Im Sommerinterview macht Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer keine Anstalten, die rechten Umtriebe in der Truppe kleinzureden. Im Gegenteil. Als scheidende CDU-Chefin schreibt sie ihrem Nachfolger den Kampf gegen rechts ins Stammbuch. Und eine Spitze für die Bewerber hat sie auch noch übrig.
Man könnte es Annegret Kramp-Karrenbauer nicht verdenken, wenn sie sich nach dem ersten ARD-Sommerinterview der Saison aufs Sonnendeck eines Spreedampfers gelegt hätte: Die 57-Jährige hat derzeit nämlich gleich zwei Jobs, um die sie wohl niemand beneidet. Als CDU-Vorsitzende mit Ablaufdatum gehen die Lorbeeren für die hervorragenden Umfragewerte an ihr vorbei, während sie den Hahnenkampf um ihre Nachfolge moderieren muss. Und als Verteidigungsministerin hat sie Altlasten geerbt, auf die das KSK noch neue Probleme schaufelt.
Doch den Verdacht auf Urlaubsreife wollte Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Tina Hassel vor der Kulisse des Spreebogens am Berliner Reichstag, an dem ein Ausflugsschiff nach dem anderen vorbeischipperte, nicht aufkommen lassen. Die Probleme bei den Elite-Soldaten nimmt die Verteidigungsministerin zum Anlass, auf breiter Front in die Offensive zu gehen – und gleich bei der ganzen Truppe nach den Rechten zu sehen: "Die Frage betrifft nicht nur das KSK, sondern die gesamte Bundeswehr, darüber hinaus noch andere Sicherheitskräfte – und sie steht am Ende für die Glaubwürdigkeit dieses Staates."
Doch neben A wie Anpacken hatte Kramp-Karrenbauer auch A wie Aussitzen im Angebot – Fragen zur Zukunft und vor allem zum nächsten Kanzlerkandidaten der Union blockte die Noch-CDU-Vorsitzende ab. Aber inhaltlich, das machte dieser Auftritt klar, möchte sich Kramp-Karrenbauer ein Vermächtnis bewahren.
AfD als "politischer Arm des Rechtsextremismus"
Gescheitert als CDU-Chefin, das sei zur Erinnerung gesagt, ist Kramp-Karrenbauer an eigenen Fehlern und dem ungezügelten Machtstreben einiger Parteifreunde. Gefallen ist sie über die Causa Thüringen, in der sie keinen Zugriff auf den Erfurter Landesverband bekam, der mit der AfD gemeinsame Sache machte, um den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu küren. In ihrer Rücktrittserklärung bemängelte sie den „ungeklärten Umgang mit der AfD“ in Teilen der CDU.
Ihre Einordnung der AfD liess an Klarheit nichts vermissen: Die Partei sei "der politische Arm dessen, was wir an Rechtsextremismus erleben", sagte Kramp-Karrenbauer. "Und ich sage: Mit einem politischen Arm von Rechtsextremismus, den kann man nur politisch bekämpfen, mit dem kann man nicht zusammenarbeiten." Ein Satz, der wohl auch fürs Stammbuch ihres Nachfolgers gedacht ist.
Der wird in einer Kampfkandidatur gekürt, vermutet Kramp-Karrenbauer, obwohl sie das nicht begrüsst und einen "breiten Wunsch" in der Partei verspüre, die Führungsfrage einvernehmlich zu lösen. "Aber bisher habe ich noch von keinem vernommen, dass er die Kandidatur zurückzieht."
Was sie sich von Armin Laschet, Norbert Röttgen oder Friedrich Merz sonst noch wünscht, verriet Kramp-Karrenbauer nicht en detail, einen interessanten Nebensatz liess sie dennoch fallen: Gute Kanzler bräuchten die Fähigkeit, in schwierigen Zeiten einen Kurs beizubehalten und "nicht in Populismus" zu verfallen. "Da gucken Sie nach München?", fragte Tina Hassel, lief aber ins Leere. "Da gucke ich in die Geschichte."
Kleiner Wink an Markus Söder
Überhaupt versuchte die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios immer wieder mit der Brechstange, schlagzeilentaugliche Aussagen aus Kramp-Karrenbauer herauszuholen. "Kann der Kanzlerkandidat auch aus der CSU kommen oder schliessen Sie das hier und jetzt aus?", fragte Hassel, nach dem erwartbaren Ausweichmanöver legte sie mit einem Einspieler von Norbert Röttgen nach, der sich offenbar vorstellen könnte, als CDU-Chef auch einen CSU-Kanzlerkandidaten Markus Söder zu unterstützen. Auch hier: Kein Erfolg, Kramp-Karrenbauer liess Hassel schon fast in Merkel-Art auflaufen. "Ich sitze nicht hier, um das zu deuten, das müssen Sie Norbert Röttgen fragen."
Kein Problem für Hassel, so stürmisch, wie der Wind immer wieder ihre Notizen durcheinanderwirbelte, flatterte sie durch die Themen. Worauf es im Wahljahr ankommt? Nicht, wer – kleiner Wink an Markus Söder und/oder Armin Laschet – sich in der Corona-Zeit als Krisenmanager hervorgetan habe, sondern "wer Deutschland in die Zukunft bringe". Ob sie Sorgen hat, dass Thüringen sich in Sachsen-Anhalt wiederholt? Nein, solange Ministerpräsident Reiner Haseloff das Sagen habe. Ob sie die Frauenquote in der CDU per paritätischer Listenbesetzung anheben will? Ja.
Verschlampt, verloren – oder doch geklaut?
Lange überlegen muss Kramp-Karrenbauer, als Hassel auf ihre Rolle als Verteidigungsministerin schwenkt, die schlechtesten Nachrichten natürlich zuerst, Rechtsradikale im KSK, dazu verschwundene Munition, und erstmal sagt die Verteidigungsministerin nicht, wie sie das Problem in den Griff bekommen will, sondern für wie gross sie es hält: sehr gross. "Wenn die, die einen Eid auf die Verfassung ablegen (…), in ihren eigenen Reihen Leute haben, die gegen die Verfassung sind, dann gefährdet das die Stabilität der Demokratie."
Die Latte liegt hoch, die Kramp-Karrenbauer sich selbst legt, sie will sich "das gesamte Thema Rechtsextremismus" anschauen, nicht nur beim KSK – dabei wäre das Aufräumen bei der Elitetruppe allein schon eine Herkulesaufgabe. Wo nun die über 60 Kilo Sprengstoff abgeblieben seien, die beim KSK vermisst werden, will Hassel wissen, und die Antwort lässt nichts Gutes vermuten: Entweder "schlampige Buchungen", "im Einsatz zurückgeblieben" oder "beiseite geschafft" - alle drei Möglichkeiten, die Kramp-Karrenbauer präsentiert, lösen eine ganze Menge Folgefragen aus.
Eine davon stellt Hassel etwas verklausuliert: Ob Kramp-Karrenbauer die richtige Frau im Amt ist. Hassel lässt André Wüstner, den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, im Einspieler über fehlende Abstimmung klagen, ein ziemlich geharnischter Vorwurf an die Oberbefehlshaberin der Truppe. Einer, den Kramp-Karrenbauer wortreich umschifft, Hassel lässt es ihr nach einer halbherzigen Nachfrage durchgehen. Vielleicht wollte sie auch lieber schnell aufs Sonnendeck.
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