Eigentlich wollte die CDU per selbst gedrehtem Video auf den YouTube-Clip "Zerstörung der CDU" reagieren, am Ende wurde es eingedampft und stattdessen lieber ein offener Brief inklusive herunterladbarem PDF ins Netz gestellt. Ist das die richtige Antwort auf das Rezo-Video? Auch in der eigenen Partei gibt es daran Zweifel.

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Ein elfseitiges PDF-Dokument und ein offener Brief auf der Webseite der CDU inklusive Einladung zum direkten Gespräch - so sah die Antwort der Christdemokraten auf ein Video aus, über das ganz Deutschland spricht.

Der YouTuber Rezo hatte einen 55-minütigen Clip mit dem Titel "Die Zerstörung der CDU" ins Netz gestellt, der innerhalb weniger Tage mehr als sieben Millionen Mal (Stand: 24. Mai, 12 Uhr) abgerufen wurde und die Debatte vor der Europawahl am kommenden Sonntag in eine für die CDU möglicherweise gefährliche Richtung gesteuert hat.

Zunächst plante die Union eine Videoantwort an Rezo. Der mit 26 Jahren jüngste CDU-Bundestagsabgeordnete, Philipp Amthor, hatte sogar schon eine filmische Replik erstellt, die dann aber doch nicht veröffentlicht wurde.

Ziemiak: Direktes Gespräch besser als Video-Krieg

"Am besten machen sich junge Menschen ein Bild von unterschiedlichen Positionen, indem man zusammensitzt, indem man auch streitet, und dann kann sich jeder ein Bild machen. Ein Gespräch miteinander ist besser als jeder Video-Krieg", erklärte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak die Entscheidung.

Die im Rezo-Video ebenfalls angegriffene SPD, als Teil der grossen Koalition ebenfalls für die Regierungspolitik verantwortlich, hingegen wählte als Antwortmedium einen YouTube-Clip.

Tiemo Wölken, der für die SPD im Europäischen Parlament sitzt, gesteht in dem 15-minütigen Film Fehler seiner Partei ein und lobt Rezo für seine mit Quellen belegte Kritik. Gleichzeitig schiebt Wölken allerdings die meisten von Rezo angesprochenen Fehler dem Koalitionspartner CDU in die Schuhe und stellt die seiner Ansicht nach erfolgreichen Klimaschutzbemühungen der SPD auf EU-Ebene heraus.

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz kritisierte das Verhalten seiner eigenen Partei. "Es sind Fehler gemacht worden", erklärte der 72-Jährige im Interview mit dem "Deutschlandfunk".

Dabei bezog sich Polenz sowohl auf die Reaktion der CDU auf das Rezo-Video als auch auf die im Clip angesprochenen Themen wie Klimaschutz, Energiepolitik und Urheberrecht.

CDU-Verantwortliche "wie Hühner mit abgeschlagenen Köpfen"

Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs sieht gleich mehrere Fehler der CDU im Umgang mit dem Rezo-Video. "Wenn sie den Mund gehalten hätten, hätte das Video der Partei weniger geschadet", sagte der Experte für digitale Kommunikation der dpa.

Auch die Einladung zum Gespräch sei zu spät ausgesprochen worden. So hätte das Thema bis nach der Europawahl kleiner gehalten werden können. Man merke eine gewisse Nervosität in der Partei.

"Mein Eindruck nach dem Video war, dass die Verantwortlichen im Konrad-Adenauer-Haus aufgeregt wie Hühner mit abgeschlagenen Köpfen umhergelaufen sind", sagte Fuchs. Das Konrad-Adenauer-Haus ist die Parteizentrale der CDU.

Der Politikberater kritisiert auch den allgemeinen Umgang der CDU mit dem Internet: Die Partei habe" seit Jahren verschlafen, das Netz zu verstehen". Ein Fehler sei etwa gewesen, dass die Partei es versäumt habe, Kontakt zu Influencern aufzubauen, also zu Einzelpersonen, die durch eine hohe Reichweite im Internet Trends setzen können und teilweise Millionen Menschen erreichen. Zudem zerstöre die CDU mit ihrer aus Jugendsicht respektlosen Reaktion auf das Video das Vertrauen junger Wähler.

Verwendete Quellen:

  • Website des Deutschlandfunks: "Polenz (CDU): 'Es sind Fehler gemacht worden'"
  • dpa
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