Die Weltklimakonferenz geht in die Verlängerung, zwischenzeitlich droht sie zu scheitern. Dann kommt doch noch ein Durchbruch im Streit um Milliardenhilfen - aber einige Fragen sind aufgeschoben.
Die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan hat sich darauf geeinigt, die Klimahilfen für ärmere Staaten deutlich aufzustocken. Insgesamt sollen bis 2035 jährlich mindestens 1,3 Billionen US-Dollar (aktuell rund 1,25 Billionen Euro) fliessen, davon 300 Milliarden vorrangig aus den Industriestaaten. Mit dem Geld sollen Entwicklungsländer mehr Klimaschutz bezahlen können und sich an die fatalen Folgen der Erderwärmung anpassen können - etwa häufigere Dürren, Stürme und Überschwemmungen.
UN-Generalsekretär António Guterres verlangte: "Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden." Die Versprechen gehörten "vollständig und fristgerecht" eingelöst.
Zwar mobilisieren die klassischen Industriestaaten bisher jährlich gut 100 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen. Doch inzwischen liegt der Bedarf an externer Hilfe laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe bei rund einer Billion US-Dollar pro Jahr bis 2030 - und sogar 1,3 Billionen bis 2035.
Weltklimakonferenz in Baku: Wut und Frust nach dem Beschluss
"Wir wissen, dass unsere heutigen Entscheidungen allein nicht ausreichen, um alle Bedürfnisse zu erfüllen", sagte Aussenministerin
Vor dem Hintergrund des anstehenden Machtwechsels im Weissen Haus gibt es zudem Befürchtungen, dass sich die USA unter
Kurz nach dem Hammerschlag des aserbaidschanischen Gastgebers wurde indes deutlich, dass viele Länder nur mit Zähneknirschen zugestimmt hatten, um wenigstens nicht ganz ohne Kompromiss auseinanderzugehen: Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden als "Witz" und "Beleidigung". Auch Indiens Vertreterin protestierte, man könne absolut nicht einverstanden sein, weil die Zusagen viel zu gering seien. De facto hat die Kritik aber keine Auswirkungen mehr, der Beschluss gilt.
Etliche Staaten fühlen sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden - ein Vorwurf, den auch Baerbock im Schlussspurt der Verhandlungen erhob. Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser meinte: "Zwischen der zugesagten Unterstützung für die verletzlichsten Länder und deren dringenden Bedarfen klafft nach Baku eine beschämend weite Lücke."
Weitere Geber sollen zahlen
Um die 1,3 Billionen jährlich aufzutreiben, sollen der Einigung zufolge auch die multilateralen Entwicklungsbanken deutlich mehr Kredite ausreichen beziehungsweise armen Staaten Schulden erlassen. Über das öffentliche Geld und das der Banken sollen mit Hebelwirkung auch in grossem Stil private Investitionen angestossen werden, die ebenfalls als Klimafinanzierung gezählt werden.
Ausserdem sollen weitere Geberländer ermuntert werden, sich zu beteiligen. Der Appell ist so weit gefasst, dass Klimaschützer kritisieren, niemand sei konkret für diesen Teil des Globalziels verantwortlich.
"Diese Weltklimakonferenz liefert nicht das, was eigentlich notwendig gewesen wäre - aber sie bewegt sich im oberen Bereich dessen, was bei der derzeitigen politischen Grosswetterlage möglich ist", sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch.
Wichtige Fragen wurden vertagt
Letztlich gelang ein Kompromiss auch deshalb, weil teilweise offen bleibt, wie die Billionensumme konkret aufgebracht werden soll – das wird nun Aufgabe der nächsten Klimakonferenz in Brasilien sein.
Die EU einschliesslich Deutschland wagte sich während der zweiwöchigen Konferenz erst ganz zum Schluss mit konkreten Summen aus der Deckung. Von der Bundesregierung hiess es, es sei völlig unrealistisch, dass Geld in Billionenhöhe aus den Haushalten kommt. Sie appellierte an Länder wie China und die reichen Golfstaaten, die viel mit Öl, Gas und Kohle verdient haben, ebenfalls zu zahlen. Noch gelten diese Staaten, wie etwa auch Indien und Südkorea, nach einer 30 Jahre alten UN-Einstufung aber als Entwicklungsstaaten - und damit als Empfängerländer.
Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam wies darauf hin, dass mit der Erweiterung "die im Pariser Abkommen enthaltene klare Verpflichtung der Industrieländer zur Unterstützung aufgeweicht" werde. "Das werden diese Länder auszunutzen wissen."
Deutschland hat für die Klimafinanzierung bislang rund sechs Milliarden Euro pro Jahr versprochen. Wie viel es künftig nach dem neuen Baku-Beschluss sein wird, muss die künftige Bundesregierung entscheiden. Konkret berechenbare Verpflichtungen wurden Deutschland in Baku nicht auferlegt.
Um mehr als 30 Stunden verlängert
Zeitweise drohte die um mehr als 30 Stunden verlängerte Weltklimakonferenz zu scheitern. Ganze Staatengruppen verliessen wenige Stunden vor dem Ende vorübergehend die Verhandlungen und beklagten sich über die chaotische Führung der Konferenz. Die Organisatoren aus dem Petrostaat Aserbaidschan, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent aus Öl und Gas kommen, lobten sich hingegen selbst: Trotz "geopolitischem Gegenwind", habe man sich durchweg jede Mühe gegeben, "ein ehrlicher Makler" für alle Seiten zu sein.
Auch befürchtete die EU bis zuletzt, dass Beschlüsse der vergangenen Klimakonferenz in Dubai bei den Verhandlungen in Baku unter die Räder kommen könnten, etwa zur hart errungenen Abkehr von Öl, Gas und Kohle. Die von Deutschland damals als "historisch" gefeierte konkrete Formulierung fehlt nun - der Beschluss dazu wurde mangels Konsens ins nächste Jahr vertagt.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future nannte den Beschluss beschämend und sagte: "Es wäre mit Blick auf die COP (Kürzel der Weltklimakonferenz) und die Wahl Donald Trumps nun ein Leichtes, den internationalen Klimakampf aufzugeben. Genauso gut könnte man mit Blick auf die Weltlage aber auch sagen: jetzt erst recht." (Larissa Schwedes und Torsten Holtz, dpa/pak)
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