Als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages bekleidet Katrin Göring-Eckardt eines der höchsten Ämter im Land. Trotzdem wäre die Grünen-Spitzenpolitikerin gerne Ministerin im Kabinett von Olaf Scholz geworden. Eine neue Sky-Langzeitdokumentation kommt der engagierten Protestantin sehr nahe.
Es ist ein kurzer Fluch, der vielleicht nicht zur Würde einer Vizepräsidentin des Bundestages passt. Aber ein Ausruf, der
"Ich dachte in dem Moment: Jetzt ist alles wieder hinüber", sagt die Grünen-Politikerin, die als offizielle Vertreterin Deutschlands in die Ukraine gereist war, im Rückblick. Der Vortag war noch von Hoffnung und tollen Begegnungen geprägt. Die Frachtschiffe, die in der ganzen Welt dringend benötigtes Getreide aus Odessa liefern sollten, standen schon bereit. Doch dann eskaliert die Lage am Hafen. Wieder einmal eine Enttäuschung im brutal geführten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.
Katrin Göring-Eckardt: Mit dem Baby auf die Grossdemonstration
Mit dem Land, in dem die Werte Europas verteidigt werden, wie Göring-Eckardt sagt, verbindet die Politikerin eine lange Geschichte – und viele persönliche Erinnerungen, die vom Freiheitswillen als Jugendliche und junge Erwachsene in der sich auflösenden DDR erzählen. Schon 2014 besuchte die heute 56-Jährige Kiew und hielt während der sogenannten "Euromaidan"-Revolution auf dem Maidan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt eine Rede.
Wie in Thüringen, wo sie als Tochter eines Tanzlehrerpaares in einem protestantisch geprägten Elternhaus aufwuchs, waren es auch in der Ukraine viele junge Menschen, die es auf die Strassen zog. Göring-Eckardt hatte sich einst der kirchlichen Oppositionsbewegung in der "Jungen Gemeinde" angeschlossen und begann damals, politisch zu denken. Im Sky-Film erzählt sie eindringlich davon, wie sie an grossen Demonstrationen teilnahm, die letztlich zur Auflösung der DDR führten. Vor ihrer Brust trug sie ihren damals gerade geborenen ersten Sohn Friedrich. Der musste unbedingt vor dem harten Strahl der Wasserwerfer geschützt werden.
Immer wieder werden die Rückblicke eingetrübt – von einem Schicksalsschlag, von dem Göring-Eckardt offen berichtet – wenn auch unter erkennbaren Schmerzen. Beim Besuch ihrer alten Schule, wo sie einst ins Direktorat gerufen worden war, als man ihr vom jähen Unfalltod ihrer Mutter berichtete, kommen ihr fast die Tränen. Es war kein leichtes Aufwachsen. Zu ihrem strengen Vater fand sie kaum einen Draht. Halt gab allein der Glaube. "Ich war froh, dass wenigstens Gott noch da war."
"Den Begriff der 'Rabenmutter' habe ich erst kennengelernt, als ich in den Bundestag kam"
Kein Wunder, dass sie ihr eigenes Privatleben als Prominente schützt und sich auch bei den Grünen schon früh für Familienpolitik starkmachte – auch wenn sie dabei anfänglich belächelt und in eine wertkonservative-kirchliche Ecke gerückt wurde. Trotzdem ist Göring-Eckardts Denken oft weitaus fortschrittlicher, als man das auch bei den West-Kollegen kannte – etwa in der Frage der in der DDR gelebten Vereinbarkeit von Kindern und Beruf. "Den Begriff der 'Rabenmutter' habe ich erst als kennengelernt, als ich in den Bundestag kam", sagt sie im Rückblick. Zu DDR-Zeiten hätten Frauen "einfach gearbeitet".
Tatsächlich ging ihr Wille, die Interessen der Kinder mit dem Stress als Berufspolitikerin zu verbinden, sogar so weit, sich auf einen geheimen Pakt einzulassen – mit dem politischen Gegner. Dabei verständigte sich Göring-Eckardt, wie sie nun verriet, mit dem früheren CDU-Minister Hermann Gröhe. Der Mann aus dem Kabinett Merkel ist selbst Vater von vier Kindern und hatte immer wieder Verpflichtungen, wenn er als Elternteil etwa Schulterminen seiner Jüngsten beiwohnen wollte. Man regelte das "auf kurzem Dienstweg" – in einem stillen Abkommen. Immer wenn wichtige Abstimmungen im Bundestag mit den Familienplänen kollidierten, einigten sich die Grüne (damals Opposition) und der Konservative (damals Regierungsmitglied) darauf, dass einfach beide im Bundestag fehlen würden. So war die Stimmengerechtigkeit gesichert. "Danke, Hermann Gröhe", scherzt Sohn Friedrich heute über den unorthodoxen Pakt.
"Ich bin Protestantin, deswegen spielt der Zweifel in meinem Leben eine grosse Rolle"
Allerdings: Katrin Göring-Eckardts Karriere in der eigenen Partei war auch nicht frei von Ernüchterungen und Niederlagen. Besonders hart traf sie die Situation nach den eigentlich erfreulich hohen Wahlerfolgen der Grünen bei der letzten Bundestagswahl. Als Chefunterhändlerin hängte sie sich intensiv in die Koalitionsverhandlungen hinein – nur um dann überraschend im Kabinett von
Beim Ringen um ihren Platz stösst Katrin Göring-Eckardt immer wieder auf starre Gefüge – und auch auf Männerbollwerke über die Parteigrenzen hinweg. "Frauen wollen Macht, genau wie Männer Macht wollen", sagt sie heute. "Die Politik ist viel weiblicher geworden – aber noch lange nicht so, dass es bei allem eine gerechte Geschlechterverteilung gibt." Wenn sie von Macho-Allüren oder sogar von Anzüglichkeiten gegenüber Kolleginnen hört, kann sie sehr scharf werden.
"Ich bin Protestantin", sagt sie zu ihrer Grundhaltung. "Deswegen spielt der Zweifel in meinem Leben eine grosse Rolle." Allerdings paart sich die bei ihr auch mit Demut und nicht nur mit Kampfgeist. Ihr Motto lautet: "Nicht verzweifeln." Das wäre blöd. "Aber zweifeln ist schon gut."
Die Frauenporträt-Reihe "Her Story" ist immer mittwochs, 20.15 Uhr, bei Sky Documentaries sowie parallel auf WOW und über Sky Q auf Abruf zu sehen. Protagonistin in einer Woche ist die aus der RTL-Show "Let's Dance" bekannte Tänzerin Motsi Mabuse. © 1&1 Mail & Media/teleschau
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.