Ein Jahr nach dem klaren Ja der Schweizer zur Abzocker-Initiative ist es ruhig um die Initiative und ihren Gründer Thomas Minder geworden. Doch wer glaubt, dass die Abstimmung nichts bewegt hat, irrt.
Die Zustimmung der Schweizer war eindeutig. Am 3. März 2013, also vor einem Jahr, stimmten die Eidgenossen über die sogenannte Abzocker-Initiative ab. 67,9 Prozent sprachen sich dabei für die Initiative gegen Vorauszahlungen für Manager von Börsenunternehmen aus – die drittgrösste Zustimmung zu einer Volksinitiative in der Geschichte der Schweiz. Besonders triumphal war das Resultat aber, weil die Initiatoren – allen voran Ständerat Thomas Minder – mit deutlich geringeren Finanzmitteln auskommen musste als die Gegner der Initiative – in erster Linie der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.
Experten sehen noch grossen Handlungsbedarf
Aber was hat sich seit dem Votum wirklich geändert? Geht es nach den Initiatoren, lautet die Antwort: herzlich wenig. Unterstützung in dieser Annahme erhalten sie von der Anlagestiftung Ethos. Dort kritisiert man die Umsetzung der Initiative harsch. Die Mehrheit der Unternehmen wolle die Aktionäre nach wie vor im Voraus über die gesamte Vergütungssumme für die Unternehmensbosse abstimmen lassen. Es gebe also keine Trennung zwischen fixen und variablen Lohnanteilen.
Für Ethos-Chef Dominique Biedermann ist dieser Umstand "nach wie vor inakzeptabel". "Die Unternehmen sind nicht bereit, im Voraus transparent die Bonuskriterien und die Ziele zu kommunizieren, die ihre Manager erreichen müssen", sagte Biedermann der "Neuen Luzerner Zeitung". Dabei ist sich Biedermann mit Initiator Thomas Minder einig: Die Aktionäre sollten nur rückwirkend über eventuelle Bonuszahlungen abstimmen dürfen und nicht vorab. "Denn nur dann weiss man, wie das Geschäftsjahr verlaufen ist", so Biedermann. Alles andere käme einem Blankocheck gleich.
Ethos schlägt eine Abstimmung in zwei Teilen vor. Die Aktionäre sollen im Voraus über das Grundsalär und die langfristigen Beteiligungspläne abstimmen können und im Nachhinein über den Jahresbonus. Als Beispiel nennt Biedermann das Unternehmen Roche. Dort werde schon im Nachhinein über die Boni abgestimmt. Beim direkten Marktkonkurrent Novartis haben im Februar 2014 erstmals Aktionäre bei einer Generalversammlung über die Gehälter in der Führungsetage abgestimmt - das Recht dazu erhielten sie durch die Abzocker-Initiative. "Das zeigt, dass dies möglich ist", findet Biedermann. Dennoch: Die Umsetzung der Volksinitiative lässt in grossen wirtschaftlichen Bereichen noch zu wünschen übrig. Die Kritiker sind sich einig: Es herrscht noch Handlungsbedarf.
Und Thomas Minder? Um den Vater der Abzocker-Initiative ist es fast genauso ruhig geworden wie um sein Projekt. Zwar engagiert sich der Ständerat nach wie vor gerade in wirtschaftspolitischen Fragen. Bei der Abstimmung um die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" im Februar sprach er sich – wie viele andere - für die Annahme aus. Kurios: Als eigentlich ausgewiesen europakritischer Politiker fand Minder kürzlich trotzdem den Weg zurück ins politische Rampenlicht: Das Magazin "Reader's Digest" kürte ihn Anfang Jahr zum "Europäer des Jahres". Der Grund: Sein Engagement gegen die "Abzocker".
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