Über Paketboten regen sich in letzter Zeit viele Menschen auf. Was viele aber nicht wissen: Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind mies. Arbeitsminister Heil will diese nun verbessern, allerdings könnten seine Pläne zu Zoff in der Regierung führen. Bei Wirtschaftsminister Altmaier stossen sie bereits auf Widerstand.
Paketbote ist ein häufig schlecht bezahlter Knochenjob. Man schleppt Mikrowellen, Fahrräder, Bücher, Adventspäckchen. Nicht selten bleiben pro Paket nur wenige Minuten Zeit: Im Laufschritt hoch in den vierten Stock, abgeben, Unterschrift, weiter.
Da ist es vielleicht auch kein Wunder, dass manche Zusteller nicht mehr klingeln, Sendungen in der Mülltonne hinterlegen und Abholzettel mit skurrilen Notizen hinterlassen wie: Paket abgegeben bei "irgendein Nachbar".
Rund 3,5 Milliarden Sendungen liefern die Paketzusteller in Deutschland jährlich aus, Tendenz steigend. Denn der Onlinehandel boomt - und damit wächst der Markt für Paketdienste. Immer häufiger müssen Fahrer aus Süd- und Osteuropa aushelfen, häufig schlecht bezahlt und nicht ordnungsgemäss versichert. Genau dagegen will Arbeitsminister
Was ist das Problem?
Die Paketflut stellt Firmen wie DHL, DPD, UPS, Hermes und GLS vor grosse Schwierigkeiten, denn die Suche nach Fahrern ist bei niedrigen Löhnen eine Herausforderung. "Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt", sagte Hermes-Deutschland-Chef Olaf Schabirosky im Dezember.
Viele Anbieter lagern die Zustellung an Subunternehmer aus, die dann Fahrer aus dem Ausland - aus der Ukraine, aus Moldawien, aus Weissrussland - anheuern. Für diese bezahlen die Subunternehmer Gewerkschaften zufolge teilweise keine Sozialbeiträge und häufig niedrige Löhne. Heil nennt die Arbeitsbedingungen der Zusteller "beschämend". Schlechte Bezahlung sei eine Sache - aber dass dann auch noch der soziale Schutz ausgehebelt werde, könne er nicht hinnehmen.
Was will der Arbeitsminister dagegen tun?
Heil will die grossen Paketdienste verpflichten, selbst Sozialabgaben für ihre Subunternehmer zu zahlen, wenn diese beim Mindestlohn betrügen. Eine solche Nachunternehmerhaftung gibt es bereits in der Bau- und in der Fleischbranche. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" will Heil bis Dienstag einen Gesetzentwurf vorlegen. Bis zum Jahresende soll Paragraf 28 des Sozialgesetzbuchs IV entsprechend geändert sein.
Was ändert sich damit für die Unternehmen?
Die grossen Lieferunternehmen wie Hermes oder DPD müssten dann kontrollieren, ob ihre Subunternehmer die gesetzlichen Bedingungen einhalten. Das bedeutet einen hohen bürokratischen Aufwand und kann vor allem im Ausland schwierig sein.
Übrigens setzen nicht alle Paketdienste gleichermassen auf Subunternehmer: Marktführer DHL lässt nach eigenen Angaben 98 Prozent seiner Pakete durch eigene Zusteller ausliefern, auch UPS beschäftigt viele eigene Boten.
Warum gibt es Streit in der Bundesregierung?
Wirtschaftsminister
Eine Rolle könnte auch die Kritik von Wirtschaftsverbänden spielen, die Altmaier zuletzt vorwarfen, zu wenig für Unternehmen zu tun.
Wer setzt sich durch?
Das ist offen. Zwar macht sich auch der Bundesrat für die Gesetzesänderung stark. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dagegen ist wenig begeistert. "Aus meiner Sicht sind wir noch nicht an dem Punkt angekommen, die Nachunternehmerhaftung auch für diese Branche durchzusetzen", sagte sie im Bundestag. Es müsse mehr kontrolliert und mit der Branche gesprochen werden - "ich glaube, dass es in der Tat dort Vorkommnisse gibt, die nicht in Ordnung sind", sagte Merkel.
Sind die Arbeitsbedingungen der Paketboten wirklich so schlecht?
"Es gibt erhebliche Belege für massiven Missbrauch, also Schwarzgeldzahlungen und Sozialversicherungsbetrug durch Subunternehmer-Konstruktionen", begründet Heil seinen Gesetzentwurf. Verdi-Chef Frank Bsirske spricht von teils "mafiösen Strukturen".
Es würden Stundenlöhne von 4,50 Euro oder 6 Euro gezahlt bei Arbeitszeiten von 12 oder sogar 16 Stunden pro Tag. Tatsächlich hatten die Ermittler nach einer bundesweiten Zoll-Razzia bei jedem sechsten Fahrer zumindest den Verdacht, dass etwas nicht stimmt.
Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken zeigt, ist das mittlere Bruttomonatsentgelt der Zusteller in den vergangenen zehn Jahren zudem um 13,3 Prozent auf 2478 Euro gesunken. In der Gesamtwirtschaft stiegen die Löhne im gleichen Zeitraum um 23,7 Prozent.
Was sagen die Paketdienste?
Sie weisen den Vorwurf zurück, die Löhne durch den Einsatz der Subunternehmer bewusst zu drücken. Der Bundesverband Paket & Expresslogistik erklärte, die Unternehmen verpflichteten ihre Vertragspartner zur Zahlung des Mindestlohns und zur Aufzeichnung der Arbeitszeit. Das lasse man sich vertraglich zusichern.
Werden Pakete nach der Gesetzesänderung teurer?
Das ist möglich - aber auch ohne die Änderung deutet sich beispielsweise bei der Post-Tochter DHL bereits ein höheres Porto an.
"Generell müssen sich die Kunden auf steigende Paketpreise einstellen", sagte Post-Chef Frank Appel der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Man wolle keinen Niedriglohnwettbewerb, müsse Lohn- und Kostensteigerungen deshalb aber an die Kunden weitergeben.
"Ich vermute auch, dass sich unsere Wettbewerber daran orientieren", sagte Appel. DHL ist mit einem Marktanteil von mehr als 45 Prozent bundesweit der grösste Paketdienst. (kad/dpa)
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