Kanzler Olaf Scholz war am Sonntag zu Gast im ARD-Sommerinterview von "Bericht aus Berlin". Neben dem schlechten Wahlergebnis der SPD bei der Europawahl und dem Erstarken der AfD ging es auch um die Debatte übers Bürgergeld und die Lehren aus der Corona-Pandemie. An dieser Stelle gestand der Kanzler Fehler ein – und bezeichnete vor allem eine vergangene Entscheidung als "drüber".

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Keine leichten Vorzeichen für Kanzler Olaf Scholz: Gerade erst hat er mit seiner Partei das schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten deutschen Wahl eingefahren – nur 13,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben der SPD bei der Europawahl ihre Stimme.

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Woran liegt das und wie will die SPD wieder Wähler für sich gewinnen? Das waren nur zwei der Fragen im Sommerinterview bei "Bericht aus Berlin".

Das waren die Themen im ARD-Sommerinterview mit Olaf Scholz

Im Sommerinterview mit dem Kanzler kamen die erwartbaren Themen auf den Tisch: das historisch schlechte Abschneiden der Ampel, der Krieg in der Ukraine sowie die starken Umfrageergebnisse der AfD. Ebenso ging es um das Reizthema Bürgergeld, Lektionen aus der Coronakrise und die Frage, wie die SPD ihr Wahlergebnis in Zukunft verbessern will.

Das war der Moment der Sendung

Ein einprägsamer Moment der Sendung folgte auf die Frage des Moderators nach dem "Meinungsbild im Osten". Denn da war Scholz klar in seinen Worten und bewies Haltung.

Er setzte an: "Es ist schon so, dass es viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die nicht einverstanden damit sind, dass wir die Ukraine unterstützen, die auch nicht einverstanden damit sind, dass wir Sanktionen gegen Russland verhängt haben." Das schlage sich unter anderem in den Wahlergebnissen nieder.

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"Aber da gibt es aus meiner Sicht nicht die Alternative, dass wir das jetzt ändern", sagte er klar und deutlich. Russland habe die Ukraine angegriffen, es sei ein ganz klassischer Eroberungskrieg, bei dem Moskau versuche, die Landkarte zu verändern. "Imperialismus, wie wir dachten, dass wir ihn hinter uns haben. Und die Verständigung, die wir Jahrzehnte hatten, dass man nicht mit Gewalt Grenzen verschiebt, ist von Russland aufgekündigt worden. Das müssen wir also weiter machen", kündigte er an.

So hat sich Kanzler Olaf Scholz geschlagen

Klartext gab es von Scholz nur an wenigen Stellen. Stattdessen eine Reihe nebulöser Sätze: "Wir werden, wenn wir die wichtigsten Weichen, die jetzt noch zu stellen sind – insbesondere was den Haushalt betrifft –, gestellt haben, auch klarmachen müssen, was wir uns für die Zukunft vorstellen." Oder: "Ich kann das sagen, was verantwortlich gesagt werden kann."

Es gab mehr Phrasen ("seine Hausarbeiten machen", "da ist noch ein Problem zu lösen") als konkrete Gestaltungsideen. Da half es auch nichts, dass Scholz mehrmals sagte: "Das will ich klar sagen" oder "Da will ich nicht drum herumreden" – er lieferte in der Folge trotzdem keine konkreten Lösungsansätze.

So hat sich Moderator Markus Preiss geschlagen

Es war eine super Leistung von Moderator Markus Preiss. Seine Fragen waren spitz und hart. Immer wieder legte er den Finger in die Wunde. So wollte er beispielsweise wissen: "Erleben wir gerade das Ende der Ära der Sozialdemokratie?" und "Sind Sie mittlerweile eine Belastung für Ihre Partei?". Zu jedem Zeitpunkt schien Preiss symbolisch eine Person auf der Schulter sitzen zu haben: den Bürger mitten aus dem Alltag.

Denn Themen wie Wohnungsnot und Lohnabstand sind Beispiele für das, was die Menschen im Land bewegt. Was Preiss ebenfalls gelang: dem Kanzler den Spiegel vorzuhalten. An einer Stelle sagte er: "Um auf den Bürgerdialog zurückzukommen: Ich habe es nicht verstanden." Und gegen Ende analysierte er: "Sie waren nur ab und zu mal in Bürgerdialog-Form. Sie sind häufig sibyllinisch geblieben."

Das waren die Ergebnisse der Sendung

Scholz blieb den Bürgerinnen und Bürgern mehrere Antworten schuldig. Ist ein weiteres Sondervermögen denkbar? Man erfuhr nur: "Wir bereden das alles dann."

Wie will die Ampel Vertrauen zurückgewinnen? Scholz gab sich siegessicher, allerdings ohne Fahrplan: "Wir gehen gemeinsam nach vorn – übrigens auch in die nächste Bundestagswahl, um sie zu gewinnen." Kürzungen im Bereich des Sozialen erteilte er eine Absage und versprach: "Wir werden den Sozialstaat verteidigen."

Man wolle aber die "Treffsicherheit des Bürgergelds" erhöhen. Scholz erklärte: "Das heisst, dass niemand sich drücken kann, dass man mitarbeitet, um die eigene Arbeitslosigkeit zu überwinden. Das muss gewährleistet sein. Und für mich gehört auch dazu – das will ich ganz klar sagen – dass nicht sowas passiert, dass jemand arbeitet, das Einkommen verschweigt und dann noch gleichzeitig Bürgergeld bekommt." Deshalb sei die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll ausgebaut worden und "da werden wir auch noch klare Gesetzesverschärfungen beschliessen", kündigte er an.

Wirklich Fehler gestand er nur in Sachen Corona-Politik ein. Preiss wollte wissen: "Würde man die Schulen noch mal so hart schliessen?" Scholz gab zu, in Deutschland seien mehr Schulen geschlossen worden als in anderen Ländern. "Und das war sicherlich nicht die richtige Entscheidung", räumte er ein. Ein paar Entscheidungen seien "drüber" gewesen. "Warum man zu bestimmten Zeiten nicht draussen spazieren gehen konnte, wenn man eine Maske trug und niemandem begegnete – im Wald –, das habe ich nicht verstanden. Und das, glaube ich, hätte nicht sein müssen", so Scholz.

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