Zwei Jahre nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten haben die Menschen in den Vereinigten Staaten in aufgeheizter politischer Stimmung einen neuen Kongress gewählt. Sie gaben damit ein Votum über dessen umstrittene Politik des "America first" ab, welche das Land regelrecht spaltet.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

An diesem Mittwoch steht fest, ob Trump mit einer Mehrheit seiner Republikaner im Kongress auch künftig weitgehend ungehindert regieren kann. Er will neue Steuersenkungen angehen, die versprochene Grenzmauer zu Mexiko bauen, konservative Richter ernennen und den Grundstein für seine Wiederwahl 2020 legen.

Siege der Republikaner würden Trump den Rücken stärken

Republikanische Wahlsiege und eine Hausmacht in Washington würden Trump auch den Rücken stärken im Umgang mit der EU und den Nato-Verbündeten, im Handelsstreit mit China sowie in den Konflikten mit dem Iran und Nordkorea.

Die oppositionellen Demokraten rechneten sich allerdings Chancen aus, wenigstens eine, womöglich sogar beide Parlamentskammern zu erobern und damit ein Gegengewicht zu Trump bilden zu können.

Die letzten Wahllokale auf Hawaii sollten an diesem Mittwoch um 6.00 Uhr MEZ schliessen. Mit aussagekräftigen Ergebnissen wurde erst am frühen Mittwochmorgen MEZ gerechnet.

Es geht um Repräsentantenhaus und Senat

Bei den Zwischenwahlen, den sogenannten Midterms, wurden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat vergeben. Es zeichnete sich eine weit höhere Wahlbeteiligung als vor vier Jahren ab. Allein 38,9 Millionen Frühwähler gaben schon vorab ihre Stimme ab. 2014 seien es 20,5 Millionen gewesen, teilte das Umfrageinstitut ElectProject auf seiner Webseite mit.

Selbst der Wahltag entwickelte sich noch zum Fernduell zwischen Trump und seinem demokratischen Vorgänger Barack Obama. Dieser rief die Amerikaner zur Abstimmung bei den Kongresswahlen auf. "Heute sind Sie an der Reihe, ihre Stimme zu erheben, um den Kurs des Landes zum Besseren zu ändern", schrieb er auf Twitter. Auch Trump twitterte und empfahl die Wahl bestimmter Kandidaten seiner Republikaner.

Midterms sind immer Zwischenurteil über Präsidentschaft

Die traditionelle Abstimmung zur Hälfte der Amtszeit eines Präsidenten ist immer auch ein Referendum über dessen Politik. Bei Trump gilt das in besonderer Weise, weil er das Land so stark polarisiert hat.

Der 72-Jährige war bis zum Schluss des Wahlkampfes im Dauereinsatz. Bei einer eng getakteten Serie von Wahlkampfauftritten versuchte er, seine Anhänger mit Warnungen vor den Demokraten zu mobilisieren.

Seine Wahlkampagne habe auf "dunklen Themen" wie Angstmacherei, Nationalismus sowie Feindseligkeit gegen Einwanderer beruht, zog die "New York Times" Bilanz. Es sei damit die am stärksten polarisierte Zwischenwahl seit den Bürgerkriegen (1861 bis 1865) gewesen.

Trump reist und attackiert ohne Unterlass

Trump absolvierte am letzten Tag vor der Wahl noch drei Auftritte in drei Staaten. Dort versuchte er, mit seinen üblichen Attacken gegen die Demokraten und gegen die Medien zu punkten - und mit Lobeshymnen auf die Verdienste seiner Regierung. "Sie wissen, dass ich sogar mehr Versprechen gehalten habe, als ich gegeben habe", sagte er.

Die Demokraten geisselte Trump als eine Gefahr für die Wirtschaft und die Zukunft des Landes. Ihre Ideen seien ein "sozialistischer Alptraum". Trump warnte auch vor Wahlfälschung. Belege für seine Vorwürfe lieferte er wie so oft aber nicht. Der Präsident hat nach einer Statistik der "Washington Post" in 649 Amtstagen 6420 falsche oder irreführende Angaben gemacht.

Bei den Kongresswahlen in der Mitte zwischen zwei Präsidentschaftswahlen bekommt meist die Regierungspartei einen Denkzettel verpasst.

Republikanern droht Verlust der Mehrheit

Tatsächlich mussten Trumps Republikaner trotz guter Wirtschaftsdaten laut Umfragen befürchten, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu verlieren. Dafür müssten die Demokraten 23 Sitze zulegen. Im Senat - der zweiten Kammer des US-Parlaments - zeichnete sich ab, dass die Republikaner ihren knappen Vorsprung von derzeit 51 zu 49 Sitzen halten können.

Schon eine Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus könnte für Trump unangenehm werden. Die Demokraten könnten dann zahlreiche Untersuchungen gegen ihn einleiten. Deren Ergebnisse könnten die Grundlage für ein Amtsenthebungsverfahren ("Impeachment") bilden, das mit der einfachen Mehrheit im Repräsentantenhaus beschlossen werden kann.

Entschieden würde über eine Amtsenthebung allerdings im Senat, wofür dort eine Zweidrittelmehrheit nötig wäre. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine solche Mehrheit nicht abzusehen.

Migration Mittelpunkt des Wahlkampfes

In dem hoch konfrontativen Wahlkampf hatte Trump das Thema Migration stark in den Mittelpunkt gerückt. Wegen eines Marsches lateinamerikanischer Migranten in Richtung USA schickte er medienwirksam Tausende US-Soldaten an die Grenze zu Mexiko.

Trump sprach von einer "Invasion" und behauptete, unter den Migranten seien Kriminelle und Menschen aus dem Nahen Osten. Trumps Gegner warfen ihm vor, mit solchen Äusserungen gesellschaftliche Gräben zu vergrössern und das politische Klima zu vergiften.

Facebook sperrt verdächtige Benutzerkonten

Facebook sperrte vor der Wahl Dutzende verdächtige Konten, um einer möglichen Einmischung in die Abstimmung vorzubeugen. Die bisher entdeckten 30 Facebook- und 85 Instagram-Konten könnten ausländischen Betreibern gehören, schrieb Facebook am Montagabend (Ortszeit).

In den USA steht nach wie vor der Verdacht im Raum, Russland habe sich bei der Präsidentenwahl 2016 zugunsten von Trump eingemischt. Die Ermittlungen dauern an, um zu klären, ob Trumps Wahlkampfteam geheime Absprachen mit Russland traf.

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow wies erneut Vorwürfe zurück, sein Land habe sich in US-Wahlen eingemischt. Diese Anschuldigungen hätten sich als leere Behauptungen erwiesen, sagte er am Rande seines Besuchs in Madrid. "Es gibt keinen Beweis dafür, dass wir uns in Wahlen eingemischt haben."

Zugleich äusserte Lawrow die Hoffnung, dass sich die innenpolitische Lage in den USA nach den Wahlen entspanne und sich nicht mehr schädigend auf die US-Aussenpolitik auswirke.

Teuerste Zwischenwahl aller Zeiten

Nie zuvor ist bei einer Zwischenwahl in den USA so viel Geld für den Wahlkampf ausgegeben worden wie in diesem Jahr. Die 5,2 Milliarden Dollar (rund 4,6 Milliarden Euro) seien 35 Prozent mehr als bei der Zwischenwahl von 2014, berichtete die auf Wahlkampffinanzierung spezialisierte Organisation Center for Responsive Politics auf ihrer Webseite.

Insbesondere die Demokraten hätten profitiert, und dabei insbesondere vom Enthusiasmus von Spenderinnen und Kleinspendern. (cs/pda)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.