Laut dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof darf der Prophet Mohammed nicht als pädophil bezeichnet werden. Auch in der Schweiz riskiert man mit einer solchen Äusserung eine Strafe.
Als in Pakistan die Christin Asia Bibi als erste Frau wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt wurde, gerieten die pakistanischen Blasphemie-Gesetze ins Interesse der Weltöffentlichkeit. Diese würden missbraucht, um die christliche Minderheit in Pakistan zu unterdrücken oder missliebige Personen aus dem Weg zu räumen, so Kritiker. Pakistanische Islamisten argumentierten derweil, es sei die Pflicht jedes Muslims, einen Gotteslästerer umzubringen.
Diese Debatte mutet mittelalterlich an. Doch was nur Wenige wissen: Auch in der Schweiz ist Blasphemie eine Straftat. Gotteslästerer riskieren nicht gerade ihren Kopf wie in Pakistan, aber immerhin eine Busse.
Im Schweizer Strafgesetzbuch heisst es:
Strafe dient dem Religionsfrieden
In der Schweiz geht es nicht etwa darum, den Glauben oder Gott an sich vor Beleidigungen zu bewahren, sondern die Gefühle anderer Menschen zu schützen. "Dies soll dem religiösen Frieden dienen", sagt Martino Mona, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bern.
Die Schweiz hat eine lange Tradition von Religionskriegen und -konflikten. Laut Mona bestand daher eher Bedarf nach einer solchen Regelung. "Länder mit einer ausgeprägten Tradition der religiösen Toleranz und Vielfalt kennen hingegen typischerweise keine solchen Verbote."
Konfessionslose wollen Blasphemie-Artikel abschaffen
Migranten und Migrantinnen brachten in den letzten Jahrzehnten neue Religionen in die Schweiz, nebst christlichen Konfessionen auch den Islam (5,1% der Bevölkerung), den Hinduismus (0,6%) oder den Buddhismus (0,5%). Die Wahrung des Religionsfriedens ist damit aktueller denn je.
Doch dem Blasphemie-Artikel droht Gefahr. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen Streit zwischen den Religionen. Der Angriff geht vielmehr von den Konfessionslosen aus – inzwischen 24% der Bevölkerung –, genauer: Die Freidenker-Vereinigung fordert in einer Resolution die Abschaffung des Blasphemie-Artikels. "Damit gäbe die Schweiz ein klares Bekenntnis zum Recht auf freie Meinungsäusserung ab – und trüge erst noch dazu bei, Staaten wie Pakistan, Saudi-Arabien, Iran oder Russland nicht länger Rechtfertigungen für ihre freiheitsfeindlichen Gesetze zu liefern", heisst es zur Begründung.
Auch Mona ist der Meinung, dass der Schweizer Blasphemie-Artikel nicht mehr zeitgemäss ist und abgeschafft werden sollte. "Die Beschimpfung oder Verspottung ist aus meiner Sicht nicht strafwürdig." Meinungen sollten seiner Meinung nach nur verboten werden, wenn sie unmittelbar zu Hass und Gewalt aufriefen.
Kann der Blasphemie-Artikel den Religionsfrieden wahren?
In Frankreich steht Gotteslästerung nicht unter Strafe. In der Schweiz hingegen hätten die Karikaturisten von Charlie Hebdo eine Busse riskiert, da sie den Propheten Mohammed lächerlich machten.
Hätte eine symbolträchtige Büssung der Karikaturisten einen islamistischen Anschlag auf die Journalisten und Journalistinnen verhindern können? "Nein, im Gegenteil", meint Mona. "Blasphemie-Verbote bekräftigen religiöse Fanatiker eher in ihrer Überzeugung, solche Gotteslästerer beseitigen zu müssen."
Es sei sehr naiv anzunehmen, dass sich diese Fanatiker mit aus ihrer Sicht rein symbolischen Strafen zufrieden geben würden. "Im Zuge von Attentaten haben denn auch mehrere Länder bestehende Verbote abgeschafft oder die bestehende Zulässigkeit von Blasphemie bekräftigt."
Religionsbeleidigung nicht von Meinungsfreiheit geschützt
Doch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) stützt Blasphemie-Verbote. Laut einem Urteil vom Oktober 2018 ist diffamierende Religionskritik von der Meinungsfreiheit nicht geschützt. Eine Österreicherin war gebüsst worden, weil sie an einem öffentlichen Seminar den Propheten Mohammed als Vorbild für heutige Muslime in Zweifel gezogen und dessen Ehe mit der sechsjährigen Aisha als Pädophilie eingestuft hatte. Sie war der Meinung, Mohammed habe ein Leben gelebt, das nicht unseren sozialen Standards entspreche:
Das Argument der Österreicherin, wonach einzelne Äusserungen in einer lebhaften Diskussion toleriert werden müssten, liess das Gericht nicht gelten. Es sei nicht zulässig, beschuldigende Äusserungen in eine ansonsten akzeptable Meinungsäusserung zu verpacken und sich dann auf die Meinungsäusserungsfreiheit zu berufen.
Mohammed darf nicht als pädophil bezeichnet werden
Zudem seien Aussagen, die auf falschen Fakten basierten, nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt, führte das Gericht aus. Als "falsch" erachtete das Gericht die Aussage, der Prophet Mohammed sei pädophil gewesen. Denn Pädophilie sei eine allgemeine sexuelle Präferenz. Ohne den historischen Kontext habe es sich im Ergebnis um ein Werturteil gehandelt ohne genügende Faktenbasis.
Mona ist gegenüber solchen Verurteilungen skeptisch. "Das Strafrecht sollte nicht zum Schutz von religiösen Gefühlen verwendet werden. Menschen haben aus meiner Sicht das Recht, dummes Zeugs und auch beleidigende Dinge zu sagen, sofern sie die anderen nicht daran hindern, selber zu sagen, was sie denken."
Blasphemie in europäischen Ländern
Deutschland, Italien, Spanien, Griechenland, Österreich, Polen und Russland stellen Blasphemie unter Strafe. Nicht verboten ist Gotteslästerung hingegen in Frankreich. Auch Grossbritannien, die Niederlande und Irland haben den Straftatbestand abgeschafft. © swissinfo.ch
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