Ein US-Geheimdienstbericht schätzt die Stärke der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak auf 19.000 bis 25.000 Kämpfer. Binnen zwei Jahren habe der IS rund ein Fünftel seiner Kämpfer verloren, so das Weisse Haus. Allerdings hat die Miliz starken Zulauf in Libyen. Wie also sind die Zahlen zu bewerten?
Die Luftangriffe der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition und Russlands sowie die syrische Bodenoffensive zeigen offenbar Wirkung.
Einem vom US-Präsidialamt veröffentlichten Bericht zufolge, der auf Geheimdienstinformationen beruht, gibt es im Irak und in Syrien derzeit 19.000 bis 25.000 IS-Kämpfer.
Vor zwei Jahren lagen die Schätzungen bei bis zu 31.000. Der sogenannte "Islamische Staat" habe "erhebliche Verluste" erlitten, sagte der Sprecher des Weissen Hauses, Josh Earnest.
Diese Einschätzung teilt auch der Nahost-Experte Günter Meyer. Der IS habe den Höhepunkt seiner Stärke in Syrien und im Irak überschritten, so der Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt (ZEFAW) der Johannes-Gutenberg Universität Mainz im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Terrormiliz habe dort schwere Verluste an Kämpfern und Gebieten erlitten und eine Umkehrung dieses Trends sei nicht zu erwarten.
Bis zu 5.000 IS-Kämpfer in Libyen
Die Schätzungen, wie hoch die Gebietsverluste des IS in den vergangenen Monaten waren, differieren: Sie liegen zwischen 14 und 40 Prozent.
Klar ist jedoch, dass die Organisation im vergangenen Jahr einige strategisch und logistisch wichtige Städte im Irak verloren hat, etwa Sindschar, Tikrit und vor einigen Wochen auch Ramadi.
Die jetzt von den USA veröffentlichten Zahlen zur Stärke des IS in Syrien und im Irak hält Günter Meyer für realistisch. Allerdings müsse man beachten, dass es eine Verlagerung von Kämpfern nach Libyen gegeben habe.
"Bis zu 5.000 IS-Kämpfer sind mittlerweile dort, unter ihnen sollen auch etliche ursprünglich von der Terrororganisation Boko Haram rekrutierte Jugendliche sein", sagt Meyer.
Zudem wanderten Führungskräfte des IS seit einiger Zeit aus Syrien und dem Irak systematisch nach Libyen ab, weil die dortigen Gegner relativ schwach seien und damit eine rasche Ausbreitung des IS möglich wäre.
Die Gründe für den Rückgang der Zahl an IS-Kämpfern im Irak und in Syrien sind aus Sicht der US-Regierung vor allem folgende: Verluste auf dem Schlachtfeld, Fahnenflucht, interne "disziplinarische Massnahmen" und mehr Hindernisse für ausländische Kämpfer bei der Einreise nach Syrien.
Aus Günter Meyers Sicht sind die Luftangriffe der von den USA geführten Anti-IS-Koalition der wichtigste Grund für die Dezimierung des IS.
1.000 tote IS-Kämpfer im Monat
Das Bündnis hat seit September 2014 rund 9.000 Luftangriffe geflogen und nach Angaben des Pentagon rund 1.000 IS-Kämpfer pro Monat getötet, bei angeblich nur sechs getöteten Zivilisten.
"Diese Zahlen sind mit Sicherheit über- beziehungsweise untertrieben", sagt Meyer. Allerdings habe der IS in den vergangenen Monaten "eindeutig eine ganze Reihe von Niederlagen erlitten" - auch durch die Luftangriffe Russlands, das die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad unterstützt und damit mal direkt, mal indirekt ebenfalls den IS bekämpft.
Darüber hinaus, so Meyer, habe der Nachschub an IS-Kämpfern nach Syrien und in den Irak abgenommen, weil die Türkei an der Grenze stärker kontrolliere.
Dass die Zahl der Fahnenflüchtigen und Hinrichtungen von IS-Kämpfern, die gegen Regeln verstossen haben, grossen Einfluss auf die Stärke des IS hat, glaubt der Nahost-Experte indes nicht:
"Darüber gibt es immer wieder Berichte. Die Zahl solcher Fälle ist jedoch relativ gering und dürfte kaum Hundert übersteigen."
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