Es scheint schlimm zu stehen um Italien. So schlimm, dass sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble offenbar zu einer Aktion hinreissen liess, die auf diplomatischem Parkett als Todsünde gilt: Er soll den Italienern ganz offen von einer Wiederwahl Silvio Berlusconis abgeraten haben, wie das Magazin "l'Espresso" berichtete. Grund dürften die zuletzt guten Umfragewerte des Cavaliere vor den Parlamentswahlen am kommenden Wochenende sein. Ganz Europa zittert vor einer Rückkehr des Bunga-Bunga-Politikers an die Macht.
Eigentlich galt Berlusconi nach seinem sang- und klanglosen Rücktritt im November 2011 politisch als mausetot. Seine zahlreichen Skandale und sein negativer Einfluss auf die Chancen Italiens an den Kapitalmärkten liessen eine erneute Kandidatur völlig aussichtslos erscheinen. Doch weit gefehlt: Anfang Dezember 2012 verkündete Berlusconi, erneut antreten zu wollen. Und obwohl alleine diese Ankündigung zu einer sofortigen Abstrafung Italiens an den Märkten führte, stiegen die Umfragewerte für Berlusconi zuletzt immer weiter an. Eine Rückkehr an die Macht erscheint möglich - sein Rückstand auf das Mitte-Links-Bündnis um Pier Luigi Bersani lag in der letzten Umfrage nur noch bei fünf Prozentpunkten. Doch warum fallen die Italiener immer wieder auf den Mann herein, der so viel Spott über ihr Land gebracht und Italien an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geführt hat?
Berlusconi will die Italiener bestechen
Berlusconi verspricht extreme Steuererleichterungen sowie Amnestien für Steuersünder und Schwarzbauer - eine Methode, die ihn in der Vergangenheit schon mehr als einmal ins Amt des Ministerpräsidenten gehievt hatte. Mario Monti bringt die Verführungsstrategie des Cavaliere auf den Punkt: Berlusconi versuche, "die Stimmen der Italiener mit dem Geld zu kaufen, das den Italienern gehört".
Bizzarstes Wahlgeschenk soll dabei eine vollständige Erstattung der von den Italienern im Jahr 2012 gezahlten Grundsteuer sein - auszahlbar binnen eines Monat nach einem Wahlsieg Berlusconis. Alleine diese Massnahme würde den italienischen Staat rund vier Milliarden Euro kosten.
Die in Italien weit verbreitete Steuerhinterziehung einzudämmen war eines der grossen Projekte der Technokratenregierung um Mario Monti - doch auch hier will sich der Cavaliere grosszügig zeigen und verspricht eine grosszügige Amnestie für Steuersünder. Eine Regelung, von der er auch selbst profitieren könnte: Schliesslich ist Berlusconi weiterhin der Steuerhinterziehung angeklagt - sein Prozess ruht jedoch während des Wahlkampfes. Nach Meinung von Experten werden jedes Jahr in Italien rund 120 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen.
Auch die Besitzer der in Italien nicht gerade seltenen Schwarzbauten sollen sich kein Sorgen mehr machen müssen: Auch hier plant Berlusconi eine vollständige Amnestie. Darüber hinaus will er die regionale Gewerbesteuer abschaffen und einen Zuschuss zum Schulgeld zahlen. Schön für kleine Unternehmen und die junge Generation - doch auch diese Massnahmen würden Milliardenlöcher in den Haushalt reissen.
Alle Massnahmen zusammen würden Rom rund 40 Milliarden Euro im Jahr kosten, schätzt die Zeitung "La Repubblica". Die Staatsschulden Italiens würden erneut explodieren und die Spekulationen gegen das Land neu entfachen. Europa hätte die gerade erst eingedämmte Euro-Krise mit voller Wucht zurück.
Es liegt also an den Italienern selbst, einen Rückfall in die alten Berlusconi-Zeiten und damit wohl auch eine neue Krise des Euro zu verhindern. Erliegen sie den Verführungskünsten des Cavaliere oder stellen sie das Wohlergehen ihrer Nation und vielleicht Europas über die Verlockungen des kurzfristigen finanziellen Profits? Die Wahlen am Wochenende werden so auch zu einem Charaktertest für ein ganzes Volk.
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