Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht? Der neue Innenminister Horst Seehofer hat dazu eine andere Meinung als Kanzlerin Angela Merkel. Seehofer entfacht damit eine Debatte neu, die einst nach einer Rede von Christian Wulff entstand. Wulffs Ursprungsaussage traf zuvor allerdings ein anderer Minister.
Horst Seehofer hat bei einem seit Jahren viel diskutierten Thema für neuen Zündstoff gesorgt. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", sagte der neue Bundesinnenminister in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, das am Freitag erschienen ist.
Angela Merkel distanzierte sich deutlich von der Aussage Seehofers. Deutschland sei zwar stark vom Christentum geprägt, aber inzwischen lebten auch vier Millionen Muslime in Deutschland, sagte die CDU-Chefin. "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."
Man wolle einen Islam, der auf der Grundlage des Grundgesetzes basiert. "Wir müssen alles tun, um das Zusammenleben gut zu gestalten zwischen den Religionen", so Merkel weiter.
Seit Jahren wird in Deutschland darüber debattiert, ob der Islam zu diesem Land gehöre oder nicht. Eine besonders hitzige Diskussion entstand, als im Jahr 2010
Insbesondere in der Union hatte dieser letzte Satz heftige Reaktionen ausgelöst. CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich sagte dazu beispielsweise: "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgendwo belegen lässt." Auch CDU-Politiker
Afghanischer Medienmanager teilte Wulff seine Ängste mit
Dass Wulff diesen Satz aussprach, lag auch an Walid Nakschbandi, der aus Afghanistan stammt. Der Medienmanager hatte einem "Stern"-Journalisten wenige Wochen zuvor erzählt, dass ihn die durch Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" entfachte Debatte belaste und er Deutschland womöglich verlassen wolle.
Nach langem Hin und Her und einem Telefongespräch mit Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker verfasste Nakschbandi einen drei Seiten langen Brief, in dem unter anderem geschrieben stand, dass er sich die "Stimme eines ernsthaften Mahners und Versöhners" wünsche. Diese Rolle nahm Wulff in seiner Rede ein.
Innerhalb der Union war der Diskussionsbedarf nach Wulffs Rede gross. Fraktionschef Volker Kauder sagte, dass diese "erklärender Interpretation" bedürfe.
Die Kanzlerin äusserte sich zunächst ausweichend: "Ich glaube, dass der Bundespräsident auf etwas hingewiesen hat, was aus meiner Sicht sehr wichtig ist: erstens, dass Deutschland durch die christlichen Wurzeln, durch die jüdischen Wurzeln geprägt ist, dass das unsere Geschichte ausmacht und, dass wir inzwischen natürlich Muslime in Deutschland haben."
Ähnlich formulierte es
Markus Söder, am Freitag zum neuen Ministerpräsidenten Bayerns gewählt, überraschte im Mai 2012 bei einer Rede in Nürnberg mit den Worten: "Der Islam ist ein Bestandteil Bayerns."
Merkel wiederholt Satz mehrmals
Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte im Januar 2015 im ARD-"Bericht aus Berlin": "Was die Rolle des Islam angeht, so müssen wir darauf bestehen, dass Religionen versöhnen und nicht spalten, dass Religionsfreiheit Rücksichtnahme heisst - und dann gehören die Muslime und auch der Islam zu Deutschland."
Ähnliche Worte fand der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in einem Interview mit der "Welt" im Februar 2015. "Der Islam gehört inzwischen zu den Religionen, die in Deutschland erhebliche Verbreitung finden."
Bei einem Besuch des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davotoglu in Berlin im Januar 2015 griff auch
Auch in ihrer "Wir schaffen das"-Rede im August 2015 wiederholte Merkel den Satz ausdrücklich.
Was oft übersehen wird: Es ist gar nicht Christian Wulff, auf den der Satz ursprünglich zurückgeht. Bereits im Jahr 2006 wählte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble ähnliche Worte, um die Islam-Konferenz zu eröffnen. "Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas", sagte Schäuble damals.
Ein Aufschrei blieb - anders als im Fall Wulff - allerdings aus. Sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft.
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