Der inhaftierte russische Oppositionsführer Alexej Nawalny steht seit Montag in einem weiteren Prozess wegen "Extremismus"-Vorwürfen vor Gericht. Ihm drohen bis zu 30 weitere Jahre hinter Gittern.
Am Montag begann ein weiterer Prozess gegen den inhaftierten russischen Oppositionsführer
Der Prozess findet im Hochsicherheits-Straflager IK-6 in Melechowo 250 Kilometer östlich von Moskau statt, wo der 47-jährige Nawalny inhaftiert ist. Nawalny befand sich zum Prozessauftakt zusammen mit seinen Anwälten im Verhandlungsaal. Journalisten konnten die Verhandlungen lediglich per Video aus einem anderen Raum verfolgen. Auch Nawalnys Eltern, die nach Melechowo gereist waren, mussten draussen bleiben.
Kritik von deutschem Vize-Regierungssprecher
In Berlin sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner, die russischen Behörden suchten "immer wieder nach neuen Vorwänden", um Nawalnys Haftstrafe zu verlängern. Die Bundesregierung halte weiter an der Forderung fest, den Oppositionspolitiker unverzüglich freizulassen. Wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof bereits 2017 festgestellt habe, beruhe Nawalnys Inhaftierung auf politisch motivierten Urteilen.
Nawalny wird in dem neuen Verfahren vorgeworfen, eine "extremistische" Organisation gegründet und finanziert, zu extremistischen Aktivitäten aufgerufen und "Nazi-Ideologie wiederbelebt" zu haben. Seine Anwälte hatten lediglich zehn Tage Zeit erhalten, um die 196 Ordner mit insgesamt 3.828 Seiten umfassende Anklage zu sichten. "Auch wenn der Umfang der Akten klar macht, dass ich ein raffinierter und hartnäckiger Krimineller bin, ist es unmöglich, herauszufinden, was genau mir vorgeworfen wird", hatte Nawalny vor Prozessbeginn ironisch erklärt.
Anklage erstmals auch offiziell politisch
Es sei das erste Mal, dass gegen Nawalny auch formell politische Vorwürfe erhoben würden, betonte sein Team. "Er wird wegen seiner politischen Arbeit vor Gericht gestellt", sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch der Nachrichtenagentur AFP. Nach eigenen Angaben droht Nawalny zudem ein Prozess vor einem Militärgericht wegen "Terrorismus"-Vorwürfen. Dabei drohe ihm lebenslange Haft.
Der Gegner von Staatschef
Nawalny hatte mit seinem Team Fälle von systematischer Korruption in der russischen Elite aufgedeckt und dokumentiert. Über ein Netzwerk von Büros in ganz Russland hatte er zudem Oppositionspolitiker unterstützt. 2018 wollte er selbst bei der Präsidentschaftswahl kandidieren, dies wurde jedoch von den Behörden verhindert.
Nawalny klagt über Misshandlungen und Folter
Erst in der vergangenen Woche war die Leiterin eines Regionalbüros von Nawalnys Organisation, Lilia Tschanischewa, zu siebeneinhalb Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt worden. Auch ihr wurde Gründung einer "extremistischen Organisation" vorgeworfen.
Seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine gehen die russischen Behörden verstärkt gegen kritische Stimmen vor. Die meisten Regierungskritiker sind inzwischen im Exil oder hinter Gittern.
Nawalny wirft den Strafvollzugsbehörden vor, ihn hinter Gittern zu misshandeln. So sei er wiederholt wegen angeblicher Verstösse in eine "Strafzelle" eingeschlossen, in einem Fall mit einem kranken Häftling zusammengesperrt sowie einer "Putin-Folter" unterzogen worden, indem er gemeinsam mit Mitgefangenen Reden von Staatschef Putin anhören musste. (afp/lko) © AFP
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