Während ihr Vater in der Vergangenheit Minderheiten, Ausländer und Frauen beleidigt hat, geht Ivanka Trump in die Charme-Offensive. Beim Frauen-Gipfel in Berlin bewies die 35-jährige Präsidenten-Beraterin, dass sie auf internationalem Parkett bestehen kann. Ein Politologe erklärt die Rolle der Trump-Tochter für die deutsche Regierung und warum sie eigentlich gar nicht für ihren Vater arbeiten dürfte.

Ein Interview

Herr Jäger, hat Ivanka Trump das Format zur Vermittlerin zwischen Deutschland und den USA?

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Thomas Jäger: Wenn man die deutsch-amerikanischen Beziehungen betrachtet, sind das sehr etablierte Beziehungen, etwa zwischen Ministerien oder in internationalen Organisationen. Woran es in den letzten Wochen gehapert hat, ist der Zugang in den innersten Zirkel im Weissen Haus. Beim Aufbau dieser Kontakte kann Ivanka Trump aus zwei Gründen eine wichtige Rolle spielen.

Welche Gründe sehen Sie?

Sie wird diejenige sein, die ihren Vater die vollen vier Jahre berät. Alle anderen können entlassen werden, aber Trump wird niemanden aus der Familie austauschen. Ausserdem hat der Präsident grosses Vertrauen in seine Tochter und kann von ihr unbedingte Loyalität erwarten. Daher muss man Ivanka Trump beim Aufbau der Beziehungen zum Weissen Haus in den Blick nehmen.

Ist die Präsidenten-Tochter aus Sicht von Angela Merkel, die sie indirekt nach Berlin eingeladen hat, ein Mittel zum Zweck?

So würde ich das nicht sagen. Es geht Merkel darum, die eigenen Interessen zu verwirklichen, Beziehungen aufzubauen und vielleicht sogar eine gemeinsame Linie zu finden.

Ist Ivanka Trumps Engagement für Frauen, Umwelt, Homosexuelle oder religiöse Toleranz glaubwürdig? Oder ist es eher PR für ihren Vater?

Sicher beides. Ivanka Trump übernimmt in ihrer öffentlichen Rolle den Teil, den ihr Vater nicht glaubwürdig vermitteln kann. Sie ist die Tolerantere und baut ihr Image damit auf – international und in den USA.

Wie hoch ist ihr politisches Interesse eigentlich einzuschätzen?

Bisher war sie vorwiegend als Unternehmerin bekannt, zur Fachpolitik hat sich Ivanka Trump nicht geäussert. Die Öffentlichkeit hat sich mit ihrem Schmuck, hat sich mit ihrer Rolle als Mutter und als Trump-Tochter beschäftigt.

Jetzt ist sie plötzlich mit der Bundeskanzlerin oder mit Christine Lagarde, der Direktorin des Internationalen Währungsfonds, zu sehen. Hier wird eine Verwandlung zu einer ernsthaften Person bildlich dokumentiert. Das dürfte Donald Trump gefallen, weil er das auch innenpolitisch nutzen kann.

Ivanka wird quasi ins kalte Wasser geworfen. Was ist, wenn sie der grossen Politik nicht gewachsen ist?

Sie ist nicht mit einer Ausbildung darauf vorbereitet, in Krisen beratend tätig zu werden. Das ist richtig. Allerdings war das unter Barack Obama nicht anders. Auch er hat mit Valerie Jarrett oder Ben Rhodes zwei Berater ohne grosse Vorerfahrung eingestellt, die sich erst in Themen einarbeiten mussten. Das sollte man Frau Trump nun auch zugestehen.

Ivanka Trump hat beim Treffen mit Merkel ihren Schmuck öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt. Es gibt den Vorwurf, dass die Trump-Familie die Politik-Bühne als Werbeplattform missbraucht.

Das hat sie nicht zum ersten Mal gemacht, in den USA kam das überhaupt nicht gut an. Obwohl einige Handelsketten die Produkte aus dem Sortiment verbannt haben, scheint der Umsatz zu steigen.

Das ist ein problematischer Aspekt dieser Präsidentschaft, dass die privaten wirtschaftlichen Interessen der Familie Trump nicht von den politischen Ämtern entkoppelt werden. Bisher hat es allerdings keine rechtlichen Konsequenzen gegeben.

Auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ist als Berater tätig. Warum hievt der US-Präsident Familienangehörige auf hohe Posten?

Trump macht das, weil er sich, anders als bei anderen Personen, ihrer Loyalität sicher sein kann. Auch bei früheren Präsidenten gab es das immer wieder, dass Familienangehörige einen Posten erhalten haben. Valerie Jarrett gehörte als gute Freundin zur Familie Obama und wurde dann Beraterin.

Sind die Familienbande ein Problem?

Eigentlich sind Familienangehörige im Weissen Haus gesetzlich verboten. Aber die Trumps umgehen das, indem sie ohne Gehalt arbeiten.

Problematisch kann es werden, wenn in dem engen Zirkel im Weissen Haus keine offene Informationsaufnahme mehr geschieht, wenn man sich einigelt. Die Gefahr, dass sie sich, wenn es nicht gut läuft, gegen andere Menschen abschotten, ist bei engen Familienangehörigen schon grösser als bei "normalen" Angestellten.

Zur Person: Prof. Dr. Thomas Jäger ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Aussenpolitik an der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in internationalen Beziehungen sowie amerikanischer und deutscher Aussenpolitik.
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