• Deutschland belegt im aktuellen "CPI", dem Korruptionswahrnehmungsindex von "Transparency International" den 10. Platz.
  • Im internationalen Vergleich ist das keine schlechte Position, dennoch üben Korruptionsexperten Kritik: In den letzten Jahren hat sich an der Wahrnehmung in Deutschland nichts geändert.
  • Wo Experten massive Defizite sehen.

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Deutschland tritt in Sachen Korruption scheinbar auf der Stelle: Erneut belegt das Land in der Korruptionserhebung von "Transparency International" den 10. Rang. Mit 80 von 100 möglichen Punkten landet Deutschland im jüngsten "CPI" knapp vor Grossbritannien, Hongkong und Österreich. Spitzenreiter der 180 Länder und Gebiete sind Dänemark, Neuseeland und Finnland, auf den letzten Plätzen stehen Somalia, Syrien und Südsudan.

Die stagnierende Platzierung Deutschlands zeige, "dass wir bei der Korruptionsbekämpfung leider kaum vorankommen", kommentierte Hartmut Bäumer, Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation "Transparency International" bei der Vorstellung des Berichts. Die Organisation sieht weiter massive Defizite.

Coronakrise: Korruption in der Maskenaffäre

In Sachen Korruption war in Deutschland im vergangenen Jahr vor allem die sogenannte "Maskenaffäre" in Erinnerung geblieben. Dabei war im März 2021 bekannt geworden, dass damalige CSU-Politiker ihre Kontakte in Landes- und Bundesministerien genutzt hatten, um sich an Corona-Schutzmasken zu bereichern.

Juristisch belangt wurden sie dafür nicht: Die Zahlungen in Höhe von etwa zwei Millionen Euro seien ein Honorar gewesen, das die Abgeordneten dafür erhalten hätten, bei der Aushandlung des Geschäfts geholfen zu haben – kein Tatbestand der Korruption befand ein Gericht in München. Auch die "Aserbaidschan-Affäre" hängt im öffentlichen Gedächtnis noch nach.

Organisation sieht massive Defizite

"Das Gesetz gegen Vorteilsnahme im Amt für gewählte Mandatsträger bleibt praktisch wirkungslos und bedarf dringend einer Verschärfung", kommentierte Bäumer deshalb. Es sei nicht in Ordnung, dass die geltenden Regeln für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes strenger seien als für gewählte Mandatsträger.

Ebenso bemängelt die Organisation eine Geheimhaltungskultur im öffentlichen Sektor, das Fehlen klarer Regeln in Bezug auf die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen und den unzureichenden Schutz von Whistleblowern.

USA als "Sorgenkind"

Auch Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann sieht Aufholbedarf, mahnt allerdings zu Vorsicht: "Der 10. Platz ist international sehr ordentlich. Es gibt zivilisierte Länder, die deutlich weiter hinten liegen", erinnert er. So gelten die USA als "Sorgenkind": Zum ersten Mal seit zehn Jahren kommen die Vereinigten Staaten nicht mehr unter die 25 bestplatzierten Länder. Auch Australien und Kanada, einst Vorreiter im Kampf gegen Korruption, erzielen schlechtere Werte als noch vor zehn Jahren.

"Es macht stutzig, dass Deutschland nur knapp vor Österreich und Hongkong liegt. In Österreich ist der Kanzler unter anderem wegen Korruptionsverdacht zurückgetreten und Hongkong liegt massiv im Einflussbereich von China", so der Experte.

Vorsichtiger Umgang mit CPI

Man müsse mit dem Korruptionsindex deshalb sehr vorsichtig umgehen. "Es ist keine statistische Auswertung, sondern Experten werden befragt", betont von Alemann. Der CPI basiert auf Wahrnehmungen von Wirtschaftsvertretern und Länderexperten zu Korruption in Politik und Verwaltung. Zu den Quellen zählen beispielsweise die Weltbank.

Erfasst werden auf diese Weise Beobachtungen von Straftaten wie Bestechung und Erfahrungen fehlender staatlicher Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Keinen Eingang finden allerdings Steuerbetrug, illegale Finanzströme, Geldwäsche oder Erfahrungen von Bürgern.

Lobbyregister war "Riesenschritt"

"Die Medien spielen bei der Wahrnehmung auch eine Rolle: In Ländern, in denen wenig über Korruption berichtet wird, kann entweder alles in Ordnung sein, oder die Lage ist besonders schlecht und die Presse nicht frei", erklärt von Alemann. Er meint deshalb: "Der CPI ist nicht besonders präzise. Das Lobbyregister war ein Riesenschritt nach vorne – und das spiegelt sich bisher nicht wider."

Das Lobbyregister ist zwar 2021 beschlossen, aber erst zum Jahresbeginn 2022 in Kraft getreten. Es schafft eine Registrierungspflicht für diejenigen, die Kontakt zu Mitgliedern des Bundestages oder der Bundesregierung aufnehmen oder in Auftrag geben, um Einfluss auf politische Prozesse zu nehmen. Generell könne sich die Wahrnehmung von Korruption nur über einen langen Zeitraum verändern, meint von Alemann.

Tief verankert im Wertesystem

"Das ist tief im Wertesystem einer Gesellschaft verankert", meint von Alemann. Bei den skandinavischen Spitzenreitern seien Tugenden der Klarheit, der Verlässlichkeit und des Vertrauens in der Bevölkerung über Jahrhunderte gewachsen. "Das kann man nicht sofort mit einem Gesetz verändern", so der Experte.

Dennoch sieht er in Deutschland weiter Handlungsbedarf: Betroffen sei dabei vor allem die "mittlere Ebene" der Korruption. "In Deutschland ist Alltagskorruption, also dass man etwa Ärzte bestechen muss, um operiert zu werden, kein Problem", meint von Alemann. Auch die Spitzenkorruption, die bis in die Regierung reiche, sei unbedeutend.

Regierung will nachschärfen

"Die mittlere Korruption, die sich auf der Ebene der Unternehmen und Parteien abspielt, ist in Deutschland das Hauptproblem", so von Alemann. Die Regierung unter Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, schärfer gegen Korruption vorgehen zu wollen. Im Koalitionsvertrag sind Nachschärfungen des sogenannten Schmiergeldparagraphen angekündigt.

"Es wäre ein grosser Fortschritt, wenn die neue Regierung den legislativen Fussabdruck einführt, sodass bei jedem Gesetz mitberichtet wird: Wie ist es zustande gekommen und welche Lobbyisten haben sich beteiligt?", sagt von Alemann.

Kritik an Parteispenden

Gedreht werden müsse aber auch an der Schraube der Parteispenden. "Es gibt keinerlei Begrenzung von Parteispenden, man kann einer Partei Millionen spenden, es muss nur ab einer bestimmten Summe veröffentlicht werden", erinnert der Experte.

Dabei sei eine Millionenspende an eine Partei ohne Frage eine Beeinflussung. "Es müsste ausserdem alle paar Jahre einen politischen Finanzierungbericht geben, der Geldströme zwischen Parteien, Regierungen, Stiftungen und Abgeordneten transparent macht", schlägt von Alemann vor. Letztlich könne sich Deutschland die USA beim Schutz von Whistleblowern zum Vorbild nehmen.

Über den Experten:
Prof. Dr. Ulrich von Alemann studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Staatsrecht und Geschichte. Er lehrte an den Universitäten Duisburg, Hagen und Düsseldorf. 2012 wurde er emeritiert. Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt auf Parteienforschung.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Prof. Dr. Ulrich von Alemann
  • Transparency International: Korruptionswahrnehmungsindex 2021

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