Die militanten Islamisten gewinnen international Anerkennung. Die EU hat jetzt einen erfahrenen deutschen Spitzendiplomaten zu Gesprächen nach Damaskus geschickt. Zur Zukunft des russischen Militärs in Syrien gibt es offenbar klare Vorstellungen. Moskau reagiert umgehend.

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Die Europäische Union will die Islamisten in Syrien nach den Worten der EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas zu einem Aus für die russischen Militärstützpunkte im Land aufrufen. Viele EU-Aussenminister hätten es am Montag zur Bedingung für Beziehungen zur neuen syrischen Führung gemacht, dass "sie den russischen Einfluss loswird", sagte Kallas nach dem ersten Brüsseler Treffen unter ihrer Leitung. In den Gesprächen auf verschiedenen Ebenen werde dies eine Rolle spielen, sagte sie.

"Wir wollen die Russen raushaben", hatte der niederländische Aussenminister Caspar Veldkamp vor den Brüsseler Beratungen gesagt und damit den Ton gesetzt. Dieser Meinung schlossen sich Kallas zufolge viele Aussenminister in der Syrien-Debatte an.

Moskau: Syrer sollen selbst über Zukunft Syriens bestimmen

"Für Russland ist es wichtig, dass die Syrer selbst über die Zukunft Syriens bestimmen", schreibt das Aussenministerium. Diese positive Botschaft lässt sich zugleich als Mahnung an andere lesen, sich nicht in Syrien einzumischen. Für sich selbst formuliert Russland: "Wir sind überzeugt, dass die Beziehungen aus Freundschaft und gegenseitiger Achtung, die sich zwischen unseren Völkern über die Jahrzehnte ergeben haben, sich konstruktiv weiterentwickeln werden."

Es ist die zweite offizielle Erklärung des Ministeriums in Moskau binnen weniger Tage - und sie enthält eine Anerkennung der neuen Machtverhältnisse in Syrien. Die neue Führung wird aufgefordert, ihre Versprechen zu halten, für öffentliche Ordnung zu sorgen und interne Abrechnungen zu unterbinden. Die orthodox-christliche Minderheit müsse geschützt werden, heisst es.

Bislang war Russland neben dem Iran Schutzmacht des Gewaltherrschers Baschar al-Assad gewesen. Der Kreml wurde aber ebenso wie Assad vom raschen Vordringen der islamistischen Rebellen überrascht und flog ihn ins Exil nach Moskau aus, als die Hauptstadt Damaskus erobert wurde.

Peskow: Russland will beide Militärstützpunkte in Syrien behalten

Der Kreml bemüht sich nach Angaben von Sprecher Dmitri Peskow derzeit darum, seine beiden Militärstützpunkte in Syrien aufrechtzuerhalten. Dabei handelt es sich um eine Luftwaffenbasis nahe der Hafenstadt Latakia und einen Marinestützpunkt in Tartus im Süden des Landes.

Russland hatte den syrischen Machthaber Baschar al-Assad bis zu seinem Sturz durch die Rebellen unter Führung der islamistischen HTS-Miliz vor gut einer Woche jahrelang militärisch unterstützt. Die russischen Stellungen in Syrien gelten als strategisch wichtig.

Kallas betonte, von dort aus agiere Russland auch in Afrika und anderen südlichen Staaten. "Das ist definitiv ein Grund zur Sorge um die europäische Sicherheit", sagte sie. Bei ihrem Treffen mit Aussenministern der arabischen Welt am Wochenende in Jordanien hätten viele die Sorge wegen der russischen Militärpräsenz geteilt.

EU schickt deutschen Spitzendiplomat nach Damaskus

Der deutsche Spitzendiplomat Michael Ohnmacht hat im Auftrag der EU erste Gespräche mit Vertretern der neuen Machthaber in Syrien geführt. "Ich habe heute früh angekündigt, dass unser Spitzendiplomat nach Damaskus reisen wird, und er ist nun dort gewesen", sagte Kallas am späten Nachmittag nach dem EU-Aussenministertreffen in Brüssel. Das Ziel der Gespräche sei, mit den neuen Behörden in Kontakt zu treten, ihre Pläne zu verstehen und eigene Botschaften zu platzieren.

Michael Ohnmacht
Michael Ohnmacht ist deutscher Botschafter in Libyen und soll für die EU Kontakte in Syrien aufbauen. © dpa / Kay Nietfeld/dpa

Als wichtig aus Sicht der EU nannte Kallas unter anderem, dass die neue syrische Regierung auch die Rechte von Minderheiten und Frauen berücksichtigt. "Extremismus sowie Russland und der Iran sollten in der Zukunft Syriens keinen Platz haben", fügte Kallas mit Blick auf die Unterstützung Moskaus und Teherans für den früheren Machthaber al-Assad hinzu.

Der Diplomat Ohnmacht ist bereits seit September Chef der EU-Syrien-Delegation. Diese arbeitet aus Sicherheitsgründen bislang aber weiter vorwiegend im Libanon und in Brüssel. Für das Auswärtige Amt war Ohnmacht zuvor unter anderem schon als Botschafter in Libyen sowie im Libanon und in Saudi-Arabien.

HTS gibt sich moderat

Die Miliz HTS, die Syriens Assad vor gut einer Woche in einer Blitzoffensive stürzte, gibt sich weiter moderat und zugänglich. So erklärte sie, al-Scharaa habe mit Pedersen über die "Einheit der syrischen Gebiete" gesprochen sowie über den Wiederaufbau und politischen Übergang im Land. Auf Fotos des Treffens ist al-Scharaa mit Hemd und Sakko zu sehen. Zuvor hatte er sich meist in grüner Militäruniform oder vor Jahren noch mit Dschihadisten-Turban gezeigt.

Lage in Syrien - HTS-Anführer trifft Geir Pederson
HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa (r) bei einem Treffen mit dem Sondergesandten der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pederson, in Damaskus. © dpa / Uncredited/SANA via AP/dpa

EU: Entwicklungen wie in Libyen und Afghanistan vermeiden

Für die EU geht es bei den geplanten Kontakten vor allem um die Frage, wie sie zu einer Stabilisierung des Landes beitragen und wie verhindert werden kann, dass es zu Entwicklungen wie in Libyen oder Afghanistan kommt.

Eine gewichtige Rolle spielt dabei auch, dass viele Mitgliedstaaten hoffen, dass dann Syrien-Flüchtlinge freiwillig in ihre Heimat zurückkehren oder sonst auch abgeschoben werden können. Allein in Deutschland leben Hunderttausende Menschen, die vor dem Assad-Regime geflüchtet sind, in allen EU-Staaten zusammen weit mehr als eine Million.

USA: Bei Angriffen in Syrien zwölf IS-Kämpfer getötet

Mehr als eine Woche nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad haben die USA Dschihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat in dem Land aus der Luft angegriffen. Dabei wurden zwölf Kämpfer getötet, wie das Regionalkommando des US-Militärs für den Nahen Osten (Centcom) mitteilte.

"Ziel war es, die Terrorgruppe an externen Operationen zu hindern und sicherzustellen, dass ISIS nicht nach Möglichkeiten sucht, sich in Zentralsyrien neu zu formieren", so Centcom. ISIS ist die in den USA gängige Abkürzung für den IS. Die Angriffe hätten in ehemals von Assad und seinem Verbündeten Russland kontrollierten Gebieten stattgefunden.

Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Islamischen Staat haben die USA ein kleines Kontingent an Einsatzkräften in Syrien stationiert und darauf beharrt, auch nach dem Sturz Assads vorerst im Land bleiben zu wollen. (dpa/afp/bearbeitet von cgo)  © dpa

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