Bisher ist wenig bekannt über Irans Vorgehen gegen den IS. Es sind vor allem die USA, die seit Wochen Luftangriffe gegen IS-Ziele fliegen. Wenn nun auch der Iran die Terrormiliz direkt aus der Luft angriffe, wäre das eine neue Dimension des Konflikts.

Doch Irans Aussenamtssprecherin Marsieh Afcham blieb einem Bericht der dpa zufolge vage: Kirbys Aussagen seien "nicht genau, daher auch nicht korrekt", kommentierte sie, später dementierte ein anonymer Regierungsvertreter die Angriffe. "Die iranische Strategie hat sich nicht geändert", sagte Afcham. Wie aber sieht diese Strategie aus?

Der Iran will einen stabilen Irak

Hauptziel des Iran ist es, noch mehr Chaos im Irak zu verhindern. "Teheran möchte einen stabilen Irak mit einer Iran-freundlichen Regierung", sagt Florian Wätzel vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK). Dabei geht es vor allem um Sicherheitspolitik und die Wirtschaft.

Denn der Irak ist nicht nur ein wichtiger Handelspartner des Iran. Mit mehr als 60 Prozent Schiiten bildet er auch einen Puffer des schiitischen Irans gegen die sunnitischen Staaten der Region. Es ist kein Geheimnis, dass Iran und Saudi Arabien seit Jahren um die Vorherrschaft im Nahen Osten ringen. Ein instabiler Irak als Nachbar würde die Position gegenüber dem Rivalen und anderen sunnitischen Ländern kaum stärken. Und auch der Islamische Staat selbst ist ein sunnitisches Gebilde und schreckt nicht davor zurück, andere Muslime zu töten.

Wätzel sieht jedoch noch ein weiteres Motiv: die Atomgespräche mit dem Westen. "Der Iran versucht international Sympathien zu gewinnen, um diese in den Verhandlungen zu nutzen", erklärt der Politikwissenschaftler. Die Bedingungen dafür sind günstig wie nie, denn mit dem Kampf gegen den IS könnten sich Iran und der Westen ausnahmsweise auf ein gemeinsames Ziel einigen.

Iran dürfte schon länger aktiv gegen den IS kämpfen

Aus diesen Gründen sind viele Beobachter überzeugt, dass der Iran längst im Irak kämpft – die jüngsten Meldung seien demnach nur der öffentliche Beweis. Bereits im Juli hatten Sicherheitsanalysten irakische Flugzeuge identifiziert, die wohl vom Iran geliefert wurden. Auch Drohnen und andere militärische Güter sollen aus dem Nachbarland kommen. Im September berichtete ein irakischer Offizier der BBC, dass iranische Truppen neben Kurden und schiitischen Milizen im Irak kämpften. "Sie sind für schwere Waffen wie Artillerie verantwortlich. Es ist eindeutig, dass die Waffen aus dem Iran stammen", sagte der Mann dem Fernsehsender.

Offiziell schweigt der Iran zu seinem Engagement im Irak. Teheran bestätigt nur,
General Kassim Soleimani nach Bagdad geschickt zu haben. Soleimani ist Chef der Kuds-Einheiten, einer Elitetruppe der iranischen Revolutionsgarden, zuständig für Auslandseinsätze. Wie schon früher soll der General die schiitischen Milizen im Irak aufbauen und damit den Widerstand stärken – zuletzt tat er das in Syrien für den Diktator Baschar al-Assad.

Offiziell arbeiten USA und Iran nicht zusammen

Auch die USA wollen irakische Soldaten trainieren. Wäre da eine Zusammenarbeit nicht logisch? Öffentlich haben beide Staaten jegliche Kooperation von sich gewiesen. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass sie sich längst im Geheimen verständigt haben. Vor gut einer Woche verhandelten beide tagelang über das iranische Atomprogramm – Zeit genug, um auch über andere Themen zu sprechen. Im Oktober soll US-Präsident Barack Obama ausserdem einen Brief an Irans Führer Ayatollah Ali Khamenei geschrieben haben, in dem er auf gemeinsame Interessen im Kampf gegen den IS hinwies.

Für den Irak gilt das ohnehin. Wer Bodentruppen im eigenen Land duldet, dürfte auch möglichen Luftangriffen des Iran ohne Zögern zustimmen und den Kampfjets Überflugrechte gewähren. Im Kampf gegen den IS ist jedes Mittel recht.

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