Mit dem Antidiskriminierungsgesetz hat das Land Berlin möglicherweise die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik nachhaltig verändert. Zumindest, wenn diese Woche die Polizei-Amtshilfe wirklich kippt.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Ohne eine juristische Klarstellung will Bayern wegen des neuen Antidiskriminierungsgesetzes in Berlin keine Polizisten mehr zur Amtshilfe in die Hauptstadt schicken. "Wir haben grundsätzlich eine gute Zusammenarbeit und wir wollen uns auch nicht davonstehlen. Aber um das fortsetzen zu können, erwarten wir glasklare Belege, dass sich jetzt keine neuen Belastungen für unsere Beamten ergeben", sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in München. Es sei wichtig, dass das Thema bei der am Mittwoch in Erfurt startenden Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern auf der Tagesordnung stehe.

Die gegenseitige Unterstützung der Länder in der Polizeiarbeit hat eine lange Tradition in Deutschland und ist gerade bei Grosslagen mit vielen Einsatzkräften oder über längere Zeiträume unverzichtbar. So helfen etwa jedes Jahr Polizisten aus allen Ländern in Berlin bei den Einsatzlagen rund um den 1. Mai. Mehrere bayerische Hundertschaften sind so meist jedes Jahr in der Hauptstadt im Einsatz.

Im Gegenzug erhält etwa Bayern etwa jedes Jahr zur Münchner Sicherheitskonferenz Hilfe aus anderen Ländern. Auch der G7-Gipfel in Schloss Elmau 2015 wäre nur mit bayerischen Polizisten nicht möglich gewesen. Herrmann ist sich dessen bewusst und weiss um die Bedeutung der Amtshilfe der Länder für die innere Sicherheit.

Klagen gegen Polizisten

"Wir brauchen die gegenseitige Unterstützung, aber es darf nicht sei, dass dadurch neue Haftungsrisiken für die eingesetzten Beamten entstehen", betonte er. Daher werde es nun auf der Konferenz darum gehen, dass die Gesetzesregelung nicht zu Problemen für den Einsatz Beamter aus anderen Ländern führe. "Das haben die beiden grossen Polizeigewerkschaften ja auch thematisiert, das sollten wir ernst nehmen", sagte er.

Das Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetz, kurz LADG , soll die Menschen in Berlin besser vor behördlicher Diskriminierung schützen. Es soll Klagen - etwa gegen Polizisten oder eine Ticketkontrolle in der U-Bahn - erleichtern, sofern bestimmte Diskriminierungsmerkmale verletzt wurden, darunter Geschlecht, Weltanschauung, sozialer Status oder rassistische Zuschreibungen.

Dabei sieht Herrmann die Bringschuld klar beim Land Berlin: "Das muss von Berlin nun klar dargelegt und ausgearbeitet werden. Denn Bayern ist nicht das einzige Land, das da massive Bedenken hat", sagte Herrmann. Aus seiner Sicht schiesst das Gesetz am Ziel, Diskriminierung zu verhindern, weit vorbei. "Wir sind alle gemeinsam gegen Diskriminierung. Und wenn Berlin da was tun will, ist das das gute Recht des Landes, aber was passiert ist, ist aus unserer Sicht politisch falsch. Es ist völlig überzogen, den gesamten öffentlichen Dienst pauschal zu verdächtigen."

Rechtsextremismus stärker in den Blick nehmen

Auch für Bayern gelte, dass jedem Einzelfall nachgegangen werden müsse, sollte es zu rassistischen Handlungen oder Äusserungen gekommen sein, immerhin müssten gerade Polizisten hier Vorbild sein. "Aber pauschale Vorwürfe gegen die Polizei aus allen Ländern helfen da nicht weiter", sagte Herrmann, der damit in die gleiche Kritikkerbe schlägt, wie etwa sein Parteifreund, Bundesinnenminister Horst Seehofer und andere Innenpolitiker aus der Union.

Darüber hinaus will Herrmann bei der Konferenz mit seinen Amtskollegen über die Versuche von Rechtsextremisten sprechen, die Corona-Pandemie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. "Die Corona-Krise zeigt, dass manche Rechtsextremisten versuchen, die aktuelle Stimmung zu nutzen und ihre extremistischen und antisemitischen Parolen unter den Protest mischen", betonte Herrmann. Es sei offenkundig, dass bei den Demonstrationen versucht werde, Sympathisanten für antisemitisches und rechtsextremes Gedankengut zu gewinnen. "Das muss man sehr ernst nehmen." Ungeachtet dessen sei es natürlich legitim, wenn jemand seine Meinung oder Kritik zu den Corona-Beschränkungen äussern wolle.

Zudem müssten die Sicherheitsbehörden besser zur Vorbeugung schwerer Gewalttaten wie beim Mord des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) 2019 und dem Anschlag in Halle auf eine Synagoge alle Ansätze von Rechtsextremismus stärker in den Blick nehmen, sagte Herrmann. "Jedem Hinweis muss noch sorgfältiger nachgegangen werden, auch von Einzeltätern können grosse Gefahren ausgehen, es muss nicht immer eine grössere Gruppe sein. Dazu zählt auch, dass wir den Waffenentzug mit einer noch grösseren Konsequenz vorantreiben."  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.