Gibt es eine gemeinsame Abschlusserklärung oder nicht? Das war die bange Frage beim G20-Gipfel in Buenos Aires. Rund 50 Stunden feilschten Unterhändler um Worte und Formulierungen - dann gab es einen Text. Doch was ist der wert?

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Seit zehn Jahren gibt es die G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs führender Wirtschaftsmächte. Wird das Spitzentreffen in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires die Welt trotz grosser Streitthemen ein kleines bisschen besser machen? Die wichtigsten Themen und Ergebnisse im Überblick.

Reform der WTO

Vielleicht der grösste Erfolg von Buenos Aires ist die einstimmige Entscheidung der G20, eine Reform der Welthandelsorganisation zu unterstützen. Nach Vorstellungen der Europäer und der USA könnte sie die Streitschlichtungsverfahren für Handelskonflikte verbessern und zugleich ein schlagkräftigeres Vorgehen gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen und den erzwungenen Transfer von Technologien zu ermöglichen. Letzteres wird vor allem China vorgeworfen. Dass auch der chinesische Präsident Xi Jinping die Erklärung mittrug, gilt als Zeichen für das Bewusstsein, dass die chinesische Wirtschaft enorm vom freien Welthandel abhängig ist.

Kampf gegen den Klimawandel

Steigen nach den USA weitere G20-Staaten aus dem Pariser Abkommen zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs aus? Das war eine grosse Befürchtung von Umweltschützern. Nach dem Gipfel in Argentinien können sie erst einmal aufatmen. Mit Ausnahme der USA versichern alle Staaten, an den 2015 eingegangenen Verpflichtungen festhalten zu wollen. Sie sehen vor, den Anstieg der globalen Temperatur bei weniger als zwei Grad und möglichst sogar bei nur 1,5 Grad zu stoppen. Vergleichsmassstab ist die Zeit vor der Industrialisierung. Grosse Frage ist allerdings, wie lange die G20-Erklärung gelten wird. In Brasilien, dem Schlüsselstaat für den Schutz des Regenwaldes, wurde jüngst Jair Bolsonaro zum Präsidenten gewählt. Er tritt sein Amt im Januar an und hat gedroht, dem Beispiel der USA zu folgen.

Der Streit um Sonderzölle

Mit der Einführung von Sonderzöllen versucht US-Präsident Donald Trump seit einigen Monaten, heimische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Die EU und China sind empört und haben mit Vergeltungszöllen reagiert. Beim G20-Gipfel gab es keine Lösung für den Streit, aber zumindest wurde weiter versucht, ihn zu entschärfen. Es ist eine Atempause. Nachdem Trump bereits im Juli mit der EU eine Art Waffenstillstand und Gespräche vereinbart hatte, traf er am Rande des G20-Gipfels nun auch mit China eine solche Vereinbarung. In der EU wird gehofft, dass dies auch ein Zeichen ist, dass die USA auf die Einführung der mehrfach angedrohten Sonderzölle auf Autoimporte verzichten. Sie würden vor allem die deutsche Industrie hart treffen.

Der Ukraine-Konflikt

Die zuletzt wieder eskalierte Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine war beim G20-Gipfel nur am Rande Thema. Unter anderen versuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel, in einem Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin zu vermitteln. Konkret schlug sie vor, ein Gespräch auf Ebene von aussen- und sicherheitspolitischen Beraten zu organisieren, bei dem neben der Ukraine und Russland auch Deutschland und Frankreich vertreten wären (Normandie-Format). US-Präsident Donald Trump sagte ein geplantes Treffen mit Putin ab. Als Begründung gab er an, dass Russland die vor rund einer Woche festgenommenen 24 ukrainischen Seeleute noch nicht freigelassen habe.

Das internationale Steuersystem und die Digitalsteuer

Digitalkonzerne wie Amazon oder Apple verbuchen in Europa riesige Gewinne, müssen aber vergleichsweise wenig Steuern zahlen, da sie in den meisten Ländern keine versteuerbaren Firmensitze besitzen. Dass sich daran schnell etwas ändert, erscheint nach dem G20-Gipfel unwahrscheinlich. "Wir werden weiter gemeinsam daran arbeiten, eine Konsenslösung hinsichtlich der Auswirkungen der Digitalisierung der Wirtschaft auf das internationale Steuersystem zu finden", heisst es schwammig in der Abschlusserklärung. Den Europäern bleibt damit nur der Weg, alleine eine Digitalsteuer einzuführen - doch selbst unter den EU-Staaten ist man sich beim Thema bislang nicht wirklich einig. Die Bundesregierung fürchtet etwa Gegenmassnahmen der USA.

Steuerbetrug und Währungsfonds

Hier bekennt sich die G20 zu einem stärkeren Datenaustausch, um Steuerbetrügern das Handwerk zu legen. "Wir begrüssen die Aufnahme des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten". Zudem will man strengere Massstäbe für die Erfassung von Staaten und Gebiete, "die die Standards zur Transparenz im Steuerbereich noch nicht zufriedenstellend umgesetzt haben". Zugleich will man weiter daran arbeiten, die Steuervermeidung und Gewinnverlagerung von Konzernen stärker zu bekämpfen. Dieser Punkt war etwa der deutschen Seite sehr wichtig, denn entgangene Steuern fehlen, um mehr in Strassen und Schulen zu investieren. Und man bekennt sich zur Bekämpfung neuer Finanzkrisen zur Stärkung des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Der Fall Khashoggi

Wie geht man mit einem Kollegen um, der verdächtigt wird, den Mord an einem missliebigen Journalisten in Auftrag gegeben zu haben? Auch mit dieser Frage mussten sich Angela Merkel & Co beschäftigen, da zu den Gipfelteilnehmern auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman gehörte - 2020 wird er sogar G20-Gastgeber sein. Ihm wird vorgeworfen, in die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi zumindest verwickelt gewesen zu sein. Eine einheitliche Antwort auf die Frage des Umgangs gab es beim Gipfel nicht. Russlands Präsident Putin klatschte den Kronprinzen lachend ab, die Europäer forderten ihn hingegen öffentlich auf, eine ausländische Begleitung der Ermittlungen in dem Fall zuzulassen. Deutlich wurde, es geht auch um wirtschaftliche Interessen, vor allem um Öl- und Rüstungsgeschäfte.

Und sonst?

Eine bessere Frauenförderung, die sichere Versorgung aller Menschen auf der Welt mit Nahrungsmitteln oder eine bessere Unterstützung von Bürgern bei Veränderungen der Arbeitswelt durch neue Technologien - zumindest bei diesen Themen fiel den G20-Staaten eine Einigung leicht. Die aktuelle argentinische G20-Präsidentschaft freute sich darüber. Das waren nämlich ihre Schwerpunkte. Und wichtiges Ergebnis am Rande: Es wurde zwar kreativ für eine bessere und gerechtere Welt demonstriert, aber friedlich, anders als noch beim Gipfel in Hamburg.  © dpa

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