- Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat mit einer neuen Personalie für Aufsehen gesorgt. Die Ex-Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wird Sonderbeauftragte für Internationale Klimapolitik.
- Baerbock lobte die Amerikanerin bereits in den höchsten Tönen, sprach von einer "Traumbesetzung".
- In der Opposition sorgt die Berufung für harsche Kritik – und das nicht nur, weil Morgan keine deutsche Staatsbürgerschaft hat.
"Eine exzellente Wahl" titelt die "TAZ", "Ein grüner Coup" meint die "Süddeutsche Zeitung", "Eine Aktivistin im Staatsdienst" kritisiert hingegen die "FAZ". Eins ist
Zunächst als "Sonderbeauftragte für Internationale Klimapolitik" soll Morgan nach erfolgreicher Einbürgerung Baerbock als Staatssekretärin zur Hand gehen. Denn obwohl die 55-Jährige seit 2003 in Berlin lebt und beinahe akzentfreies Deutsch spricht, hat sie noch keine deutsche Staatsbürgerschaft – Voraussetzung für einen Posten als Staatssekretärin.
Keine deutsche Staatsbürgerin
"Mein politisches Herz schlägt ganz für Deutschland", versicherte Morgan. Wenn sie für Deutschland spreche, werde sie die Positionen der Bundesregierung vertreten. Aussenministerin Baerbock lobte die 55-Jährige Amerikanerin bereits in den höchsten Tönen: Morgan sei die beste Kandidatin für diesen Job.
"Ich kenne weltweit keine zweite Persönlichkeit mit ihrer Expertise, Vernetzung und Glaubwürdigkeit in der internationalen Klimapolitik", so die Grünen-Politikerin bei der Präsentation der Personalie.
Jahrzehntelange Erfahrung
War bislang das Bundesumweltministerium auch für internationale Klimapolitik zuständig, hatte sich Baerbock den Aufgabenbereich in den Koalitionsverhandlungen für ihr Aussenministerium gesichert. "Jennifer Morgan wird als Steuerfrau unsere Klima-Aussenpolitik lenken, Partnerschaften mit anderen Staaten in der Welt ausbauen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft weltweit führen", kündigte Baerbock an.
Erfahrung hat Morgan jedenfalls eine Menge: Nach ihrem Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Internationalen Beziehungen in den USA arbeitete sie für verschiedene Klima- und Umweltorganisationen, darunter auch für die Natur- und Artenschutzstiftung "WWF".
Posten wurde neu geschaffen
Laut eigenen Angaben hat sie seit 1995 jede internationale Klimakonferenz besucht. Die Materie, zähe Verhandlungen und Konferenzabläufe kennt Morgan, geboren im US-Bundesstaat New Jersey, also bestens. Auch im Beratergremium der Bundesregierung und im Wissenschaftlichen Beirat des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat sie schon gesessen.
Der Posten als Sonderbeauftragte wurde für Morgan extra geschaffen, zuvor gab es ihn in Deutschland nicht. In den USA hat sich Präsident John Biden mit John Kerry allerdings in ähnlicher Form einen "Sondergesandten des Präsidenten für das Klima" an die Seite geholt.
Für Deutschland bei Klimakonferenz
Aufgabe von Morgan wird es nun sein, Klimakonferenzen für das Auswärtige Amt vorzubereiten und Deutschland bei Internationalen Klimakonferenzen zu vertreten. Die nächste Konferenz dieser Art wird Ende November in Ägypten stattfinden.
Gemeinsam mit weiteren Ressorts wird Morgan auch für die Internationale Klimainitiative Deutschlands zuständig sein. Diese ist mit einem Budget von fast sechs Milliarden Euro ausgestattet und kümmert sich vorrangig um Klimaprojekte in Schwellenländern.
Scharfe Kritik aus der Opposition
Die Opposition kritisiert die Personalie derweil scharf und spricht von Lobbyismus. "Es ist bemerkenswert, dass gerade eine grüne Bundesministerin die Grenzen zwischen Staatlichkeit und Lobbyismus so leichtfertig überspringt", sagt beispielsweise der aussenpolitische Sprecher Jürgen Hardt (CDU) im "ARD-Hauptstadtstudio".
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bezeichnete es gegenüber dem "Münchner Merkur" als "selbst für diese Bundesregierung überraschend", dass "jetzt internationale Lobbyisten, egal in welcher Sache, die Führung von Bundesministerien übernehmen sollen".
Gegenwind auch von der FDP
Auch der Parlamentsgeschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Torsten Frei, sagte gegenüber der "Augsburger Allgemeinen": "Eine prominente amerikanische Lobbyistin auf die Schnelle einzubürgern und zu verbeamten, ist ein höchst eigenwilliger Vorgang".
Selbst vom Koalitionspartner kam Gegenwind. Er habe Verständnis dafür, "dass der Wechsel einer Lobbyistin, die in der Vergangenheit mit durchaus radikalen Ansichten in Erscheinung getreten ist, in der Öffentlichkeit auf eine gewisse Verwunderung stösst", gab FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler gegenüber dem "Handelsblatt" zu.
Spektakuläre Aktionen von "Greenpeace"
Erst jüngst hatte Morgan beispielsweise gefordert, die Pandemie zu nutzen, um den "reset button" zu drücken. "Wir haben eine neue Weltordnung nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut", sagte sie beim "World Economic Forum".
Die Umweltorganisation "Greenpeace", der Morgan seit knapp fünf Jahren vorsitzt, ist aber selbst immer wieder mit spektakulären und waghalsigen Aktionen aufgefallen, oft an der Grenze der Legalität. Im Namen des Klimaschutzes blockieren die Aktivisten Häfen und Strassen, besetzen Unternehmen oder erklimmen Gebäude.
Hoffnung auf breite Bündnisse
Mit kleinen Schlauchbooten stellten sich die Umweltschützer immer wieder riesigen Walfangschiffen entgegen. Zuletzt fiel "Greenpeace" auf, als ein Aktivist im vergangenen Jahr während der Fussball-Europameisterschaft per Gleitschirm in die Münchner Allianz-Arena segelte. Die Aktion sollte ein Zeichen gegen den EM-Sponsor "Volkswagen" setzen, es kam aber zu einem lebensgefährlichen Unfall.
Ihre neue Aufgabe finde sie "spektakulär", es sei eben nur eine "andere von Art von spektakulär" als bei Greenpeace, hatte Morgan nach Veröffentlichung ihrer Personalie erklärt. Die Hoffnung von Baerbock dürfte sein, dass es Morgan gelingt, breite Bündnisse zu schmieden – und das mit internationaler Strahlkraft.
Durch ihre jahrzehntelange Erfahrung gilt sie als harte Verhandlerin – oft kompromisslos im Umgang mit der Politik. Ihre Rolle wird Morgan als designierte Staatssekretärin neu finden müssen – und dabei unter genauer Beobachtung stehen.
Verwendete Quellen:
- "FAZ.net": Eine Aktivistin im Staatsdienst. 10.02.2022
- "TAZ.de": Eine exzellente Wahl. 09.02.2022
- "SZ.de": Ein grüner Coup. 09.02.2022
- "World Economic Forum": How the world can ‘reset’ itself after COVID-19 – according to these experts. 03.06.2020
- "Tagesschau.de": Von Greenpeace ins Auswärtige Amt: Klimakampf auf der anderen Seite. 09.02.2022
- "Augsburger Allgemeine.de": Union kritisiert Regierungsjob für Greenpeace-Chefin. 09.02.2022
- "Handelsblatt.com": Von der Aktivistin zur Klimastrategin: So stieg die Greenpeace-Chefin ins Auswärtige Amt auf. 09.02.2022
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