Folgt auf Regierungskrise in Thüringen eine Koalitionskrise in Berlin? Nach dem angekündigten Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sehen erneut viele die GroKo auf der Kippe. Union und SPD setzen auf den Fortbestand ihres Bündnisses. Aber es gibt noch einige Fragen zu beantworten.

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Auch nach dem angekündigtem Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrem Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur gehen führende Politiker der Koalition von einem Fortbestand des Bündnisses aus CDU, CSU und SPD aus.

Noch-Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer machte am Montagabend in mehreren Interviews deutlich, dass die Union zu Regierung und Koalition stehe. Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich "überzeugt", dass eine stabile Regierungsarbeit weiter möglich sei. Zahlreiche personelle wie inhaltliche Fragen sind nach der Ankündigung Kramp-Karrenbauers aber ungeklärt. Umstritten ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt die CDU ihren Kanzlerkandidaten - und damit wohl auch den neuen Parteivorsitzenden - bestimmen soll.

"Suchphase" der CDU werde Regierungsarbeit nicht beeinträchtigen

Die CDU-Chefin hatte am Montag nach rund 14 Monaten im Amt ihren Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur und die Aufgabe des Parteivorsitzes in absehbarer Zeit erklärt. Bis zur Klärung der K-Frage will sie Parteichefin bleiben und den Prozess der Bestimmung "weiter von vorne" führen. Aus Sicht Kramp-Karrenbauers gehören Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand.

Im ARD-"Brennpunkt" trat Kramp-Karrenbauer Mutmassungen entgegen, dass die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel nach einer Festlegung auf einen Unions-Kanzlerkandidaten vorzeitig enden muss. "Wir haben aber für diese Legislaturperiode vereinbart, dass es bei der Regierung Merkel auch bleibt, dass sie Kanzlerin ist und wir haben immer gesagt, wir wollen diese Legislaturperiode ordentlich zu Ende bringen", sagte sie. Auch in einem ZDF-"Spezial" betonte sie, die Union stehe zu dieser Regierung und Koalition. Daran habe auch der heutige Tag nichts geändert.

Vizekanzler Olaf Scholz zeigte sich gelassen mit Blick auf die Folgen des CDU-Bebens für die Koalition. "Die grosse Koalition wird ihre Arbeit machen. Dazu ist sie verpflichtet", sagte Scholz im ARD-"Brennpunkt". Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Scholz mit Blick auf die Kandidatensuche in der Union: "Diese Suchphase wird die Regierungsarbeit aber nicht beeinträchtigen." Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte gleichwohl vor Stillstand in der Koalition. "Der darf nicht eintreten, sonst würden die Bürger das ohnehin nur dünne Vertrauen in die demokratische Politik verspielen", sagte der SPD-Politiker dem "Mannheimer Morgen".

CSU-Chef Söder fordert von Schwesterpartei baldige Klärung

CSU-Chef Markus Söder forderte die CDU am Montag zu Klarstellungen in "absehbarer Zeit" auf und warnte eindringlich vor Personalstreit. "Ganz offen gesagt, ist jetzt nicht die Zeit für Spielchen. Weder für diejenigen, die gern alte Rückspiele betreiben wollen, wenn es um Personalfragen der Vergangenheit gegangen ist, noch für diejenigen, die glauben, es geht nur um die eigene Karriere. Es geht tatsächlich um die Union als Ganzes, es geht um den Volksparteicharakter, es geht um den Führungsanspruch der Union, aber auch um die Stabilität ganz Deutschlands", sagte Söder im ZDF-"heute journal".

Söder wandte sich gegen Regionalkonferenzen bei der Bestimmung der offenen Personalfragen. Auch Kampfkandidaturen wären nicht das Beste. "Jetzt braucht es schon eine Entscheidung für eine geschlossene Führung der CDU." Auf einem Empfang der Staatsregierung am Abend in Nürnberg mahnte der bayerische Ministerpräsident: "Es kann jetzt kein Dreivierteljahr irgendwelche Personaldiskussionen geben."

Kramp-Karrenbauer sagte dazu in der ARD, an der Situation zu Sonntag habe sich "relativ wenig geändert". "Denn auch da haben wir gesagt, wir wollen diesen Prozess steuern bis in den Herbst, in den Winter hinein. Und da war der einzige Unterschied, dass ich eben als Kandidatin fürs Kanzleramt noch mit dabei war. Und jetzt habe ich mehr Freiheit, sozusagen diesen Prozess zu steuern."

Auslöser der jüngsten Verwerfungen in der CDU war die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten vergangene Woche. Dabei wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD gewählt, was Kramp-Karrenbauer und Merkel scharf kritisiert hatten. Die Parteichefin konnte sich aber bei der Thüringer CDU nicht mit der Forderung nach einer raschen Neuwahl durchsetzen. Kemmerich ist inzwischen zurückgetreten und nur noch geschäftsführend im Amt.

CDU-Prominenz bekräftigt Unvereinbarkeitsbeschluss

Kramp-Karrenbauer betonte in der ARD mit Blick auf die AfD: "Es wird nicht nach rechts gewackelt, nicht zusammengearbeitet, nicht direkt und nicht indirekt." Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Der Unvereinbarkeitsbeschluss steht. Es gehört zur DNA der CDU, dass wir nicht mit AfD oder Linkspartei zusammenarbeiten." Söder mahnte im ZDF: "Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist in jeder Form das Ende der Union in ihrer bisherigen Form und würde von einer CSU niemals akzeptiert werden."

Der CSU-Chef verwies dabei auf Sachsen-Anhalt, wo 2021 ein neuer Landtag gewählt wird und es CDU-intern eine Debatte über den Umgang mit der AfD gibt. Der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, warnte im RND davor, die AfD zu isolieren. "Das sind gewählte Abgeordnete, die nach ihrer Einstellung und Meinung entschieden haben. Das muss man am Ende mal zur Kenntnis nehmen, auch wenn es einem nicht gefällt", sagte Böhmer, der von 2002 bis 2011 Ministerpräsident war.

Die ultrakonservative Werteunion hatte die Wahl von Kemmerich in Thüringen begrüsst, woraufhin mehrere CDU-Politiker forderten, die Splittergruppe aus der Partei zu drängen. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans griff die Vereinigung scharf an. "Ein Bekenntnis zur Werteunion ist eine Beleidigung für alle CDU-Mitglieder", sagte Hans der "Rheinischen Post". Der Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch, forderte in der "Passauer Neuen Presse" eine Politikwende in der Union, damit Konservative und Wirtschaftsliberale dort wieder eine Heimat fänden. Aus Sicht von Söder ist die Gruppe "völlig überschätzt". Sie spiele im Parteileben und in Parlamenten keine Rolle. (jwo/dpa)  © dpa

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