Russlands Ton gegenüber den USA hat sich komplett gedreht. Kreml und Staatsmedien freuen sich, dass US-Präsident Trump Moskaus Propaganda eins zu eins übernimmt. Aber was bedeutet das für den Krieg?
Russlands Staatsfernsehen hat in US-Präsident
Kisseljow schwärmt schon von der "grossen Troika" mit Russland, China und den USA für eine neue Weltordnung. Europa ist abgeschrieben. Die Amerikaner sind die neuen besten Freunde der Russen – zumindest für den Augenblick. Die Kehrtwende, die Trump hinlegt, wenn er betont, dass er Kremlchef Wladimir Putin vertraue, hat auch den Ton in Moskau gedreht.
Expertin: Russland auf jede Entwicklung eingestellt
Moskau sieht sich auf Augenhöhe mit Washington und beteuert, wie Trump ebenfalls ein Ende des Krieges anzustreben. Seit Wochen wird über ein baldiges Treffen Trumps mit Putin gesprochen – in Saudi-Arabien womöglich. Aber ein Termin ist nicht in Sicht. "Das wird ein langes Feilschen, bei dem Moskau sich auf einen beliebigen Ausgang einstellt – von begrenzten Vereinbarungen bis hin zur völligen Einstellung des Dialogs und sogar zur Eskalation", sagt die russische Politologin Tatjana Stanowaja.
Die russischen Truppen haben nach der Aussetzung der US-Hilfe ihren ohnehin seit Monaten auffälligen Vormarsch noch einmal intensiviert.
Ukraine-Gespräche in Saudi-Arabien
Nach Trumps zuletzt im russischen Staatsfernsehen genüsslich verbreiteten Aufforderungen an
Selenskyjs Verhandlungsführer Andrij Jermak strebt eine Feuerpause in der Luft und zur See sowie einen Stopp der Angriffe auf zivile und die Energieinfrastruktur an – als erste Schritte. Auch Selenskyj betont, es lägen nun konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Am Ende müsse ein gerechter und dauerhafter Frieden stehen – samt Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Russland zeigt sich trotz allem weiter sperrig
In Moskau stossen die ukrainischen Forderungen weiter auf Widerstand. Kiew wolle Zeit gewinnen, damit die Front nicht zusammenbreche, sagt die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa. Eine Feuerpause wolle die Ukraine nutzen, um mit Hilfe der westlichen Verbündeten ihre militärischen Fähigkeiten zu stärken und Truppen neu aufzustellen und dann Rache zu nehmen. Am Ende stehe eine neue Gewaltspirale. "Das ist absolut nicht hinnehmbar", sagt Sacharowa.
Moskau kritisiert zudem, dass die EU keinen Beitrag zur Lösung des Konflikts leiste, sondern den Krieg mit Waffenlieferungen und Aufrüstung fortsetzen wolle. Dabei gab auch die Ukraine bei vergangenen Debatten immer wieder zu bedenken: Die Russen könnten bei einer wie auch immer gearteten Waffenruhe ebenfalls neue Kräfte sammeln.
Russische Zeitung sieht Spielraum für Verhandlungen
Die gemässigte russische Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" weist darauf hin, dass Putin zwar zu Kompromissen bereit sei, aber auch auf vielen für Kiew kaum akzeptablen Positionen beharre. So werde Moskau niemals einen Nato-Beitritt der Ukraine zulassen oder auf die besetzten Gebiete im Osten und Süden der Ukraine verzichten, stellt das Blatt fest.
Für möglich hält Chefredakteur Konstantin Remtschukow aber, dass Moskau angesichts der verlustreichen Kämpfe auf eine komplette Eroberung der bisher nur teils besetzten Gebiete Saporischschja und Cherson verzichtet. Die dort besetzten Teile könnten dann zu einem Gebilde unter dem Namen Noworossija zusammengelegt werden. "Eine Änderung der Verfassung stellt da kein Problem dar", schrieb er mit Blick auf die Salon-Debatten in Moskau.
Remtschukow merkt an, dass die Russen trotz der aktuellen Euphorie um den US-Kurs sehr wohl wüssten, dass alle Vereinbarungen mit Trump nur einen "taktischen und zeitlich begrenzten Charakter" hätten, weil die Mehrheit der Europäer und die Hälfte der Amerikaner überzeugt sei, dass die Zeit des US-Präsidenten in vier Jahren vorbei sei. Zudem verstehe Moskau, dass Trump vor allem einen Keil zwischen die Nachbarn Russland und China treiben wolle. Das Misstrauen gegenüber Trump bleibt gross.
Russland strebt Wegfall von Sanktionen an
Eines der wichtigsten Themen bei den Verhandlungen um den Ukraine-Konflikt für die Russen ist der Wegfall zumindest einiger der 16.000 Sanktionen des Westens. Zwar betonte Putin mehrfach, die Sanktionen hätten in vielen Bereichen Kräfte freigesetzt und Russland stärker gemacht. Gleichwohl räumt er ein, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung bremsen.
Längst laufen schon Gespräche zwischen dem russischen Unternehmerverband und der amerikanischen Handelskammer Amcham über eine Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen. Der Amcham-Chef in Moskau, Robert Agee, sagte der Wirtschaftszeitung "RBK", dass vor allem jene Sanktionen fallen müssten, von denen US-Firmen selbst die meisten Nachteile hätten. So will Agee neben einer Wiederaufnahme des Flugverkehrs etwa, dass russische Banken wieder an das Finanz-Kommunikationssystem Swift angeschlossen werden.
Die US-Unternehmen hätten seit ihrem Weggang vom russischen Markt nach Kriegsbeginn mehr als 300 Milliarden US-Dollar verloren, heisst es in Moskau. Inzwischen lockt Russlands Wirtschaft die Amerikaner. Putin bot Trump den Zugang zu Rohstoffen wie seltenen Erden an.
Die Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko erwartet aber keinen grossen Neustart für die US-Unternehmen in Russland. Putin werde die USA und den Westen weiter als Hauptgegner sehen, schrieb sie in einer Analyse er US-Denkfabrik Carnegie. "Die Rachsucht des russischen Führers, seine Fixierung auf Gedanken, dass der Westen ihn wiederholt getäuscht hat, und das Fehlen jeglicher Zurückhaltung im eigenen Land werden den Kreml früher oder später zur nächsten Eskalation treiben." (Ulf Mauder, dpa/bearbeitet von tas)