Der sogenannte "Islamische Staat" soll für das Attentat von Istanbul verantwortlich sein und bekennt sich zum Terror in Jakarta. Experten warnen: Wird der IS militärisch besiegt, ist das noch nicht das Ende des Terrors. Warum das so ist und was wirklich geschehen muss.

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Reicht das? - Nach dem Anschlag von Istanbul mit deutschen Todesopfern erklärt Bundesinnenminister Thomas de Maizière und die türkische Regierung den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) als gemeinsamen Feind, bevor tatsächlich gesichert ist, dass dieser wirklich der Urheber ist.

Seit Wochen fliegt eine Allianz aus Amerikanern, Franzosen und Partnern verstärkt Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz. Auch Russland bombt aus der Luft - gegen Rebellen und auch gegen den IS.

Experten sind sich aber einig: Wäre der "Islamische Staat" eines Tages militärisch besiegt, wäre das längst nicht das Ende des Terrors.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Nahost- und IS-Experte Dr. Udo Steinbach darüber, was wirklich passieren muss, um den militanten Islamismus zu besiegen.

Herr Steinbach, wäre der IS besiegt, wäre das nicht das Ende des Terrors, richtig?
Dr. Udo Steinbach: Nein, wäre es nicht. Der IS ist ein Dorn im Fleisch der internationalen Gemeinschaft und der Humanität. Den muss man bekämpfen, das kann nur militärisch sein.

Man bombardiert den IS, was aber wichtiger ist, man beginnt die lokalen Kräfte gegen ihn einzusetzen. Der letzte Erfolg war die Rückeroberung von Ramadi durch irakische Truppen. Das ist aber nicht ausreichend.

Warum?
Das eigentliche Problem, das gelöst werden muss, ist die Frage nach einer legitimen Regierung in Damaskus, was nach dem Regime Assad dort passiert.

Bevor das nicht geklärt ist, wird man den "Islamischen Staat" zwar als Struktur auflösen können, aber die Leute werden sich verflüchtigen, neu organisieren, sich einen neuen Namen geben.

Das Phänomen des militanten Islamismus, der zu terroristischen Methoden greift, ist mit der Vernichtung des IS alleine nicht gelöst.

Das ist erst gelöst, wenn in Syrien wieder eine Regierung da ist, die staatsfreie Räume ordnet.

Ist es von der Politik deshalb falsch, einzig den IS als Feind und nicht die Ursachen islamistischen Terrors zu benennen?
Gegenüber der Öffentlichkeit muss man natürlich sagen, dass die Unholde des IS verantwortlich für terroristische Akte sind.

Aber die Kanzlerin, der Bundesinnenminister, die Verteidigungsministerin müssen auch erklären, dass es mehr braucht, um die Ursachen des Terrors zu bekämpfen. Die Hauptursache sind staatsfreie Räume in Syrien, in die der IS 2013 und 2014 expandierte.

Sprechen wir einzige vom syrischen Damaskus oder auch vom irakischen Bagdad?
In Bagdad ist eine gewählte Regierung da, die jetzt dabei ist, frühere Fehler zu korrigieren. Der grösste Fehler war, die Herrschaft auf eine bestimmte Religion zu stützen.

Das hat Ministerpräsident Haider al-Abadi gelernt. Und er verbessert die Qualität der Armee. Das sind die Unterschiede zu Syrien. In Damaskus ist es viel radikaler.

Hier haben wir keine Regierung mehr, sondern eine, die ihre eigene Bevölkerung bekämpft und aushungern lässt.

Dient Bagdad deshalb als Vorbild?
Man braucht zumindest eine legitim gewählte Regierung. Die muss dann unterstützt werden. Das macht die deutsche Politik in Bagdad zum Beispiel richtig, indem sie die irakische Armee über deren Regierung aus Deutschland heraus unterstützt.

Was aber sind konkrete Massnahmen, um dem islamistischen Terror seinen Nährboden zu entziehen?
Das ist ein sehr langer Weg. Auch in Syrien wäre mit einer Regierung nicht unmittelbar der Nährboden abgegraben.

Die lokalen Organisationen wie die Rebellen müssen zusammengebracht werden, wie auch immer. Das ist eine Riesenanstrengung, aber es ist machbar.

Und wenn auf politische Stabilität wirtschaftliche Stabilität folgt, hat der islamistische Terror keinen Reiz mehr?
Das ist meine These. Der militante Islamismus ist selbst ideologisch ein tiefer Ausdruck der sozialen und wirtschaftlichen Krise im arabischen Raum und darüber hinaus.

Das sehen wir im Nahen Osten, aber etwa auch im nordafrikanischen Libyen. Militante Islamisten kommen dahin, wo Krisen sind, wo Menschen gesellschaftlich und wirtschaftlich verunsichert sind.

Der Terror sitzt bei seinen Anhängern aber auch im Kopf, sie handeln aus Überzeugung. Und das verschwindet dadurch einfach wieder?
Ja. In genannten Krisenländern weisen militante Islamisten mit ihrer Ideologie einen Weg und rekrutieren Menschen darüber.

Es braucht deshalb eine umfassende Entwicklungshilfe und Unterstützung der Menschen in diesen Regionen, die ja auch in stabilen Ordnungen leben wollen.

Ist Tunesien das Musterbeispiel für diesen Weg?
Tunesien ist ein Leuchtturm. Die Tunesier haben erkannt, dass das Herumspielen mit dem Islamismus, selbst wenn sich dieser auf Parteien gründet, ein Weg in die Sackgasse ist.

Das haben sie spätestens 2014 gemerkt, sich zusammengesetzt und zurecht den Friedensnobelpreis 2015 erhalten. Dieser mutige Schritt muss jetzt unterstützt werden, materiell, wirtschaftlich, die Sicherheitskräfte vor Ort.

Jetzt geht es darum, die Wirtschaft anzukurbeln. Immer noch weichen Tausende etwa nach Algerien aus und werden dort radikalisiert.

Fassen wir zusammen: Was muss passieren, um den islamistischen Terror zu beenden und ist das überhaupt möglich?
Es ist möglich. Der Terror ist ja auch entstanden. Es ist kein Phänomen, das die Region seit Jahrhunderten heimsucht.

Wofür wir Symptome benennen können, kann auch wieder weggehen. Wir müssen auf der einen Seite militärisch handeln, dabei aber nicht herumdrucksen und immer nur aus der Luft bombardieren.

Und zweitens muss man eine umfassende entwicklungspolitische Zusammenarbeit schaffen, den Menschen das Gefühl geben, hier haben wir wieder funktionierende Ordnungen, in denen es sich zu leben lohnt.

Dr. Udo Steinbach, Jahrgang 1943, ist Doktor der Islamkunde. 1975 leitete der Wissenschaftler die Redaktion der Deutschen Welle in der Türkei, zwischen 1976 und 2006 war er Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg und bis Januar 2008 Direktor des GIGA-Instituts für Nahoststudien, ebenfalls in Hamburg.

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