"Ziviler Ungehorsam" für das Klima: Extinction Rebellion wollte Berlin blockieren - mit Sofas und Topfpflanzen. Doch es gab kaum Staus und zunächst keine Festnahmen. Ganz anders in der Heimat der radikalen Klimaschützer.
Zu Beginn der Klimaprotestwoche von Extinction Rebellion sind die Auswirkungen der Strassenblockaden in Berlin überschaubar geblieben. Etwa 3000 Demonstranten nahmen laut Polizei an den beiden Aktionen an der Siegessäule und am Potsdamer Platz teil. In ihrem Aufruf zum gewaltfreien zivilen Ungehorsam gegen die Klimakrise hatte es geheissen: "Wir blockieren Berlin, Paris, New York, Amsterdam, London." Verkehrschaos und grosse Staus blieben in Berlin aber aus. Trotzdem gab es Kritik vom Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und aus dem Kanzleramt.
Die Berliner Polizei liess die Aktivisten zunächst gewähren - obwohl die Demo an der Siegessäule mit etwa tausend Teilnehmern nicht angemeldet war. Durch die Sperrungen hätten Autofahrer auf den Umfahrungen bis zu 20 Minuten länger gebraucht, hiess es aus der Verkehrsinformationszentrale. In der Stadt sind gerade Schulferien, dadurch sind weniger Autos unterwegs als üblich.
Kreuzung besetzt
Am späten Nachmittag begann die Polizei damit, den Potsdamer Platz zu räumen. Hier hatten etwa 2000 Aktivisten die Kreuzung besetzt. Unter dem Motto "Unser Wohnzimmer" hatten sie Sofas, Topfpflanzen, Tische und Stühle aufgestellt. Nachdem Beamte zunächst Möbel von der Strasse räumten, wurden auch die ersten Aktivisten fortgetragen. Anschliessend überprüften die Polizisten die Personalien der Demonstranten.
In London und Amsterdam gab es am Montag zahlreiche Festnahmen. Die Aktivisten hatten in der britischen Hauptstadt etliche Strassen und auch mehrere Themse-Brücken blockiert. Es wurden mindestens 135 Menschen festgenommen. Extinction Rebellion (auf Deutsch etwa: Rebellion gegen das Aussterben) kommt ursprünglich aus Grossbritannien. Nach eigenen Angaben gibt es die Gruppe seit November vorigen Jahres auch in Deutschland. Sie fordert unter anderem, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen.
Scheuer: Das ist nicht in Ordnung
Die AfD forderte ein "konsequentes Durchgreifen" der Polizei gegen die Klima-Aktivisten, die die ganze Woche protestieren wollen. "Zehntausende Autofahrer standen heute Morgen im Stau, weil eine wirre Endzeitsekte sich selbst ermächtigt hat, Verkehrsknotenpunkte in Berlin zu besetzen", erklärte Vize-Parteichef Georg Pazderski. Das sei Nötigung und habe mit Recht auf Versammlungsfreiheit nichts zu tun.
Dutzende Festnahmen in Amsterdam
Die Amsterdamer Polizei nahm etwa 50 Demonstranten bei einer Blockade-Aktion in Gewahrsam. Die Demonstranten hatten am frühen Montagmorgen eine wichtige Durchgangsstrasse versperrt und Dutzende kleine Zelte aufgestellt. Die Stadt hatte die Protestaktion aber an dieser Stelle verboten.
Auch in Paris blockierten Aktivisten einen Verkehrsknotenpunkt in der Innenstadt. Sie hätten rund um den Place du Châtelet nahe der Seine Strohballen aufgestellt und sich auf die Strasse gesetzt, berichtete die Zeitung "Le Parisien". Auch in Australien und Neuseeland demonstrierten Hunderte Aktivisten, Dutzende wurden festgenommen, wie die Polizei mitteilte.
Carola Rackete begeistert gefeiert
In Berlin erhielten die Aktivisten Unterstützung von Carola Rackete, die als Flüchtlingsretterin bekannt gewordene Kapitänin. "Es ist mehr als Zeit, dass die Regierung die Wahrheit sagt und den ökologischen Notstand ausruft", forderte Rackete bei ihrer umjubelten Rede an der Siegessäule. Sie sei froh, dass sich Extinction Rebellion dazu entschlossen habe, "die ganze Woche hier zu bleiben, um Berlin Tag und Nacht zu blockieren". Luisa Neubauer von Fridays for Future sprach am Potsdamer Platz. "Wir brauchen Menschen, die in Massen, in nie dagewesenen Massen auf die Strassen gehen und anfangen, Teil der Lösung zu werden."
FDP ist besorgt
Aktionen sollte es unter anderem auch in Madrid, New York und Buenos Aires geben. Anders als andere Bewegungen wie Greta Thunbergs Fridays for Future sind die Aktivisten von Extinction Rebellion nach eigenen Angaben bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Die FDP warnte vor antidemokratischen Zügen der Bewegung. "Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage", sagte Parteichef Christian Lindner der dpa. "Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äusserungen aus dieser Gruppierung distanzieren." (mss/dpa)
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