Religion, Sprache und soziales Gefälle: Der Konflikt trug alle Gene in sich, die zu einer Eskalation hätte führen können. Nun stimmt die Gemeinde Moutier ab, ob sie im Kanton Bern bleiben oder zum Jura wechseln will. Es ist der letzte Akt der Jurafrage, die weitgehend friedlich und demokratisch gelöst wurde.

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"Da hatten wir Glück in unserer Schweizer Geschichte." Das sagt Wolf Linder knapp 40 Jahre, nachdem die Schweizer Stimmbürger in einer Volksabstimmung Ja gesagt hatten zur Schaffung eines neuen Kantons Jura.

Das Fazit des ehemaligen Professors für Politikwissenschaft an der Universität Bern rüttelt auf: War die Schweiz, die seit ihrer Gründung 1848 intern nur noch den Frieden kennt, vor der historischen Abstimmung 1978 knapp am Bürgerkriegs-Szenario vorbeigeschrammt?

Religion, Sprache und soziale Linien

Dazu holt der Politikwissenschaftler erst etwas aus: Wie jedes Land ist auch die Schweiz durch Konflikte geprägt.

Die grossen Linien waren oder sind bis in die Gegenwart die Gräben punkto Sprache (deutsch/französisch), Religion (katholisch/reformiert), Stadt und Land sowie Kapital und Arbeit (sozialer Konflikt).

Entscheidend für die Eindämmung und friedliche Bewältigung dieser – und neu aufgetauchter – Konflikte ist laut Linder, dass die trennenden Gräben nicht allesamt parallel verlaufen. Tatsächlich ziehen sich in der Schweiz die Konfliktlinien quer durch die Lager.

Jurakonflikt ist eine Ausnahme

Mit einer Ausnahme: dem Konflikt um die Autonomie des Juras. "Da kämpfte eine arme, katholische und französischsprachige Minderheit für die Loslösung vom Kanton Bern."

Die Jurassier fühlten sich von der deutschsprachigen, reformierten und wirtschaftlich soliden Berner Mehrheit diskriminiert. In den 1960er- und 1970er-Jahren formierten sie sich zu einer starken separatistischen Volksbewegung, deren Losung "Jura Libre" lautete, "Freier Jura".

Lage hätte leicht eskalieren können

Die Jurafrage hätte in jenen Tagen also auch in Akte massiver Gewalt gegen Menschen oder gar ein Blutvergiessen eskalieren können. Dass dies – glücklicherweise, wie Linder explizit sagt – nicht der Fall war, hat weitere Gründe.

Es sind dies die Prinzipien der Moderation und der demokratischen Abstützung. Beides, also Suche nach einer ausgleichenden Lösung am Verhandlungstisch und die Legitimation von Zwischenergebnissen durch Volksabstimmungen, ist grundlegend für das politische System der Schweizer Demokratie.

In Ex-Jugoslawien hatte man weniger Glück

Fehlen diese Mechanismen, kann es zur Katastrophe kommen. Dies zeigt das Beispiel Ex-Jugoslawiens, auf das Wolf Linder verweist.

Dort seien sämtliche Konfliktlinien – wie in der Jurafrage – parallel verlaufen. Als im multi-ethnischen Balkanland noch die ethnischen Trennlinien hochgekocht wurden, fiel das Resultat fürchterlich aus: In den 1990er-Jahren kam es zum blutigen Bürgerkrieg, der schliesslich das Ende Jugoslawiens besiegelte.
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