Seit Monaten erobert die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) immer mehr Gebiete. Auch die Luftschläge der Amerikaner scheinen sie kaum aufzuhalten. Was macht die Islamisten so stark?

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In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, wie mächtig der Islamische Staat geworden ist: Seit mehr als einem Monat setzt er die Kurden in Kobane mit immer neuen Vorstössen unter Druck. Auch im Irak rückt er weiter vor, trotz der mehr als 600 Angriffe, die die USA bislang gegen den IS geflogen sind. Die Macht der Islamisten stützt sich dabei auf zwei Säulen: eine extrem gute Ausstattung und eine clevere Strategie.

Zum einen ist der IS militärisch, finanziell und personell so gut versorgt wie keine Terrorgruppe zuvor. Die Terrormiliz verfügt über ein umfangreiches Waffenlager, gefüllt mit teilweise hochmodernem Kriegsgerät, das der IS in Kämpfen erbeutet oder über den Schwarzmarkt erworben hat. Hinzu kommt ein dickes finanzielle Polster: Bis zu zwei Milliarden Euro soll dem IS laut Experten-Schätzungen zur Verfügung stehen. Das Geld kommt aus unterschiedlichen Quellen: Ölgeschäfte, Plünderungen, Lösegeld, Spenden von Sympathisanten.

IS gehören etwa 15.000 Kämpfer an

Schliesslich scheint IS einen wachsenden Kreis an Kämpfern und Unterstützern zu haben. Die Bundesregierung geht laut Medienberichten von etwa 15.000 Kämpfern aus, der amerikanische Geheimdienst CIA schätzt die Zahl sogar auf bis zu 31.500 Islamisten. Viele Anhänger sehen in ihnen eine Alternative zu den Regierungen, die wie in Syrien nicht mehr in allen Gebieten die staatliche Ordnung aufrechterhalten konnten oder die wie im Irak Teile ihrer Bevölkerung diskriminierten. Darüber hinaus versteht es der Islamische Staat, durch gezielte Propaganda junge Menschen weltweit anzusprechen.

Hier zeigt sich, dass die Terrororganisation auch strategisch clever vorgeht. Im Internet verbreiten sie professionell gemachte Videos, die an Musikclips oder Videospiele erinnern. So schaffen sie es auch im Westen "eine besondere Anziehungskraft" zu entwickeln, wie es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei heisst. Die militärischen Erfolge, die gute Ausstattung mit Waffen und Geld sowie "das Prestige eines angeblich existenten Islamischen Staats" seien demnach für "die Attraktivität des IS" verantwortlich.

"Die Bevölkerung ideologisieren und neue Kämpfer rekrutieren."

Auch auf dem Schlachtfeld geht die Terrormiliz strategisch vor. Sie ist in der Lage, ihre Taktik anzupassen. So verwendet der IS laut Beobachtern zunehmend Motorräder und legt kleinere Waffendepots an, um Luftschlägen zu entgehen. Zudem riskieren die Islamisten kaum Niederlagen, sondern ziehen sich eher zurück, um an anderer Stelle umso stärker auftreten zu können, sagt Curti Covi, Terrorismus-Experte am Kieler Institut für Sicherheitspolitik.

Wenn sie die Kontrolle über ein Gebiet erlangt haben, zeigen sie auch hier Anpassungsfähigkeit: Als der IS im eroberten syrischen Raqqa nicht in der Lage war, die gesamte Zivilverwaltung zu übernehmen, liess er die Administration weitgehend im Amt und beanspruchte nur die Bereiche Erziehung und öffentliche Ordnung für sich, berichtet eine Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik. So konnte er sich "darauf konzentrieren, die Bevölkerung zu ideologisieren, neue Kämpfer zu rekrutieren und weitere Landesteile zu erobern."

Zu brutal für Al Kaida

Diese Punkte machen den Islamischen Staat zu einem mächtigen Gegner, der offenbar selbst der Terrororganisation Al Kaida nicht mehr geheuer erscheint. Wegen des brutalen Vorgehens des IS und Führungsstreitigkeiten soll es zu einem Zerwürfnis zwischen den beiden Gruppen gekommen sein. Es geht wohl auch darum, wer mehr Einfluss gewinnen kann. Denn die Ambitionen des IS beschränken sich nicht auf Syrien und den Irak. Unter anderem im Libanon sind sie ebenfalls bereits aktiv geworden, eine Expansion nach Jordanien ist laut einem Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung möglich.

Und nicht nur das: "Veröffentlichungen des IS belegen einen grenzüberschreitenden Herrschaftsanspruch, der mittels Gewalt durchgesetzt werden soll", heisst es in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken. Dieser richte sich auch "gegen die staatliche Integrität der Bundesrepublik Deutschland." Das zeige unter anderem eine vom IS verbreitete Weltkarte, auf der Afrika, Asien und Europa vom Kennzeichen des Islamischen Staats bedeckt seien. Darunter stehe das englische Wort "soon" – "bald".

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